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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Raymund Dittrich (Hg.)

Die Reformation und das Buch in Regensburg

(Bischöfliches Zentralarchiv und Bischöfliche Zentralbibliothek in Regensburg, Kataloge und Schriften 38), Regensburg 2017, Schnell und Steiner, 179 Seiten mit zahlr. Abbildungen
Rezensiert von Alois Schmid
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 24.05.2018

Der welthistorische Vorgang der Reformation wäre ohne den Buchdruck und das Buch nicht möglich gewesen. Erst das Gewerbe Johann Gutenbergs ermöglichte es, Schriftsätze in erhöhter Stückzahl und zu erschwinglichen Preisen auf den Markt zu bringen. Durch die Massenproduktion wurden völlig neue Voraussetzungen für die Verbreitung von Ideen und Lehren sowie deren Erörterung in zwischenmenschlicher Kommunikation hergestellt. Auch wenn die Lesefähigkeit in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich ausgebildet war und im Durchschnitt höchstens ein Viertel der Bevölkerung mit dieser Kulturtechnik vertraut war, so genügte der Anteil, um über diese Multiplikatoren Schriftsätzen Breitenwirkung zu verschaffen. Das Printwesen ebnete als entscheidendes Medium den Weg in Richtung Wissensgesellschaft der Neuzeit. Doch schuf es zugleich vielfältige neue Möglichkeiten im außerliterarischen Bereich, die etwa im Rahmen des Bauernkrieges vielfach zum Einsatz kamen. Vor allem die politische und soziale Brisanz des neuen Mediums veranlassten die staatlichen Obrigkeiten, dieses in zunehmendem Ausmaß ihrer Aufsicht zu unterwerfen. Ein wichtiger Schritt dabei war, der ungehemmten Entfaltung des Printwesens, vor allem in den vielen Winkeldruckereien, einen Riegel vorzuschieben und dieses in den wichtigeren Städten zu konzentrieren, um so eine obrigkeitliche Kontrolle durchzusetzen.

In diesem Rahmen wurde auch Regensburg zu einem wichtigen Standort der frühen Buchkultur. Das galt für die Produktion, den Vertrieb und die Verwaltung in den entstehenden Bibliotheken in gleicher Weise. Es gab sogar ernsthafte Überlegungen, das Buchwesen im als Tagungsort des Reichstages Bedeutung zurückgewinnenden Regensburg zu konzentrieren, um so die Überwachung zu intensivieren. Auch wenn dieses Ziel angesichts der politischen Entwicklung im Heiligen Römischen Reich ein Wunschgedanke bleiben musste, ein bedeutender Ort des Buches wurde Regensburg allemal. Obwohl im herrschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich in eine Phase des Niedergangs eingetreten, darf die Reichsstadt an der Donau als Stadt des Buches durchaus neben Augsburg, Nürnberg oder Straßburg gestellt werden. Das hat Karl Schottenloher in seinem Standardwerk von 1920 am Beispiel des Buchdruckes überzeugend deutlich gemacht.

Der anzuzeigende Band lenkt den Blick mehr in die Wirkungsgeschichte und nimmt hier vor allem die religiöse Entwicklung in den Blick. Er ist als Begleitband zu einer Ausstellung in Regensburg anlässlich des Lutherjahres 2017 zum nämlichen Thema entstanden. Er verzichtet auf Exponatsbeschreibungen, sondern beschränkt sich auf drei umfängliche Studien zum Generalthema Reformation in Regensburg und der Oberpfalz unter besonderer Zugrundelegung des Buchwesens. Bernhard Lübbers führt mit einer weitblickenden Betrachtung über „Die frühe Reformation und der Buchdruck“ in die Thematik ein. Er belegt die angesprochenen allgemeinen Aspekte mit Beispielen aus Regensburg und der Oberpfalz, die in der von ihm verwalteten Staatlichen Bibliothek überreich zur Verfügung stehen (S. 10-41). Deren zu wenig bekannte, vorzügliche, aus der regionalen Überlieferung stammende Altbestände werden zum Beleg der andernorts bereits mehrfach abgehandelten Grundthematik fruchtbar gemacht. Im Folgebeitrag „Die Reformation im Spiegel des Bücherbesitzes von Geistlichen des Bistums Regensburg. Ein Blick in die Bücherverzeichnisse von Nachlassinventaren aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts“ (S. 42-117) werten Raymund Dittrich  und Stephan Acht, zwei Mitarbeiter des Bischöflichen Zentralarchivs und der Bischöflichen Zentralbibliothek, den im Hause in beachtlicher Stückzahl besetzten, bisher wenig genutzten Sonderbestand der Testamente unter buchgeschichtlicher Fragestellung aus. Sie können auch auf dieser Quellengrundlage zeigen, wie das Diözesangebiet konfessionell letztlich in mehrere Teile zerschnitten wurde. Infolge der wiederholten Konfessionswechsel kam es aber verschiedentlich zu einer letztlich bikonfessionellen Grundhaltung, der die Notwendigkeit einer Option für die eine oder die andere Richtung lange fremd blieb. Der Vorgang der Konfessionalisierung vollzog sich auf dieser Ebene langsam und zögerlich. Letztlich konnte die Durchsetzung der Vorschriften des Tridentinums erst im Zeitalter Herzog/Kurfürst Maximilians I. zum Abschluss gebracht werden. Stephan Acht baut die bücherkundlichen Spezialuntersuchungen der vorausgehenden Beiträge in die religiöse Gesamtentwicklung ein: „Auswirkungen der Reformation auf die Diözese Regensburg“ (S. 118-179). Damit gewinnt er den vorausgehenden, auf dem Buchwesen aufgebauten Erörterungen Ergebnisse zur allgemeinen Entwicklung der Diözese Regensburg ab. Er kann mit Argumenten der Bibliothekswissenschaft belegen, dass die Oberpfalz von der reformatorischen Bewegung ungleich mehr und intensiver betroffen wurde als der altbayerische Raum. Seine Zusammenfassung wird mit einer beigelegten Karte illustriert, die eine komplizierte Entwicklung kartographisch umsetzt und so auch für Nichtfachleute leichter einsichtig macht.

Die Beiträge sind von in ihrer beruflichen Praxis unmittelbar mit der Thematik beschäftigten Fachleuten auf der Grundlage eingehender Kenntnis des Quellenmaterials verfasst. Der Band verdeutlicht die Aussagekraft der Buch- und Bibliotheksgeschichte für die allgemeine Geschichte. Die immer weniger gepflegte Teildisziplin sollte durchaus dem Kanon der historischen Grund- und Hilfswissenschaften zugerechnet werden. Voraussetzung ist freilich, dass sie sich nicht in der Deskription vorgefundener Sachverhalte erschöpft, sondern zu tiefer bohrenden Fragestellungen mit funktionsorientierter Ausrichtung fortschreitet. In dieser Optik kann der Blick in die Welt der Bücher weiter erhellende Beiträge auch zu viel behandelten Grundvorgängen der allgemeinen Geschichte wie der Reformation erbringen. Das macht der auch buchtechnisch sehr ansprechende Band am aussagekräftigen Beispiel Regensburg deutlich.