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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Doris Badel (Hg.)

Katholische Pfarrkirche St. Johannes in Kitzingen. Beiträge zur Kirchen- und Kunstgeschichte

(Schriften des Stadtarchivs Kitzingen 10), Kitzingen 2016, Verlag Hans-Dieter Sauerbrey, 280 Seiten, 172 Abbildungen
Rezensiert von Erwin Muth
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 18.05.2018

Bei dem vorliegenden Band handelt es sich um die Sammlung von sieben Aufsätzen ausgewiesener Kenner der Kirchen- und Stadtgeschichte Kitzingens, die teilweise bereits im Jahr 2013 aus Anlass des 525jährigen Weihejubiläums der katholischen Pfarrkirche St. Johannes einem breiteren Publikum vorgetragen und für diese Publikation weiter ausgearbeitet wurden. Klaus Arnold nahm die Auffindung einer gotischen Dreikönigsgruppe unter dem Bodenniveau der heutigen Taufkapelle im Jahre 1994 zum Anlass, die mittelalterliche Geschichte der Pfarrei und die Baugeschichte der Pfarrkirche St. Johannes und den ursprünglichen Standort der Dreikönigsgruppe näher zu untersuchen. Die Pfarrei, die unter dem Einfluss des Benediktinerklosters stand, aber zeitweise vom Würzburger Domkapitel beansprucht wurde, ist erstmals 1139 sicher belegt durch die Namensnennung der Pfarrer, die in einer Liste bis 1402 mit Belegen aufgezählt werden. Die Architektur lässt Einflüsse der Bauhütte der Parler vom Ende des 14. Jahrhunderts erkennen. In diese ist auch die Dreikönigsgruppe, die ikonographisch und stilistisch interpretiert und dem Umfeld der Parler zugeschrieben wird, einzuordnen. Nach einer Unterbrechung wurde der Kirchenbau ab etwa 1415 unter Würzburger Einfluß weitergeführt. Nach einer Beurteilung des Gesamtbaus, der Portale und von Teilen der mittelalterlichen Ausstattung, wird die Vorhalle des Nordwestportals als ursprünglicher Standort der Dreikönigsgruppe favorisiert, andere Möglichkeiten werden aber nicht ausgeschlossen.

Harald Knobling führte erstmalig eine aufwendige und umfassende Aufnahme aller 40 in der Bauarchitektur der Johanneskirche untergeordneten, oft unauffälligen Bauskulpturen durch, die sämtlich auch im Bild vorgestellt, ausführlich beschrieben und abwägend und kenntnisreich interpretiert werden. Fast alle sind Köpfe, von dem des Kirchenpatrons St. Johannes und anderen bärtigen Männern bis zu Blattmasken, Dämonen und Fratzenköpfen. Sie finden sich am Außenbau und auch im Innenraum und haben in dieser Reichhaltigkeit keine Parallele an anderen Sakralbauten im näheren und weiteren Umfeld Kitzingens. Die Arbeit kann als Anregung für Untersuchungen in anderen mainfränkischen Kirchen gelten.

Erich Schneider rekonstruierte anhand der sehr lückenhaften schriftlichen Überlieferung die Abfolge von sechs Hochaltären seit der Einweihung der Kirche 1487. Als einzig erhaltene Reste des ersten spätgotischen Hochaltars kommen vier in der Kirche vorhandene geschnitzte Passionsreliefs und zwei Skulpturen in Berlin in Frage. Vom zweiten barocken Hochaltar von 1667 sind nur wenige aufschlussreiche Quellen und die Namen der Bildhauer überliefert. Ein Ende des 18. Jahrhunderts geplanter aufwendiger neuer Hochaltar aus Stein wurde nicht verwirklicht. Stattdessen wurde 1820 ein Hochaltar von Johann Baunach in "ungeschlachten Dimensionen“ aufgestellt, der 1883 zu Gunsten eines neugotischen Retabels wieder entfernt wurde. Von diesem Altar sind zwei Hochreliefs erhalten. Ab 1958 wurde er durch einen Volksaltar aus Stein mit schlichter Mensa ersetzt. Der heutige Altar aus rotem Sandstein wurde 1994 geschaffen.

