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Beate Fücker

Der Heiligen schöner Schein. Bekleidete Sakralfiguren im deutschsprachigen Raum (1650-1850)

Regensburg 2017, Schnell & Steiner, 294 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, zum Teil farbig, 1 CD
Rezensiert von Walter Pötzl
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 21.08.2018

Die Studie wurde unter dem Titel „Bekleidete Bildwerke im deutschsprachigen Raum 1650 bis 1850“ als Dissertation von der Hochschule für Bildende Künste Dresden 2014 angenommen. Das Fachgebiet „Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Kunst und Kulturgut“, in dem die Abschlussarbeit entstand, öffnet den Weg für das Verständnis. Im Mittelpunkt stehen die Kapitel: 4. Sekundär bekleidete Bildwerke, S. 45–75, 5. Primär bekleidete Bildwerke, S. 76–181, 6. Ausstattung bekleideter Figuren, S. 182–251.

Bekleidete Figuren erscheinen gegenwärtig vor allem als Gnadenbilder und man weiß von hochgestellten Damen, die ihre wertvollen Brautkleider spendeten, damit daraus prächtige Ornate für ein Kultobjekt geschneidert wurden. An manchen Wallfahrtsorten sind auch noch die Ornate bekannt, die sich an den liturgischen Farben der Festtage des Kirchenjahres und ihrem Rang orientierten. Bekannt sind Prozessionsfiguren vor allem dann, wenn sie in der Fronleichnamsprozession oder in einem Bruderschaftsfest noch mitgetragen werden (wie die Rosenkranzmadonna in Ried bei Dinkelscherben).

Zum ersten Mal unterschied Ursula Mayerhofer 1985 zwischen primär und sekundär bekleideten Figuren (in: Jahrbuch für Volkskunde NF 8, S. 107-120). Die Bekleidung war immer eine Auszeichnung, die nur bestimmten Figuren zukam. Ein Gnadenbild wurde nicht aus ästhetischen Gründen verehrt, sondern der ihm zugesprochenen Wundermächtigkeit wegen. Daher mag es rühren, dass die nicht gerade ansehnliche Altöttinger Madonna bereits 1518 bekleidet gezeichnet wurde (Abb. 4). In der Barockzeit fügte sich eine bekleidete Figur besser in die Architektur des Altares. Nicht selten wurden dafür Umarbeitungen vorgenommen, die uns heute geradezu brutal erscheinen. Besonders oft wurde das Kind von der Madonna getrennt, um beide Figuren leichter bekleiden zu können.

Primär bekleidete Bildwerke sind bereits auf eine Bekleidung hin konzipiert. Sie können ohne Bekleidung nicht bestehen. Die Konstruktion setzt sich aus verschiedenen Materialien und Teilen zusammen (sogen. Kompositfiguren). In der Entwicklung gehen die sekundär bekleideten Gnadenbilder den primären voraus. Letztere entstanden als Devotionalkopien, deren nicht sichtbare Körperpartien unter dem Kleid verdeckt waren und daher nicht ausgeführt werden mussten. Ausschlaggebend für die weite Verbreitung primär bekleideter Figuren war die Blüte des Prozessionswesens im 17./18. Jahrhundert. Zu den allgemeinen konstruktiven Merkmalen gehören gewichtsreduzierende Konstruktionen, Gelenke, modulare Konstruktionen (aus mehreren Teilen zusammengesetzte Körper), Glasaugen, hierarchische Oberflächengestaltung, die zwischen sichtbaren und verdeckten Bereichen unterscheidet. Beate Fücker unterscheidet fünf Konstruktionstypen primär bekleideter Figuren:

1. Anthropomorphe Figurinen (Unterkonstruktionen zum Bekleiden, deren Hüfte und Beine immobil sind), 2. Gliederfiguren (Unterkonstruktionen, deren Arme und Beine mit Gelenken ausgestattet sind; mit Hüftgelenken oder mit immobiler Hüfte), 3. Kleiderfigurinen (zur Bekleidung geschaffene Figuren, deren Oberkörper sich nach unten hin mit einem Rock fortsetzt), 4. Lattengestellfiguren (Konstruktionen mit anthropomorphem Oberkörper, deren untere Körperhälfte von einem kegelförmigen Gestell aus mehreren Holzlatten gebildet wird), 5. Figurengestelle (Untergestelle mit einem über Gelenke beweglichen ausgeformten Rumpf, deren untere Hälfte stark reduziert ist oder ganz fehlt).

