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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Projekte des Instituts für Volkskunde

Das Institut für Volkskunde bereitet in Einzelprojekten verschiedene Quellen zur Volkskunde in Bayern als Forschungsmaterialien auf, digitalisiert sie und macht sie zeitgemäß zugänglich. Gegenwartsorientierte Projekte widmen sich den Themen "immaterielles Kulturerbe" und "Transformationsprozesse in ländlichen Räumen".

Aktuelle Projekte

KulturRäume – KulturAkteure – KulturPraktiken. Die Bedeutung von „Kultur“ für die Dynamisierung von gesellschaftlichen Transformationsprozessen in ländlichen Räumen

Das Forschungsvorhaben untersucht mit ethnografischen Methoden die Bedeutung von Kultur für die Dynamisierung von Entwicklungen in den Landkreisen Wunsiedel i. Fichtelgebirge und Görlitz. Ihm liegt ein volkskundlich-kulturanthropologischer Kulturbegriff zu Grunde, der kulturelle Akteur*innen wie Künstler*innen, Kreativmilieus und Museen ebenso einschließt wie Vereins-, Populär- und Jugendkulturen und deren Orte. Das Projekt begreift „Kultur“ als ein wichtiges Aushandlungsfeld gesellschaftspolitischer Themen und als treibende Kraft in Transformationszusammenhängen.

Die zwei Grenzregionen sind durch Deindustrialisierung, Abwanderung, Arbeitslosigkeit, Rückzug staatlicher Akteure, erinnerungskulturelle Vereinnahmung durch nationalistische Bewegungen u.a.m. gekennzeichnet. Das Forschungsprojekt untersucht die dort tätigen Kulturakteur*innen und ihre kreativen Praktiken und Strategien, die zur Revitalisierung und Neuerfindung dieser Räume erheblich beitragen.

Folgende Fragekomplexe stehen im Fokus:

  • Wer sind die Akteur*innen, die den Transformationsprozess im ländlichen Raum in Hinblick auf die Schaffung sozialer, demokratiefördernder und inklusiver Teilhabe-Orte (mit-)gestalten?
  • Mit welchen kulturellen Aktivitäten und Beheimatungsstrategien wird den Herausforderungen hinsichtlich Abwanderung, demografischem Wandel, Finanzknappheit der Kommunen, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Mobilität und Zuwanderung entgegengetreten?
  • Welche ökonomischen, sozialen und kulturellen Ressourcen sowie Policies sind für die kreativen Lösungen und gouvernementalen Strategien kultureller Akteur*innen notwendig und welche infrastrukturellen Rahmenbedingungen finden sie vor?
  • Welche Bevölkerungsgruppen gestalten den Transformationsprozess mit und welche sind – etwa aufgrund von mangelndem kulturellen und sozialen Kapital, ethnischer Herkunft, ihres Geschlechts, Alters oder fehlenden Mobilitätsangeboten – von der lokalen Governance und gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen?
  • Welche (neuen) Bilder von „Land“ und „Ländlichkeit“ werden durch die verschiedenen Akteur*innen hervorgebracht und wie können diese zur „Neuerfindung“ strukturschwacher Räume und regionaler Identitäten beitragen?

Projektlaufzeit: 1.3.2023 bis 28.2.2026
Drittmittel-Finanzierung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Förderlinie „Faktor K – Forschung zum Faktor Kultur in ländlichen Räumen“
Projektleitung: PD Dr. Marketa Spiritova
Projektmitarbeiterinnen: Michelle Orth M.A., Elisa Stowe M.A., Stella Kuklinski B.A. (bis 30.9.2023), Carlotta Stimpfle B.A.

 

„Immaterielles Kulturerbe in Bayern“. Eine virtuelle Ausstellung immaterieller kultureller Ausdrucksformen

Im Jahr 2013 trat die Bundesrepublik Deutschland dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes (2003) bei. Dessen Ziel ist es, die Sichtbarkeit immaterieller kultureller Ausdrucksformen (darunter sprachliche Ausdrucksformen, darstellende Künste, Feste und Bräuche, traditionale Wissensbestände und Handwerkstechniken) zu verbessern, damit kulturelle Vielfalt zu verdeutlichen und zugleich zu deren Erhalt und Weiterentwicklung beizutragen. Voraussetzungen für die Auszeichnung einer kulturellen Ausdrucksform als immaterielles Kulturerbe im Sinne der UNESCO sind sowohl historische Tiefe als auch die aktuelle Ausübung, wobei sich die kulturellen Ausdrucksformen in Auseinandersetzung mit Gesellschaft und Umwelt verändern und für die ausübenden Gruppen und Gesellschaften identitätsstiftend sind.

