Logo der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Kommission für bayerische Landesgeschichte

Menu

Aktuelle Rezensionen


Thomas Schindler (Hg.)

HammerHart?! Werkzeugforschung und Werkzeugvermittlung in Bayern. Gesammelte Beiträge der Tagung im Fränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim vom 23. bis zum 25. Juli 2015

(Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums in Bad Windsheim 77), Bad Windsheim 2016, Fränkisches Freilandmuseum, 239 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, zum Teil farbig, Tabellen
Rezensiert von Melanie Burgemeister
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 10.07.2018

Der Tagungsband bildet den abschließenden Beitrag zu einem Gesamtpaket an Projekten des Jahres 2015 im Fränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim. Nach dem Erscheinen des äußerst umfangreichen und informativen Bestandskatalogs zu bäuerlichem und handwerklichem Werkzeug im Frühjahr folgte eine thematisch passende Ausstellung zu Werkzeugen aus der Zeit von 1700 bis 1950. Ergänzend fand schließlich vom 23. bis 25. Juli 2015 eine Tagung zur Werkzeugforschung und Werkzeugvermittlung in Bayern statt, die nun nachlesbar gemacht wurde. Das Ziel dieser thematischen Fokussierung und Bündelung war es, die hohe Bedeutung der Sachkultur und der zugehörigen Forschung im Fränkischen Freilandmuseum sichtbar zu machen. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Dingen wird dabei zu einer immer zentraleren Aufgabe der Museen, da die universitäre Forschung in diesem Themenfeld in den letzten Jahren zunehmend in den Hintergrund rückte.

Der Band widmet sich dem Themenfeld der Werkzeugforschung und Wissensvermittlung daher auch aus mehreren Perspektiven: Forschungsansätze und Quellen- bzw. Bestandserschließungen werden ebenso behandelt wie Präsentationsformen. Der Band gliedert sich thematisch in zwei Sektionen: Im ersten Teil finden sich fünf Aufsätze zu Forschungsansätzen und Quellen, den zweiten Teil bilden acht Beiträge zu Sammlungs-, Forschungs- und Vermittlungsperspektiven.

Die erste Sektion wird eingeleitet von zwei methodischen Beiträgen. Reinhold Reith präsentiert in seinem Beitrag „Überlegungen zum Werkzeug in der handwerksgeschichtlichen Forschung“ zunächst die Situation in der Geschichtswissenschaft. Wolfgang Brückner stellt die „Realien- und Geräteforschung in der einstigen Volkskunde“ sowie ihre Genese und die Entwicklung des Themenfeldes vor und gibt interessante Einblicke in wichtige Wendepunkte der Fachdiskussion.

Es folgen drei Aufsätze zu Quellen der Werkzeugforschung. Christine Sauer widmet sich in ihrem spannenden und umfangreichen Beitrag dem Thema „Handwerkerbilder in den Hausbüchern der Nürnberger Zwölfbrüderstiftungen als Quellen zur Werkzeugforschung“. Hierbei umreißt sie knapp die Entstehung der von 1388 bis 1806 geführten Bücher und deren Entwicklung von den anfänglichen Totenlisten hin zu Porträts mit Textinformationen über die verstorbenen Bewohner der beiden Armenhäuser. In einem exemplarischen Rundgang durch das Werk zeigt die äußerst kundige Autorin die Bedeutung der Werkzeuge als Identifikationsmedien bestimmter Handwerke auf. Sie erklärt zugleich die realitätsnahe Wiedergabe bestimmter Geräte und ihrer Nutzung und macht sie mit zahlreichen Abbildungen nachvollziehbar. Ihre umfangreichen Literaturhinweise ermöglichen dabei eine vertieftende Beschäftigung mit den beschriebenen Werkzeugen und dieser zentralen Quelle der Handwerksgeschichte.

Ihr folgt der Aufsatz „Handwerker- und Werkzeug-Bilder auf den Messing-Epitaphien der Nürnberger historischen Friedhöfe (1500-1650)“ von Peter Zahn. Diese Quellengattung wurde in den ersten drei Bänden der „Inschriften der Stadt Nürnberg“ inventarisiert und so allgemein zugänglich gemacht. Die Sektion wird beschlossen mit dem Beitrag von Eva Moser zum Bayerischen Wirtschaftsarchiv und seinen Beständen, das auf Initiative der Industrie- und Handelskammern gegründet wurde. Hier wird die landesweite Sicherung und Bewahrung von Dokumenten aus der Privatwirtschaft angestrebt. 