Beate Fücker geht jeweils nach der Definition auf Vorläufer, auf historische Quellen zur Konstruktion und auf Merkmale der Konstruktion und Fassung ein (sowie bei den Punkten 1 und 2 auf die Unterscheidung von anderweitig genutzten anthropomorphen Figurinen bzw. Gliederfiguren).

Beate Fücker gelang es, die für die primär bekleideten Bildwerke verantwortlichen Kustoden zu gewinnen, die Figuren zu entkleiden, so dass zahlreiche Gegenüberstellungen von bekleideten und unbekleideten Figuren ins Buch aufgenommen werden konnten. Mehrere Röntgenaufnahmen lassen in die Figuren eingeschlagene Nägel sichtbar werden. Mehrere Abbildungen bringen Zeichnungen bzw. isometrische Darstellungen von Gelenken.

Bei der Ausstattung werden beide Figurengruppen zusammengeführt. Kapitel 6 befasst sich aber nicht nur mit den Kleidern und Schuhen, sondern auch mit weiteren Ausstattungsstücken (Herrschaftsinsignien; Haarkränze, Brautkronen und Sternenkränze; Schmuckstücke; Thronsessel und andere Figurensitze; Ferculum) und schließlich in einem eigenen Unterabschnitt mit Perücken und Haarteilen.

Den „religions- und sozialgeschichtlichen Hintergrund“ behandelt Beate Fücker vor den drei großen Hauptkapiteln. Dass Figuren und Bilder ausgeschmückt wurden, lag zunächst vor allem an den Stiftungen des Adels und des Patriziats. Das Konzil von Trient befasste sich in seiner 25. Sessio mit der Anrufung und Verehrung sowohl der Reliquien der Heiligen wie der heiligen Bilder (Heinrich Denzinger u. Adolf Schönmetzer [Hgg.]: Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. 34. Aufl. Barcelona u. a. 1967, Nr. 1821-1825). Demnach ist es „bonum atque utile“, die Heiligen anzurufen, um von Gott durch seinen Sohn Jesus Christus „beneficia“ zu erlangen. In deren Bildern steckt weder „aliqua divinitas vel virtus“ und die Ehre, die ihnen zuteil wird, „refertur ad prototypa, quae illae repraesentant“. Das gläubige Volk allerdings scheint den Gnadenbildern schon irgendeine „virtus“ zuerkannt zu haben. Als Missbrauch aber verurteilt das Konzil Bilder falschen Glaubensinhalts. Das entsprechende Dekret des Konzils unterscheidet auch klar zwischen Anbetung und Verehrung („Christum adoremus, et Sanctos [...] veneremur“). Insofern ist das Abschlusszitat, das Beate Fücker unter das Fazit ihrer vorzüglichen Arbeit setzt (279), in der deutschen Übersetzung theologisch falsch. Sie bemüht den spanischen Kulturhistoriker Antonio Cea Gutiérrez mit den Worten: „Die Anbetung der Heiligen [...] bedurfte eines Bildes.“ Im spanischen Text steht: „La devocion a los santos.“

Beate Fücker hat eine immense Forschungsarbeit geleistet, denn insbesondere die primär bekleideten Bildwerke im gesamten deutschen Sprachraum aufzuspüren, gelingt kaum über die Kunstdenkmäler-Literatur, da diese dort oft nicht erfasst sind. Besonders positiv muss man dann bemerken, dass die Beschreibung der Bildwerke nicht nur auf einem hohen technischen Niveau erfolgt, sondern dass die Kultgeschichte immer präsent bleibt.