Im Rahmen des nationalen Umsetzungsverfahrens des Übereinkommens wurde in Bayern 2013 ein eigenes Landesverzeichnis der ausgewählten kulturellen Ausdrucksformen eingerichtet. Bis 2018 sind dort 34 Ausdrucksformen aufgenommen worden (hinzu kommen drei Gute-Praxis-Beispiele, die als Erhaltungs- oder Entwicklungsprogramme zu verstehen sind). Bis 2021 ist das Verzeichnis auf 56 Eintragungen angewachsen. Mit jeder Neuaufnahme wächst das Wissen über die kulturelle Vielfalt in Bayern.

Das Ziel der Projektphase von 2019 bis 2021 war es, die ersten 34 kulturellen Praktiken in einer virtuellen Ausstellung in bavarikon darzustellen. Die Ausstellung „KulturErben. Immaterielles Kulturerbe in Bayern“ ist seit 30. November 2021 online. Sie geht in sechs Ausstellungsräumen auf die Ziele und Werte des UNESCO-Übereinkommens und seine Umsetzung in Bayern ein. Die Präsentation stellt beispielhaft wichtige Fragen und Themen zum immateriellen Kulturerbe vor, um die kulturelle und soziale Vielschichtigkeit immateriellen Kulturerbes und seine Bedeutung für seine Trägerinnen und Träger zu verdeutlichen. Zur Ausstellung gehören unter „KulturErben sammeln“ auch die Darstellungen aller 34 Ausdrucksformen einzeln, jeweils ausgestattet mit Bildern sowie Ton- und Videodokumenten und Hinweisen auf Materialien in bavarikon.

Die jetzt anschließende Projektphase von 2022 bis 2023 unter dem Titel „‚Immaterielles Kulturerbe Bayern‘ II – Ergänzung und Erweiterung der digitalen Ausstellung immaterieller kultureller Ausdrucksformen“ widmet sich weiteren 22 kulturellen Ausdrucksformen und Gute-Praxis-Beispielen. Die Ausstellung wird sowohl um zusätzliche Themen als auch um Einzeldarstellungen bereichert. Mit jeder neuen kulturellen Ausdrucksform werden neue Facetten des immateriellen Kulturerbes in Bayern angesprochen. Angestrebt wird eine breitenwirksame und inhaltlich ansprechende, differenzierte und historisch fundierte Präsentation und Vermittlung immateriellen Kulturerbes in Bayern.

Zur Diskussion zentraler Aspekte der virtuellen Ausstellung fand am 18. Juli 2022 ein Workshop statt.

Projektlaufzeit Phase I: 1.8.2019 bis 31.7.2021; Phase II: 1.1.2022 bis 31.12.2023
Ausstellungspräsentation ab 30.11.2021
Drittmittel-Finanzierung durch „bavarikon. Kultur und Wissensschätze Bayerns“
Projektleitung: Prof. Dr. Daniel Drascek, Dr. Helmut Groschwitz, Dr. Gabriele Wolf
Projektmitarbeiter*innen Phase I: Dr. Hermann Wellner, Manuela Klotzbücher M.A., Noah Bössenrodt B.A. (WHK)
Projektmitarbeiterinnen Phase II: Carolin Grimm M.A., Manuela Klotzbücher M.A., Noah Bössenrodt B.A. (WHK)

„Immaterielles Kulturerbe in Bayern“ SICHTBAR machen

Das Projekt umfasst die flächige Erhebung (Inventarisierung) von kulturellen Ausdrucksformen in Bayern, die im Sinne des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes von 2003 verstanden werden können, und zielt auf deren Identifizierung, Sichtbarmachung und In-Wertsetzung.

Für das sehr heterogene und diverse Feld des Immateriellen Kulturerbes in Bayern werden Kriterien für eine systematische Übersicht erarbeitet, die auch die je spezifischen Zugänge zu den unterschiedlichen Ausprägungen des Kulturerbes berücksichtigen, wie sie für mündlich überlieferte Traditionen, darstellende Künste, gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste, Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur und das Universum sowie traditionelle Handwerkstechniken erforderlich sind. Parallel dazu werden Vertreter*innen der Trägergruppen und Akteur*innen in exemplarischen Tiefenerhebungen befragt, um Antworten auf allgemeinere, übergreifende Fragestellungen wie zum Beispiel nach der Weitergabe von Wissen und Können, nach Kulturerbe als alltäglicher Praxis, nach sozialem wie kulturellem Selbstverständnis und Wertvorstellungen sowie nach Herausforderungen für die Erhaltung der kulturellen Ausdrucksformen zu erhalten. Im Ergebnis sollen sowohl Vielfalt als auch gesellschaftliche Bedeutung des Immateriellen Kulturerbes in Bayern (einschließlich überregionaler Vernetzungen) sichtbar werden.