Die zweite Sektion eröffnet Silvia Glaser mit ihrem Beitrag zur Werkzeugsammlung des ehemaligen Bayerischen Gewerbemuseums in Nürnberg, dessen Bestand heute an das Germanische Nationalmuseum angegliedert ist. Diese Einrichtung sollte ursprünglich der Aus- und Weiterbildung im Handwerk dienen und erwarb im Rahmen der Weltausstellung in Philadelphia 1876 zahlreiche bemerkenswerte Objekte.

Georg Waldemer berichtet in seinem „Streiflicht“ über die Werkzeugsammlungen nichtstaatlicher Museen in Bayern. Dabei geht es dem Autor vor allem um programmatische Grundlagen, Sammlungsgeschichte und Präsentationsformen. Einen weiteren Aspekt trägt Martin Ortmeier bei, der sich mit Leitfäden zur Inventarisierung als Hilfsmittel für Museen beschäftigt. Er stellt hierbei die „pragmatischen“ Leitfäden der Freilichtmuseen Finsterau und Massing vor.

Thomas Schindler berichtet in seinem Beitrag „Tool Time?!“ über den inzwischen erschienenen und äußerst interessanten Bestandskatalog „Handwerkszeug und bäuerliches Arbeitsgerät“ des Freiliandmuseums in Bad Windsheim. Spezialwerkzeug und deren dialektal unterschiedliche Bezeichnungen behandelt Hubertus Habel in seinem Beitrag zur Ausstellung von „Beggfreedla“ (kleinen Blatthacken) des Gärtner- und Häckermuseums Bamberg. Ihm geht es dabei vor allem um die positiven Effekte der Zusammenarbeit von Forschung und personaler Vermittlung.

„Erkenntnisse aus einer ‚Museumsfabrik‘“ liefert Karl Borromäus Murr am Beispiel historischer Webmaschinen. Neben der Technikgeschichte des maschinellen Webens geht es in seinem Beitrag vor allem um kulturhistorische Perspektiven und die Frage der heutigen Vermittlung des Schauwebens im Museum. Die überaus aufschlussreichen Schlussüberlegungen seines Beitrages widmen sich den Fragen nach dem Reiz dieser Vorführungen und den Faktoren des Erkenntnisgewinns für Museumsbesucher. Dem praktischen Wissenserwerb widmet sich auch Rudolf Dick mit der Frage nach Werkzeugvermittlung durch Kurse. Die Firma Dick GmbH aus Metten konnte nicht zuletzt durch ihr breites Kursangebot geschäftliche Erfolge erzielen. Auch wenn der Beitrag vorwiegend auf neue Werkzeuge fokussiert, liefert er zusammen mit den Überlegungen von Karl Borromäus Murr spannende Anreize für die Museumsarbeit.

Damit liegt ein sehr breit gefächerter Tagungsband vor, der zahlreiche Anreize und Ideen enthält. Es wäre sehr wünschenswert, wenn aus Tagung und Band weitere Konzepte für eine aktive Wissensvermittlung sprießen würden, wie sie gerade in den Freilichtmuseen wichtig sind. Die enthaltenen Themenfelder und Konzeptionsideen lassen hoffen, dass bei weiteren Veranstaltungen neue Vermittlungsformen diskutiert und weiterentwickelt werden. Die Beiträge des Tagungsbandes geben hierzu aufschlussreiche Anregungen, hätten in manchen Fällen jedoch durchaus eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Themenfeld erreichen können. Als Grundlage ist jedoch bereits die enthaltene Beschreibung von Sammlungen und Vermittlungsformen sehr lesenswert. Damit ist zu hoffen, dass der Tagungsband und das „Gesamtpaket“ des Freilandmuseums in Bad Windsheim keineswegs eine abgeschlossene Präsentation darstellen, sondern vielmehr den Grundstein für weitere Auseinandersetzungen mit dem Themenfeld Werkzeug und Werkzeugforschung bilden.