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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Richard Bauer

Altmünchen. Der Maler Joseph Puschkin (1827-1905) und die Sammlung Neuner im Münchner Stadtmuseum

Weißenhorn 2017, Konrad, 279 Seiten, zahlr. Abbildungen
Rezensiert von Peter Claus Hartmann
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 05.07.2018

Der sehr ansprechende, knapp 220 Abbildungen von Architektur-Aquarellen des alten München im 19. Jahrhundert enthaltende Band stellt einen wertvollen Beitrag zur Münchener Stadtgeschichte dar. Festgehalten werden sollte in diesen Bildern das damals alte München der Biedermeierzeit, das seit 1870 und besonders im Bauboom des ausgehenden 19. Jahrhunderts weitgehend verschwand. Damals wurden im Rahmen der „Stadterneuerung“ und einer von denkmalpflegerischen Überlegungen noch ungebremsten „Bauwut“ sowie zur Förderung der „Verkehrsdurchlässigkeit“ viele Zeugnisse der Vergangenheit durch damals moderne Miets- und Geschäftshäuser ersetzt.

Dieser bauliche Wandel und die Sehnsucht nach „Altmünchen“ bilden, so zeigt Richard Bauer in seiner Einleitung, das Motiv für die Entstehung der hier veröffentlichten Sammlung Neuner. Der 1828 in München geborene Edmund Neuner kaufte 1864 das ehemalige „Kosthaus“ des Münchener Jesuitenkollegs mit spätgotischem Kreuzrippengewölbe und machte es zum führenden Weinhaus der Stadt. Der wohlhabende, konservative, der Patriotenpartei nahestehende, romtreue Katholik, langjähriger Gemeindebevollmächtigter (ehrenamtlicher Stadtrat), verband Kommerz, Tradition und Kunst und wollte „das abgestorbene und absterbende München der Biedermeierzeit für die Nachwelt“ konservieren. Deshalb gab er dem Maler Joseph Puschkin den Auftrag, die Aquarelle anzufertigen. Dabei wollte er, mit Privatmitteln finanziert, „einen Gesamtstatus des im 19. Jahrhundert bereits vollzogenen oder noch bevorstehenden architektonischen Umbruchs erheben“. So entstand die 335 Blätter umfassende Sammlung der Architektur-Aquarelle, die der 1905 verstorbene Neuner dem Münchener Stadtmuseum vermachte.

Richard Bauer, der Altmeister der Münchener Stadtgeschichtsschreibung, schildert in seiner Einleitung sehr gut, wie die Sammlung Neuner angesichts des baulichen Wandels und der Sehnsucht nach „Altmünchen“ entstand. Im Fokus steht dabei der Künstler Joseph Puschkin (1827-1905), geboren in München, getauft in St. Peter, der die meisten der 335 Blätter der Sammlung angefertigt hat. Dies geschah nach dessen Rückkehr in seine Heimatstadt nach einer Tätigkeit in Hamburg, aus der verschiedene Xylographien erhalten sind. Puschkin, dessen Großvater aus Russland stammte, spielte damals im Münchener Kunstbetrieb, zu dem auch viele arme Künstler mit wenigen Aufträgen zählten, eine recht untergeordnete Rolle. Bauer spricht von „geringe[r] öffentliche[r] Akzeptanz Joseph Puschkins“.

Nach der kompetenten, mit Fußnoten dokumentierten Einleitung mit verschiedenen Abbildungen, bis hin zu einer aussagekräftigen Xylographie „Erinnerungsblatt Bayreuth“, bilden den Hauptteil des Buches die drei Kapitel „Rundgänge“ durch die vier Münchener Stadtviertel (Hackenviertel, Angerviertel, Graggenauer Viertel und Kreuzviertel) sowie die Ludwigs-, Isar-, Maxvorstadt, das Lehel und ferner die Vorstädte jenseits der Isar. Diese werden in 216 stimmungsvollen, die Biedermeierzeit dokumentierenden Architektur-Aquarellen wiedergegeben. Während Puschkin interessanterweise die damalige Gewerbezone mit den vielen Stadtbächen, Floßländen, Mühlen und Sägewerken und den Wirtshäusern ausführlich darstellt, werden die neuen Prachtbauten und -straßen Ludwigs I. und Max’II. vollständig ausgelassen.

Besonders wertvoll ist, dass jedes hier abgedruckte Aquarell von Richard Bauer ausführlich, mit großem Sachverstand und auch manchmal korrigierend, erläutert wird. Dadurch entsteht eine hochinteressante, profunde Darstellung und Zusammenstellung, die einen sehr schönen, ansprechenden Eindruck vom „alten München“ der Biedermeierzeit vermitteln.

Das Buch wird zusätzlich bereichert durch einen Anhang mit Dokumenten zu Edmund Neuner, ferner durch das Inventar der Sammlung Neuner von Ernst von Destouches, durch   ein Straßenregister sowie einen Stadtplan von 1846.

Schlussendlich ist der Band zu werten gleichermaßen als wichtiger Beitrag zur Münchener Stadtgeschichte wie als wunderschöner Bildband, als Augenweide für Bücherfreunde und idealer Geschenkband für Münchener und Müncheninteressierte.