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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Margit Szöllösi-Janze (Hg.)

München im Nationalsozialismus. Imagepolitik der ‚Hauptstadt der Bewegung‘

(München im Nationalsozialismus 4), Göttingen 2017, Wallstein, 283 Seiten, 39 Abbildungen
Rezensiert von Paul Hoser
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 05.07.2018

Der Band gleicht einem Strauß mehr oder weniger zufällig ausgewählter Blumen, der durch die Einleitung der Herausgeberin zusammengebunden ist.

Daniel Hilgerts Interesse gilt der Verleihung von Ehrenbürgerschaften, die unter der NS-Herrschaft für deren Größen reserviert war. Als erstes wurden natürlich bereits 1933 Hitler und der politisch formal ranghöchste Mann Bayerns, Franz von Epp, bedacht. Bei der Verleihung verließen die anwesenden Stadträte der SPD den Saal, was die Nationalsozialisten zum Anlass nahmen, sie auf Dauer von den Sitzungen auszuschließen. Später erhielten die Ehrung noch der Reichsschatzmeister der NSDAP, Franz Xaver Schwarz, der Gauleiter von München-Oberbayern, Adolf Wagner und Hermann Göring, alle jeweils zu einem runden Geburtstag. Bei Göring, der in München zeitweise eine Villa bewohnte, ist der Grund nicht erkennbar. Da Oberbürgermeister Karl Fiehler wusste, daß der „Stellvertreter des Führers“, Rudolf Heß, kein Interesse hatte, verzichtete man auf eine Verleihung, womit sich die Stadt die Peinlichkeit ersparte, sie nach dessen Englandflug wieder aberkennen zu müssen.

Alexander Mayer beleuchtet den Umgang mit dem seit 1927 bestehenden Literaturpreis der Stadt München. Zwar war auch hier die nationalsozialistische Gesinnung der Geehrten meist ausschlaggebend, doch nicht wie bei den Ehrenbürgern grundsätzlich das einzige Kriterium. Insgesamt gab es acht Preisträger, drei weitere erhielten nur einen Anerkennungspreis. Einer der Preisträger, Erwin Guido Kolbenheyer, stand auch auf der von Hitler und Goebbels zusammengestellten Gottbegnadeten-Liste. Wie Hans Zöberlein, der auch im Stadtrat saß und einen kriegsverherrlichenden Bestseller geschrieben hatte, war er ein bekennender Nationalsozialist. Keinerlei literarische Qualitäten hatte der Bürgermeister und Kreisleiter von Starnberg, Franz Buchner, dessen Erinnerungen einfach seine Aktivitäten in der „Kampfzeit“ aneinanderreihten, er bekam denn auch nur einen Anerkennungspreis. Keine engagierten Nationalsozialisten waren z. B. Georg Britting, Josef Ponten und Richard Billinger. Gegen diesen äußerte das Propagandaministerium Bedenken, nicht so sehr wegen des niedrigen Niveaus seiner dumpf-schwülstigen Dramen, sondern wegen des Verdachts der Homosexualität. Fiehler konnte es sich aber leisten, darüber hinwegzusehen. Dagegen hatten Intrigen gegen die Kandidatin Ina Seidel Erfolg. Zwar stand sie auf der Gottbegnadeten-Liste und hatte ein Jubelgedicht über Führer und SA geschrieben, doch misstraute man ihr im Propagandaministerium wegen angeblicher früherer pazifistischer Tendenzen und zu betonter Religiosität.

Beatrice Wichmann schildert die von den Nationalsozialisten gegen das Internationale Treffen der Katholischen Gesellenvereine am 8. Juni 1933 in München. Obwohl diese große Anpassungsbereitschaft zeigten und sich zur Reichsregierung Hitler bekannt hatten, waren sie den neuen Machthabern unerwünscht. Ihre Kundgebungen wurden verboten, und die Teilnehmer nach dem morgendlichen Gottesdienst von berittener Polizei auseinandergetrieben. SA stürmte das Gesellenhaus, und das Tagesprogramm musste frühzeitig beendet werden. Von Kardinal Faulhaber kam keine demonstrative Unterstützung. Die Stadt selbst hatte insofern mit den Schikanen zu tun, als Fiehler den von seinem Vorgänger Scharnagl zugesagten Zuschuß für die Veranstaltung sofort zurückgezogen hatte.

Sebastian Lang betrachtet den Marienplatz im Zusammenhang mit der Selbstdarstellung der örtlichen Nationalsozialisten. Ihr jährlicher Gedenkmarsch zum Hitlerputsch führte auch über den Platz. Dieser sollte für ihre Veranstaltungen monopolisiert werden. Der Polizeipräsident und hohe SA-Führer Schneidhuber, der den 30. Juni 1934 nicht überlebte, wollte ihn noch im Mai dieses Jahres für die Fronleichnamsprozession blockieren. Hier wurde Faulhaber massiv und drohte, dies auf der Kanzel bekannt zu geben. Angesichts dieser Haltung wurde die Sperre zurückgenommen. Erfolgreicher war man 1938 mit dem Verbot, das 300-jährige Bestehen der Mariensäule auf dem Platz zu feiern. Die Jubiläumsfeier konnte nur in der Kirche von St. Peter stattfinden.

