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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Hubert Pöppel

Bayern und Spanien. Episoden aus einer 1300-jährigen Beziehungsgeschichte

Norderstedt 2017, Books on Demand, 292 Seiten
Rezensiert von Alois Schmid
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 18.05.2018

Die Landesgeschichte ist herkömmlicherweise stark dem Primat der Innenpolitik verpflichtet. Diese Ausrichtung resultiert aus ihrem Standort in der Methodologie der Geschichtswissenschaften. Sie wird mit der Konzentration auf eng umrissene Räume begründet, die eine besondere Blickschärfe ermöglicht und so ein willkommenes Korrektiv der allgemeinen Geschichte abgibt. Erst in allerjüngster Zeit bemüht sich vor allem die bayerische Geschichte, daneben auch die Außenbeziehungen zu einem Forschungsgegenstand mit Eigengewicht zu erheben. Dadurch werden völlig neue Themenfelder erschlossen, deren Bearbeitung sich auch unter der Ebene der Nationalgeschichten lohnt. Denn Außenbeziehungen können neben der staatlichen Sphäre viele weitere Bereiche betreffen, die am ehesten mit dem Begriff Beziehungsgeschichte zusammengefasst werden.

Diesen Terminus stellt der Herausgeber als Leitmotiv über den anzuzeigenden Sammelband. Er ist aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer des Forschungszentrums Spanien am Institut für Romanistik der Universität Regensburg erwachsen. Die planvolle Erhellung der Beziehungen Bayerns zur Kulturwelt Spaniens ist einer der naheliegenden Arbeitsschwerpunkte. Noch nie sind diese in größerem Rahmen thematisiert, geschweige denn im Zusammenhang dargestellt worden. Lediglich an Einzelpunkten sind die Berührungen der beiden Kulturräume angesprochen und partiell untersucht worden. Das gilt am ehesten für das Zeitalter der Gegenreformation, in dem Bayern zumindest für ein Jahrhundert in enger Kooperation mit Spanien auf der politischen Bühne Europas eine bestimmende Rolle spielte.

Der Band enthält insgesamt 18 Beiträge aus der Feder des Herausgebers. Sie stellen die Berührungen zwischen Bayern und Spanien seit der Völkerwanderung bis in die Gegenwart zusammen. Dabei wird das moderne Staatsbayern als Vergleichsterritorium zugrunde gelegt. Durch die Einbeziehung der urbanen Großzentren Augsburg und Nürnberg oder der Bischofsstadt Bamberg wird die Anzahl der Kontaktpunkte bereits vor deren Übergang an Bayern deutlich vermehrt. Die Optik wird mit dem Blick in die Bereiche Politik, Recht, Kirche, Soziales und auch einfach Menschliches sehr breit angelegt. Mit unverkennbarer Vorliebe wendet sich der Autor dem Bereich der Literatur zu. In den Mittelpunkt wird jeweils eine eng umrissene konkrete Begebenheit gestellt, an der dann das jeweils zugehörige Beziehungsgefüge deutlich gemacht wird. Dieser Ansatz wird mit der Einschränkung „Episoden“ treffend gekennzeichnet.

Natürlich stellt der Autor die bekannten Verbindungspunkte in den Mittelpunkt. So ist nach der auch vom Westgotenrecht beeinflussten »Lex Baiwariorum« vom Konquistador Ulrich Schmidl aus Straubing die Rede. Die militärische Kooperation im Dreißigjährigen Krieg kommt zur Sprache. Dem kurzen Königtum des Wittelsbachers Joseph Ferdinand wird ein eigener Abschnitt gewidmet. Die spanische Kolonie des Bayerwäldlers Johann Kaspar Thürriegel wird vorgestellt. Die Affäre König Ludwigs I. mit der Tänzerin Lola Montez ist ebenso Thema eines Beitrages wie die Tätigkeit des Wittelsbachers Adalbert von Bayern als erster Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Madrid. Mit dem Blick auf die spanischen Gastarbeiter der Nachkriegszeit wird ein Kernproblem der Gegenwart berührt. Neben diesen bekannten Sachverhalten erschließt der Autor aber auch manches weniger vertraute Detail. In diesem Sinne sei auf den Beitrag über den „Spanischen Dichterfürsten Garcilaso de la Vega auf der Donauinsel“ bei Regensburg oder „Das Wirken der Infantin Maria de la Paz in Bayern“ verwiesen. „Reiseberichte des Spätmittelalters“ machen mit der Fremdwahrnehmung der von frühen Weltenfahrern gegenseitig aufgesuchten Länder bekannt. Dass auch die Regensburger Gürtlerstochter Barbara Blomberg, die Mutter des Türkenbezwingers Don Juan d`Austria, intensive persönliche Beziehungen zu Spanien hatte, wird hier breit ausgeführt. Nicht zur Sprache kommt Gräfin Haziga von Scheyern, die lange als Königstochter von Aragon galt, ebenso wenig die Welt der Jesuiten, die viele Anknüpfungspunkte bietet. Gleiches gilt für die bildenden Künste oder die Königspläne des Kurfürsten Max Emanuel mit dem Mittelpunkt Mallorca. Vollständigkeit konnte natürlich in diesem Rahmen nicht angestrebt werden. Mit den mit Gespür ausgewählten Beispielen wird eine anregende Mischung von gut Bekanntem, weniger Bekanntem und Unbekanntem erreicht, die gewiss keine zusammenhängende Darstellung, dennoch aber einen aufschlussreichen Gang durch eineinhalb Jahrtausende bietet. Die Beiträge verzichten auf einen Anmerkungsapparat und ein Register, sie rücken die Darstellung in den Vordergrund. Jedem Beitrag wird jedoch ein kurzes Verzeichnis der wichtigsten Literaturtitel angefügt.

Insgesamt wird ein informatives Lesebuch vorgelegt, das mit Kompetenz in einen wichtigen Sektor der bayerischen Außenbeziehungen einführt. Es macht die Landesforschung auf die Ergiebigkeit derartiger neuer Fragestellungen aufmerksam. Wenn sich die Landesgeschichte dem gegenwärtigen Megatrend zur Internationalisierung weiter öffnen will, ist Spanien allemal ein sehr ergiebiger Anknüpfungspunkt; die staatlichen Archive bieten mit den gegenseitigen Gesandtschaftsberichten vielfältiges, gänzlich unausgewertetes Quellenmaterial. Vor allem das will und kann der anregende Band deutlich machen.