Projektlaufzeit: 2020-2022
Drittmittel-Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat
Projektleitung: Prof. Dr. Daniel Drascek
Projektmitarbeiter*innen 2021-2022: Manuela Klotzbücher M.A., Michael Weiß M.A.
Projektmitarbeiterinnen 2020: Petra Schmidt M.A., Dr. Melanie Burgemeister

Die Edition der „Stubenberger Handschriften“

Als Projekt des Instituts für Volkskunde wird eine vollständige Edition der „Stubenberger Handschriften“ erarbeitet und in mehreren Bänden veröffentlicht. Die beiden Manuskripte aus dem Besitz der Bayerischen Staatsbibliothek sind die umfangreichste Kompilation und Sammlung von geistlichen und weltlichen Liedern aus dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, die für Bayern bekannt ist.

Handschriftenbände

Das „Geistliche Zeitten Buch“ (mit der Signatur Cgm 7341) entstand vermutlich um das Jahr 1790. Es enthält auf 482 Seiten 100 geistliche Lieder und 106 Gebete für das ganze Jahr. Es ist mit 19 farbigen Bildern illustriert, die Szenen aus dem Leben und der Passion Christi, Motive des Marienlebens, heilsgeschichtliche Themen und Heilige darstellen.

Das „Gesänger Buch“ (mit der Signatur Cgm 7340) ist mit der Datierung 1796 versehen, die vermutlich den Beginn der Aufzeichnungen markiert. Es besteht aus den beiden Teilen „Geistliche Gesänger“ und „Weltliche Gesänger“. Die „Geistlichen Gesänger“ enthalten auf 267 Seiten 385 Lieder und zwei andere Texte. Die „Weltlichen Gesänger“ versammeln auf 292 Seiten 331 Lieder und 18 andere Texte. Beide Teile sind teilweise mit farbigen Initialen sowie kleineren Zeichnungen ausgeschmückt.

Editionsprojekt und Veröffentlichungen

Mit der Edition dieser einzigartigen Quellen sollen Grundlagen für weiterführende Untersuchungen zur interdisziplinären Alltagskulturforschung, besonders zur volkskundlichen Lied- und Frömmigkeitsforschung in der Umbruchzeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts im bayerisch-österreichischen Raum geschaffen werden. Ziel der Edition ist es daher, die Handschriften erstmals in einer vollständigen und buchstabengetreuen Transkription vorzulegen und mit Worterläuterungen zu versehen. Die Bände sind jeweils durch ausführliche Inhaltsverzeichnisse sowie durch Register der Lied- oder Textanfänge erschlossen.

An der auf drei Textbände und einen Kommentarband hin angelegten Edition ist seit 2010 in enger Zusammenarbeit mit Willibald Ernst (27.6.1942-1.3.2018) gearbeitet worden. Die Edition des Geistlichen Zeitten Buches ist 2012 erschienen. Die Edition des „Gesänger Buches“ erfolgte in zwei Teilbänden: 2014 konnte der Teil Geistliche Gesänger vorgelegt werden, 2017 der Teil Weltliche Gesänger. Berichte über das Editionsprojekt sind in Akademie Aktuell 4/2014 und Akademie Aktuell 4/2017 erschienen. Der abschließende Kommentarband ist in Vorbereitung.

Projektlaufzeit: 2010 bis 2020 (geplant)
Projektbearbeiter*in: Dr. Gabriele Wolf und Willibald Ernst

tradmusik.net - Portal für traditionelle Musikkultur in Bayern

Ein Netzwerk von Institutionen zur Forschung und Pflege traditioneller und populärer Musikkultur in Bayern will auf der online-Plattform tradmusik.net eine gemeinsame Datenbank präsentieren. Sie soll einen zentralen Zugang zu möglichst vielen öffentlichen und privaten archivalischen Sammlungen zur Volksmusik in Bayern bieten und als Informationsquelle und Materialbasis für Musikforschung und Musikpraxis dienen. Die Vernetzung soll zur Verbesserung der Forschungsinfrastruktur beitragen und damit die Möglichkeiten sowohl für die Forschung als auch die Musikpflege erweitern. Besonders regional vergleichende musikalische Themen aber auch übergeordnete Strukturen werden sich mit Kenntnis der verfügbaren Materialien differenzierter bearbeiten lassen.

