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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Tamara Werner/Benjamin Eugster (Hgg.)

Achievement Unlocked! Rezeption, Interaktion und Produktion in digitalen Spielkulturen

(Werkstücke 9), Zürich 2017, Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft der Universität, 362 Seiten mit Abbildungen., meist farbig
Rezensiert von Daniel Best
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 22.06.2018

Mit der bereits neunten Ausgabe widmet sich die am ISEK – Populäre Kulturen erscheinende Reihe „Werkstücke“ der Rezeption, Interaktion und Produktion in digitalen Spielkulturen. Die im Rahmen des Master-Aufbaumoduls „Game Studies: Interaktion, Produktion und Rezeption in digitalen Unterhaltungskulturen“ des Herbstsemesters 2016 und Frühjahrsemesters 2017 entstandenen 13 Einzelartikel verfolgen dabei aus „verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlichem methodischem und theoretischem Rüstzeug [...] eine bunte Palette an Forschungsinteressen und -fragen“ (9). Mittels der gewählten multi- und interdisziplinären Zugänge gelingt es dem Band, diese „bunte Palette“ erstaunlich gut zu füllen und damit das Medium Computerspiel in seiner Komplexität und Hybridität darzustellen – ganz abseits einer lange vorherrschenden Vereinnahmung durch die Ludologie auf der einen bzw. der Narratologie auf der anderen Seite.

Nach einer kurzen Einleitung durch die HerausgeberInnen Tamara Werner und Benjamin Eugster, die mit dem Titel „Welcome to the Ludic Century“ (5-23), der auf Eric Zimmermans „Manifesto for a Ludic Century“ [1] verweist und zum einen die wesentlichen Entwicklungen und Herangehensweisen der Game Studies beleuchtet und zum anderen aber den Kontext der Entstehung des Bandes erläutert, nähert sich Muriel Gubler in ihrem Aufsatz „Let’s Play!“ (23-59) dem Themenkomplex Games mittels einer autoethnografischen Untersuchung an. Bisher ohne einen persönlichen Bezug zum Medium (29) erläutert und reflektiert sie zunächst die technischen und sozialen Hürden (28-31), um daran anschließend den Leser an ihrem Spielerlebnis, das sie in sinnliches und emotionales Erleben sowie die Identifikation mit der Spielfigur untergliedert, teilhaben zu lassen. Ebenso wie Gubler bedient sich Yvonne Simmen des Computerspiels „Firewatch“. Für sie steht jedoch die Frage nach „Einsatz, Funktion und Wirkung der Videospiel-Musik“ (59-79) im Vordergrund. Beide Aufsätze ergänzen sich hier ganz hervorragend und verdeutlichen, warum hier von einem komplexen und insbesondere hybriden Medium gesprochen werden muss. Die Beschäftigung mit Raum und Zeit innerhalb des Feldes ist hingegen bei Maurizio Frei und Bettina Weber von zentraler Bedeutung. Während Frei das Genre der „Walking Simulators“ in seinem Aufsatz „I Would Walk 500 Miles...“ (81-110) näher betrachtet, steht für Weber (111-138) die Frage nach der medialen Bedeutung und Funktion von Raum im Fokus.

Dem Komplex des (E-)Sports widmen sich in vorliegendem Band Romeo Arquint (139-166), Basil Biedermann (167-194) und Catrina Ursina Wörndle (195-220). Arquint zeichnet den virtuellen Weg einer Basketballkarriere vom „Sofa in den Sportolymp“ nach und untersucht die Einbettung ludischer Elemente in einen narrativen Rahmen. Steht hier noch der Wettkampf gegen die Konsole im Vordergrund, so konzentriert sich Biedermann auf das kompetitive Spielen – den E-Sport und dessen gegenwärtiger Verortung. Dieser ausgesprochen kritische Aufsatz wird wunderbar durch Wörndles Einblick in den Alltag des professionellen Schweizer E-Sport-Teams „mYinsanity“ ergänzt. In zahlreichen Interviewpassagen kann sie deutlich zeigen, dass für die Akteure das Spielen „mehr als nur ein Hobby“ (214) ist, sondern eine Leidenschaft darstellt, die ein hohes Maß an Engagement und Zeitaufwand erfordert und absolut mit demjenigen von Leistungssportlern verglichen werden kann. Der Aufsatz schließt dementsprechend auch mit der Feststellung, „dass sich E-Sports sowohl hinsichtlich [der] Funktionen als auch Anforderungen kaum vom klassischen Sport unterscheiden“ (216).

Andere Realitäten, nämlich zunächst die „Augmented Reality“ sowie die „Virtual Reality“ stehen im Fokus der Beiträge von Stephanie Affeltranger (221-242) und Stephan Witzel (243-265). Beide wählen hier einen autoethnografischen Zugang: Affeltranger verfolgt dabei den Ansatz, wie sich für sie mittels des Augmented Reality Spiels „Pokemon Go“ die Raumerfahrung verändert; Witzel hingegen schildert seine Erfahrungen als „Gast in einer virtuellen Welt“ (243). Anschließend werden bei Manuel Kaufmann „Fehler als schöpferisches Prinzip“ (265-286) thematisiert. Er zeigt, wie sich durch „Bugs und Glitches [manchmal] auch glückliche Zufälle“ (265) ergeben können und dadurch ganze Genres revolutioniert werden oder neue Spielmechaniken entstehen. Remo Cadalbert fragt: „Game Over?“ (287-311) und beschäftigt sich hier mit „Geburt, Tod und Renaissance von Arcade-Games“. Pauline Lüthi (331-336) analysiert am Beispiel der „YouTuberin“ Anita Sarkeesian, die sich aufgrund ihrer mehr als berechtigten, feministischen Kritik an stereotypen Darstellungen von Frauen in Computer- und Videospielen einem „Shitstorm“ gegenübersah, wie verletzende Sprache im Internet produziert wird und als Gewaltausübung verstanden werden muss. Abschließend untersucht Zoé Piguet (337-362) den Einfluss der Game Studies, also der akademischen Auseinandersetzung mit Videospielen, auf das Game Design selbst.

Zwar wäre an der ein oder anderen Stelle eine ausführlichere Theoretisierung wünschenswert gewesen, jedoch tut dies der Tatsache keinen Abbruch, dass für den besprochenen Band durchaus eine Empfehlung gegeben werden kann und zwar für all jene Leser, die sich einen Überblick über die „bunte Palette an Forschungsinteressen und -fragen“ des komplexen und hybriden Mediums Computerspiel verschaffen wollen. Aufgrund der Vielfalt von Beispielen und Herangehensweisen funktioniert dies ausgesprochen gut. Darüber hinaus muss die Bebilderung deutlich hervorgehoben werden. Diese illustriert und erläutert stets die besprochenen Titel und Zusammenhänge, ohne dabei beliebig zu wirken.

 

[1] Eric Zimmerman: Manifesto for a Ludic Century, 2013. Online unter: www.ericzimmerman.com/files/texts/Manifesto_for_a_Ludic_Century.pdf.