Logo der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Kommission für bayerische Landesgeschichte

Menu

Aktuelle Rezensionen


Hans Bauer

Mirakelbilder. Die Wunder der Marienwallfahrt nach Dettelbach

Dettelbach 2016, J. H. Röll, 136 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, meist farbig
Rezensiert von Walter Pötzl
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 22.06.2018

Mirakelbilder sind im Gegensatz zu den unmittelbaren Votivtafeln sekundäre Zeugnisse eines erfolgreichen Votationsaktes. Sie setzen in der Regel ins Bild um, was in Mirakelbüchern geschildert wurde. Dadurch können Jahrhunderte zwischen dem Ereignis und dem Mirakelbild liegen (vgl. zum Beispiel die Fresken an der Decke in Inchenhofen). Die Votivtafel ist eine Form der Promulgation, das Mirakelbild geht darüber hinaus, indem es das Element der Werbung für den Kultort aufnimmt. Mirakelbilder findet man vor allem an größeren Wallfahrtsorten wie in Altötting oder in Mariazell (dort auch in einer Folge von Holzschnitten). Mitunter wurden einzelne Mirakel auch auf Flugblättern verbreitet wie 1648 beim Wunderbarlichen Gut in Augsburg oder im dort 1625 erschienenen Mirakelbuch von Octavian Lader.

In der Wallfahrtskirche Dettelbach hängen 23 Mirakelbilder, zwei weitere gelangten ins dortige Museum. Sie schildern Mirakel aus der Zeit von 1505–1509, 1541, 1597–1606, 1641–1655. Auftraggeber und Maler der Mirakelbilder konnten auf folgende Mirakelbücher zurückgreifen: Johannes Trithemius: De miraculis Beatissimae Mariae semper Virginis in Ecclesia nova prope Dettelbach [...]. Würzburg 1511; Eucharius Sang: Beneficia vetera et nova [...]. Würzburg 1607; Chrysostomus Beitmiller: Brunnquell Mariae Dettelbach [...]. Würzburg 1642.

Hans Bauer stellt die 25 Bilder vor und nummeriert sie dabei durch. Auf die Nummer folgt eine allgemeine Charakterisierung der Votation, auf die Jahreszahl als Quellenangabe der Autor des entsprechenden Mirakelbuches, wobei bei sieben Bildern bemerkt wird: „unbekannter Autor“. Sechs davon fallen in die Zeit von 1641 bis 1655. Man darf davon ausgehen, dass dem Maler dafür ein handgeschriebenes, nicht mehr erhaltenes Mirakelbuch vorgelegt wurde. Diese Bilder fügen sich ganz den Gestaltungsprinzipien der anderen, unterlagen somit dem Auftrag und entspringen nicht (wie Votivtafeln) individuellen Bedürfnissen. Ein Kurztitel fasst dann den Text des Mirakelbildes zusammen, der zunächst buchstabengetreu, dann in einer Übertragung wiedergegeben wird. Eine kurze Beschreibung versucht das Bild zu erfassen. Dabei schleichen sich einige Ungenauigkeiten ein: So arbeitet das Mädchen auf Bild 3 nicht an einem Spinnrad, das um die Mitte des 17. Jahrhunderts noch kaum verbreitet war, sondern zieht einen Faden vom Rocken. Auf Bild 11 stehen nicht verschiedene Zinngefäße in einem Schrank, sondern es handelt sich um einen Gießfasskasten (wofür auch das lange Handtuch daneben spricht, vgl. Bild 18). Die Mutter auf Bild 17 hantiert nicht an einem Schrank, sondern an einem Ofen.

Kapitel V gibt unter der Überschrift „Illusion und Wirklichkeit“ eine kurze Zusammenfassung „Was die Mirakelbilder zeigen“ (45–48). „Die Räume“, die hier in einem Unterabschnitt abgehandelt werden, hatten ein Jahrzehnt zuvor eine fachkundige Würdigung durch Konrad Bedal erfahren: „Wohnkultur und Wunderglaube. Zu den Darstellungen von Stube und Kammer auf den Dettelbacher Mirakelbildern“. In: Manfred Seifert u. Winfried Helm (Hgg.): Recht und Religion im Alltagsleben. Perspektiven der Kulturforschung. Festschrift für Walter Hartinger zum 65. Geburtstag (Neue Veröffentlichungen des Instituts für ostbairische Heimatforschung der Universität Passau 56). Passau 2005, S. 329–342. Bedal wendet sich den Mirakelbildern 3, 5, 6, 7, 9, 11, 17, 18 und 23 zu und schätzt sie als Quellen zur historischen Wohnkultur. Dass Hans Bauer diesen wichtigen Aufsatz nicht kennt, kann man ihm kaum verübeln. Akademische Festschriften dringen leider oft kaum über einen engen Kreis hinaus vor.

Die in Öl auf Leinwand gemalten Bilder erreichen die Maße von 67 cm x 88 cm. Sie stecken in einem 5 cm breiten profilierten Holzrahmen. Die Betonung liegt auf der Darstellung des Votationsanlasses, in den im oberen Viertel in einem Wolkenkranz relativ klein das Gnadenbild, von dem gelegentlich Strahlen auf das Geschehen herabfallen, eingebracht wird. Relativ groß ist auch die Schrift, die in vier Zeilen weitere Informationen bietet. Eine geringe Rolle spielen, im Vergleich zu vielen Votivtafeln, Votanten (in Orantenhaltung). Auf sechs Bildern sind sie ins Geschehen eingebracht (Nummern 2, 8, 14, 20, 22 und 25), wobei die beiden letzten noch am ehesten der Darstellungsart der Votivtafeln entsprechen. Durch die Dominanz des Votationsanlasses und die Größe der Schrift wird der Werbecharakter der Mirakelbilder unterstrichen.

Arbeitet man den vorliegenden Band durch, könnte man zum Schluss kommen, Hans Bauer gebrauche unreflektiert den Begriff „Wunder“. Dabei ist Volkskundlern und Historikern bewusst, dass das Wunder als solches nicht fassbar ist, sondern nur der Glaube des Votanten, dass ihm durch ein Wunder in einer Notlage geholfen wurde. Durch ein Zitat aus Johannes Trithemius am Schluss seines Vorwortes versöhnt der Autor dann: „[...] ist es mir nicht verborgen, dass neue Wunder aus heutiger Zeit für manche Leute nur schwer zu glauben sind, denen ich im Einzelnen weder gerecht werden kann noch darf, da ich mich als Berichterstatter der Wunderzeichen zur Verfügung gestellt habe, nicht aber als Beurteiler“.