Das Institut für Volkskunde ist seit 2012 mit seiner Sammlung zur Volksmusik Partner von tradmusik.net. Seine Datenbank der volksmusikalischen Materialien enthält etwa 8.000 Datensätze und soll zu gegebener Zeit in die gemeinsame Datenbank von tradmusik.net eingepflegt und öffentlich zugänglich gemacht werden.

Projektleitung: Bayerischer Landesverein für Heimatpflege e.V.
Finanzielle Förderung durch den Kulturfonds Bayern

Abgeschlossene Projekte

Alltagskultur in Bayern im frühen 20. Jahrhundert

Der „Bayerische Verein für Volkskunst und Volkskunde in München e.V.“ führte in den Jahren 1908/09 eine bayernweite Rundfrage zu volkskundlichen Themen durch. Die Antwortschreiben aus 598 Orten in allen bayerischen Bezirken (einschließlich der Pfalz) mit gesamt etwa 6.700 Textseiten und die zeitgenössisch erfolgte thematische Auswertung mit 24.018 Einzelobjekten (auf 27.870 Seiten) waren Gegenstand eines Inventarisierungs-, Digitalisierungs- und digitalen Publikationsprojektes.

Ziel des Projektes war es erstens, unterschiedliche Aspekte der Alltagskultur zu einzelnen Orten in Bayern sichtbar zu machen. Zweitens ging es darum, durch die thematisch-lokale Verschränkung der Daten auch die Verbreitung einzelner Sachthemen bayernweit aufzuzeigen. Für jedes Antwortschreiben und alle Auswertungsblätter wurden umfangreiche Metadaten erarbeitet. Diese geben Auskunft über Orte, Autoren, Umfang, Datierung, Sachthemen und enthalten Zusammenfassungen der Antwortschreiben.

Ab Herbst 2017 erfolgte nach und nach die Veröffentlichung auf bavarikon. Die Präsentation enthält die Digitalisate der Antwortschreiben zu jedem einzelnen Ort wie auch die Digitalisate aller Auswertungsblätter, jeweils mit Metadaten. Zudem sind die Antwortschreiben mit den jeweils zugehörigen Auswertungsblättern verknüpft. Zu jedem Ort sind damit die vorhandenen Materialien virtuell wieder zusammengeführt. Sammlungsbeschreibungen für einzelne Regionen ordnen die Ergebnisse historisch sowie quellenkritisch ein und gliedern den Stoff. Ein „Werkstattbericht“ ist in Akademie Aktuell 1/2018 erschienen.

Projektlaufzeit: 1.10.2016 bis 31.12.2018
Drittmittel-Finanzierung durch „bavarikon. Kultur und Wissensschätze Bayerns“
Projektleitung: Prof. Dr. Daniel Drascek, Dr. Gabriele Wolf
Projektmitarbeiter*innen: Dr. Andreas Kühne, Hermann Wellner M.A., Sabrina Huber, Ariuna Bembejew

Ländliches Bauen in Bayern seit der Frühen Neuzeit

Das Archiv für Hausforschung ist eine umfangreiche Sammlung von etwa 12.000 Planzeichnungen und etwa 25.000 Fotografien von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden aus dem ländlichen Raum vor allem in Bayern. Aus diesem wichtigen Quellenbestand zur historischen Alltagskultur wurden etwa 5.500 Pläne und alle Fotografien digitalisiert. Die einzelnen Objekte wurden mit Metadaten erschlossen.

Über das Internetportal bavarikon sind 3.009 Pläne und 3.517 Fotos digital veröffentlicht. Alle anderen Digitalisate sowie die Datenbank stehen am Institut für Volkskunde für die Forschung und die interessierte Öffentlichkeit zur Verfügung. Ein Projektbericht ist in Akademie Aktuell 1/2016 erschienen. Der Aufsatz „Das Archiv für Hausforschung – eine Bestandsgeschichte“ von Andreas Kühne und Hermann Wellner ist im Bayerischen Jahrbuch für Volkskunde 2017 publiziert.

Projektlaufzeit: 1.11.2014 bis 30.9.2016
Drittmittel-Finanzierung: „bavarikon. Kultur und Wissensschätze Bayerns“
Projektleitung: Prof. Dr. Daniel Drascek, Dr. Gabriele Wolf
Projektmitarbeiter*in: Dr. Andreas Kühne, Dr. Stefan Pongratz, Hermann Wellner M.A., Sabrina Huber