Die genannten Beiträge liefern wertvolle Bausteine für eine künftige noch ausstehende baugeschichtliche Monographie der Pfarrkirche St. Johannes.

Die beiden folgenden Beiträge zeigen die konfessionelle und konfessionspolitische Entwicklung der Stadt und der Gesellschaft, die bis weit in das 20. Jahrhundert hinein Alltag und Stadtpolitik in Kitzingen kontrovers bestimmte.

Christoph Schmerl beschreibt das evangelische Jahrhundert Kitzingens von der schrittweisen Einführung des evangelischen Gottesdienstes ab 1524 bis zum ersten katholischen Gottesdienst nach der zügig vollzogenen Rekatholisierung ab 1629, in deren Gefolge 1069 Kitzinger die Stadt verlassen mussten. Der 1650 gewährte „Gnadenvertrag“ tolerierte dann das Nebeneinander der beiden Konfessionen. Besonders in den ersten Jahren der Reformation gab es durch engagierte Pfarrer enge Kontakte zu Wittenberg.

Maria Stegmann zeichnet kenntnisreich die Entstehung des Kulturkampfes auf Reichsebene ab den 1870er Jahren und die verschiedenen Stufen der Kulturkampfgesetzgebung im neu gegründeten Nationalstaat sowie die suppressiven Auswirkungen auf den katholischen Bevölkerungsanteil nach.

In Kitzingen, wo die Katholiken mit 41% (1870) die Minderheit bildeten und wo sie im Magistrat unterrepräsentiert waren, bildeten konfessionelle Streitigkeiten im 19. Jahrhundert „geradezu ein konstitutives Element der Stadtgeschichte“. Im Kulturkampf verliefen die Konfliktlinien aber zwischen dem vorherrschenden liberalen Bürgertum, das im „Kitzinger Anzeiger“ ein katholikenfeindliches Sprachrohr hatte, und einem katholischen Kern, der von „kämpferischen“ Geistlichen und durch ein reges Vereinsleben zusammengehalten wurde. Wegen der als chancenlos gewerteten Einflussmöglichkeit bei den Kommunal- und Landtagswahlen war in diesen Jahren die Teilnahmeverweigerung bei nationalen Feiern und Wahlenthaltung die Regel.

Nach einer ausführlichen Charakterisierung der Gotik als „liturgische Kunst“ beschreibt und interpretiert Herbert Baumann die Kirche St. Johannes und ihre Einrichtung vom Mittelalter bis zur Gegenwart aus theologischer Sicht und erläutert ihre liturgische Funktion.

Aufgenommen wurde auch ein Beitrag von Adolf Mörtl über die Kreuzkapelle Balthasar Neumanns in der Vorstadt Etwashausen. Nach der Baugeschichte mit einer ausführlichen Darlegung der Kuppelkonzeption und der ursprünglichen Innenausstattung analysierte der Autor die verschiedenen Renovierungen seit 1815 mit teilweise erheblichen Veränderungen, die auch die veränderten Paradigmen der Denkmalpflege zeigen und eine Rekonstruktion des Urzustandes erschweren.

Die sieben Beiträge unterschiedlicher Autoren sind redaktionell geschickt zusammengeführt. Dazu tragen auch präzis formulierte kurze Zusammenfassungen am Anfang des Bandes bei. Ein übergreifendes Register gibt es jedoch nicht. Durch kurze Übersichten der Kapitelgliederungen mit Seitenangaben am Anfang eines jeden Kapitels und übersichtliche Einführungen kommen die Autoren dem Leser weit entgegen. Besonders hervorzuheben sind die informativen Abbildungen.

Die Publikation ist eine ertragreiche Zusammenschau aus historischer und kunstgeschichtlicher Sicht, in der die Bedeutung der Kirche St. Johannes und der zugehörigen Pfarrei auch für die Stadtgeschichte Kitzingens anregend dargestellt wird.