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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Alois Brunner/Markus Eberhardt (Hgg.)

Zwischen Säkularisation und Superlativ. Katholische Kirchenmusik in Passau von 1803 bis 1928

Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Domschatz- und Diözesanmuseum Passau vom 7. Juli bis 31. Oktober 2017, Passau 2017, Dietmar Klinger, 143 Seiten mit zahlr. Abbildungen
Rezensiert von Thomas Emmerig
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 24.05.2018

Ein Desiderat und zwei Jubiläen waren die Auslöser für die Ausstellung, die dieser Katalog mit dem etwas reißerisch klingenden, aber sachlich durchaus zutreffenden Titel begleitet hat. Markus Eberhardt schreibt im Vorwort: „Die Geschichte der Passauer Kirchenmusik von 1803 bis 1928 wurde bis dato [...] nur fragmentarisch aufgearbeitet, daher ging unserer Ausstellung ein größeres Forschungsprojekt voraus, dessen Ertrag die hier publizierten Aufsätze sind.“ (5) Im Jahr 2017 konnten zwei Jubiläen gefeiert werden: Die Ratifizierung des Bayerischen Konkordats von 1817 „schuf die juristischen Grundlagen für eine Reorganisation des Passauer Domkapitels und damit auch der Dommusik nach der Säkularisation.“ 1927 erklang erstmals die Hauptorgel der neuen Steinmeyer’schen Domorgel (5).

Markus Eberhardt („Zwischen Kathedrale und Verein. Die katholische Kirchenmusik im Passauer Kulturleben von 1803 bis 1928“, 9–33) bietet anhand der Quellen eine knappe, aber sehr detaillierte Darstellung der Entwicklung sowie der Charaktere der beteiligten Persönlichkeiten mit besonderer Berücksichtigung von Bischof Heinrich von Hofstätter, des Musikpräfekten Franz Xaver Haberl und des Domorganisten Clemens Bachstefel und schließlich des Verhältnisses zwischen bürgerlicher Musikkultur und Kirchenmusik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Heinz-Walter Schmitz („Der Passauer Domkantor Franz Josef Vilsecker [1808–1868]. Choraltheoretiker und Herausgeber liturgischer Bücher“, 34–39) stellt die zahlreichen und teilweise durchaus umfangreichen Publikationen vor, die Vilsecker im Auftrag von Bischof Heinrich von Hofstätter vorlegte, sowie sein durchaus schwieriges Verhältnis zu Franz Xaver Haberl.

„Allein schon die Aufmerksamkeit, die Bischof und Generalvikar [in einer mehrseitigen Order vom 18. November 1878] dem Thema widmeten, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sie den dringenden Wunsch verspürten, die Praxis des Singens und Musizierens in den Kirchen der Diözese neu zu ordnen und zu regeln.“ (41) Hannelore Putz („Liturgie und Volksgesang im Bistum Passau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“, 40–49) weist auf die „damalige musikalische Praxis“ hin, „denn Normen werden doch immer nur dann notwendig, wenn Standards durchgesetzt werden sollen, die so bis zum Zeitpunkt der Verschriftlichung nicht durchgängig eingehalten worden waren“ (41). Das Jahr 1878 bedeutete „eine wichtige Wegmarke“ (45). Detailliert stellt sie die beteiligten Personen sowie die neu erlassenen Bestimmungen und Veröffentlichungen bis 1906 vor.

Philipp Ortmeier („Geistliche Volksmusik im Passauer Raum. Von den Stubenberger Handschriften bis zum Röhrnbacher Weihnachtsspiel“, 50–63) stellt eingangs fest: „Licht und Schatten prägen die Entwicklung geistlicher katholischer Musik im 19. Jahrhundert.“ (51) Kirchenliedsätze und Gesangbücher verfolgten das Ziel, „den einfachen Volksgesang zu fördern und Handreichungen zu dessen Ausübung bereitzustellen“ (52). Ortmeier nimmt zunächst einen „Hadernsammler aus dem Rottal“ in den Blick, der zwischen ca. 1796 und ca. 1815 die „unter dem Namen ,Stubenberger Handschriften‘ bekannten Bücher ,Geistliches Zeitten Buch‘ und ,Gesänger Buch‘“ geschrieben hat (52); sein Name wurde als Phillipp Lenglachner (1769–1823) ermittelt. Nach der Betrachtung dieser und anderer Sammlungen stellt Ortmeier fest: „Die Betrachtung von Handschriften und Drucken zur volksmusikalischen Überlieferung im Passauer Raum im 19. Jahrhundert zeigt: Autochthone Musik und Eigenschöpfungen waren im Umfeld dörflich-kirchlicher Musizierpraxis eher die Ausnahme. Wer kraft seiner Ausbildung die Fähigkeit zur Komposition besaß, wusste seine Erzeugnisse in der Regel auch zu publizieren.“ (62)

Alois Brunner („Kleine Passauer Orgelbaugeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts“, 64–77) trägt das Bekannte zu den Orgelbauern Adam Ehrlich (*um 1777) und dessen Söhnen, Martin Hechenberger (1836–1919) sowie Carl Ludwig Edenhofer (*1828) und deren Familien zusammen. Anschließend widmet er sich der „Geschichte der Passauer Domorgeln“ bis zum „Superlativ“ von 1928 (70–77).

Ludger Drost („Kirchenraum und Kirchenmusik im 19. Jahrhundert. Zum Verhältnis der Künste im Bistum Passau“, 78–89) stellt die Persönlichkeit Bischof Heinrich von Hofstätters in den Mittelpunkt: „Seine Vorliebe für Nazarener und Neugotik ist allgemein bekannt, seine Nähe zum Cäcilianismus dagegen nur teilweise.“ (80) „Hofstätters liturgische und architektonische Anordnungen erweisen sich als unmittelbarer Ausdruck eines cäcilianisch geprägten Ideals von Kirchenmusik.“ (81) Er behandelt Orgeln „als zweitrangige Ausstattungsstücke“ (83).

Zusammen ergeben diese Beiträge eine detaillierte und durchaus umfassend zu nennende Darstellung der Geschichte der Passauer Kirchenmusik von 1803 bis 1928. Der Katalogteil (91–131) bietet Dokumente, handschriftliche und gedruckte Kompositionen sowie Musikinstrumente.