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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Anette Löffler/Rainer Berndt (Hgg.)

Iohannis Tolosani Commentaria rerum pene omnium in domo nostra Victorina

(Corpus Victorinum – Textus historici 4), Münster 2017, Aschendorff, 360 Seiten, 4 Abbildungen
Rezensiert von Magnus Ulrich Ferber
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 05.07.2018

Wie Rainer Berndt im Vorwort der hier anzuzeigenden Edition betont, führt die Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Philosophie und Theologie der Viktoriner unweigerlich auch zu einer intensiven Beschäftigung mit der Geschichte des 1113 gegründeten Augustinerstifts Saint Victor in Paris. Von zentraler Bedeutung hierfür sind die Arbeiten des Kanonikers Johannes von Toulouse (1590–1659), der darin die im Stift selbst zur Verfügung stehenden Quellen, wie etwa Urkunden, Nekrologe oder Epitaphien erschöpfend auswertet. In dem vorliegenden Band des Corpus Victorinum, das sich vornehmlich der kritischen Edition der Werke Hugos von Saint Victor († 1141) widmet, wird nun ein Frühwerk des Johannes von Toulouse, das um 1615 zusammengestellt wurde, erstmals publiziert.

Die Commentaria rerum pene omnium in domo nostra Victorina, wie der Autor seine Zusammenstellung der wichtigsten Daten zur Geschichte seines Stifts vielleicht etwas hochtrabend selbst nennt, sind nur handschriftlich überliefert und waren erkennbar nur für den Gebrauch innerhalb des Stifts gedacht. Entsprechend darf der Leser der Commentaria keine ausgefeilte Überblicksdarstellung zur Historie des Stifts im Stile eines humanistischen oder frühbarocken Geschichtswerks erwarten.

Die Handschrift besteht aus vier Teilen. Der erste diskutiert die Umstände der Gründung des Stifts samt Abschrift der Gründungsurkunde und liefert eine Abtreihe, in der die wichtigsten Ereignisse, wie etwa der Eintritt berühmter Kanoniker in das Stift, größere Baumaßnahmen oder Änderungen der Klosterzucht während der Amtszeit des jeweiligen Abts zusammengetragen sind. Der zweite Teil führt die Kanoniker des 12. und 13. Jahrhunderts in Form eines Nekrologs nach dem jeweiligen Todestag auf, wobei die Personen, da die Jahreszahlen fehlen, meist kaum identifizierbar sind. Da die Edition leider keinen Realienkommentar bietet, wird dieser Umstand auch dort nicht behoben, wo dies möglich wäre. Interessant ist dieser zweite Teil daher vor allem aufgrund der hohen Anzahl der darin verzeichneten Kanoniker. Deutlich über 300 Männer traten demnach sowohl im 12. wie im 13. Jahrhundert Saint Victor bei. Teil 3 bietet die Namen der Kanoniker seit 1303, die nun nach dem Datum ihres Eintritts verzeichnet sind und mit Angaben zu ihrer Tätigkeit im Stift beschrieben werden. Während die Commentaria bis dahin lateinisch verfasst sind, ist der letzte Teil in französischer Sprache abgefasst. Er stammt aus dem Jahr 1653 und beschreibt vor allem den Besitz des Stifts.

Die Herausgeber liefern eine technisch höchst saubere Edition. Die sinnvolle Grundentscheidung, die Orthographie der Vorlage unverändert zu lassen, führte offenbar auch dazu, dass die zurückhaltende Interpunktion des Johannes von Toulouse beibehalten wurde. Hier hätte eine Modernisierung das Verständnis des ansonsten leicht zu lesenden Lateins des Autors erleichtern können. Für den schnellen Rückgriff zur Geschichte des Stifts und seiner Kanoniker bilden die Commentaria eine interessante Quelle.