Im Beitrag von Juliane Hornung geht es um das zur Propagandaschau herabgewürdigte Gedenken an die Münchner Todesopfer der Luftangriffe. Die Organisation lag bei der Gauleitung und beim Gaupropagandaamt; die Stadtverwaltung musste die unter Mitwirkung der Kriminalpolizei geborgenen Toten vorher identifizieren. Die Aufbahrung erfolgte im Nordfriedhof. Da sie lange dauerte, konnte man nicht verhindern, daß sich Verwesungsgeruch bemerkbar machte, weshalb man schließlich auf sie verzichtete. Bei der Feier waren Ehrenkompanien von Wehrmacht und Waffen-SS aufgestellt, und man spielte u. a. die Parteihymne.

Julia Gleich hat als Thema den zu Propagandazwecken über München gedrehten Kulturfilm. Die Praxis, in den Kinos jeweils vor dem Spielfilm einen Kulturfilm zu zeigen, hatte das Propagandaministerium 1934 vorgeschrieben. Auch in der Nachkriegszeit war sie noch Usus. Der Film zeigte zwar einen Aufmarsch mit Hitler, vermied es aber sonst, nationalsozialistische Bauten und Symbole ins Bild zu bringen sondern erinnerte mehr an das traditionelle München. Da Hitler die Tendenz nicht passte, kam er dann nicht in die Kinos.

Auch bei Annemone Christians steht ein Film im Mittelpunkt. Er sollte im Auftrag der Stadt dokumentieren, wie deren Verwaltung die Kriegsprobleme bewältigte, etwa im Bereich der Gesundheitskontrolle, der Lebensmittelversorgung und des Bunkerbaus. Der Film wurde nicht fertig.

Paul Rabe interessiert sich für die unter Oberhoheit des Kreistagspräsidenten und Stadtrats Christian Weber inszenierten Pferderennen um den Preis des „Braunen Bandes“. Diese Veranstaltung verdankte, und das ist eine neue Erkenntnis, ihre Entstehung nicht der Macht des  dumpfen und raffgierigen Franken Weber, einem der Alten Kämpfer, die sich für höhere Posten nicht eigneten, sondern dessen Einfluss wuchs erst dank deren Existenz. Über tausend Münchner Geschäfte beteiligten sich an der Werbung für die Rennen, zum Teil unter Druck Webers, der sie mit dem Hinweis auf ihre städtischen Aufträge erpresste. Zwar waren die Rennen auch für das allgemeine Publikum gedacht, im Rennverein sollten aber nur Prominente sitzen. Der Verein bereicherte sich auch an jüdischem Vermögen, was einen Hinweis wert gewesen wäre.

Iris Vogeltanz untersucht die Rolle von München und Garmisch-Partenkirchen für die Winterolympiade. Die Stadt war an der Finanzierung beteiligt, Münchner Firmen an den notwendigen Bauten, der Münchner Verkehrsverein machte Werbung.

Mathias Irlinger beschreibt das Ringen um den neuen Flughafen Riem, für den 1938 das Richtfest gefeiert wurde. Zwar hatte Hitler vor dem Krieg bestimmt, daß er nur für die Zivilluftfahrt verwendet werden solle, nach Kriegsbeginn warf aber die Luftwaffe ihr begehrliches Auge auf ihn. Das Reichsluftfahrtministerium hielt seine finanziellen Zusagen an die Stadt nicht ein. Die Entscheidung, wem der Flughafen gehören sollte, wurde bis zum Kriegsende vertagt.

Kathrina Edinger und Sebastian Rujek werfen einen Blick auf den Mythos um Wilhelm Bauer, der das tatsächlich nicht seetaugliche erste deutsche Unterseeboot konstruiert hatte. Man wollte so gewaltsam einen Zusammenhang der Stadt München mit der Seekriegsführung herstellen und führte einen Gendenktag für Bauer ein. Eine ihm gewidmete Ausstellung im Deutschen Museum war aber kein großer Erfolg.

Die Beiträge, deren Substanz recht unterschiedlich ist, fördern zum Teil zwar wenig Bekanntes zutage, sind aber ziemlich zufällig zusammengestellt und ergeben kein kohärentes Gesamtbild. Hinweise auf die Person der Autoren fehlen.

Die Herausgeberin behauptet, seit dem Buch Horst Matzeraths von 1970, demzufolge mit der nationalsozialistischen Machtübernahme auch das Ende kommunaler Selbstverwaltung begonnen hatte, sei diese Frage nahezu kein Forschungsthema mehr gewesen. Das mag insofern zutreffen, als keine neue größere Gesamtstudie dazu erschienen ist. Ein Blick in den von Sabine Mecking und Andreas Wirsching herausgegebenen Sammelband über Stadtverwaltung im Nationalsozialismus zeigt aber, daß sich die Forschung durchaus weiter damit befasst hat, von diversen Einzelstudien zu Städten in diesem Zeitraum ganz zu schweigen.

In der Sicht der Herausgeberin „verknüpfen sich“ am konkreten Ort „die durch Interaktionen und Praktiken seiner Nutzer hergestellten sozialen Handlungs- und Kommunikationsräume und werden für die Analyse greifbar,“; erkennbar würden auch „die symbolischen Räume der Raumrepräsentation etwa mit ihren – diskursiven wie visuellen – Zeichen und Codes.“ (S. 14). Wozu sollen solche Hohlformeln gut sein? Was tragen sie zur eigentlichen historischen Erkenntnis bei? Wolfgang Reinhard hat schon vor längerer Zeit darauf hingewiesen, dass Hayden White, der mit seiner These, Fakten hätten nur sprachliche Existenz, der Geschichtswissenschaft den Boden unter den Füssen wegziehen wollte, das harte Faktum der Shoa entgegen gehalten worden sei. Soll man jetzt künftig etwa das Grauen der Konzentrationslager unter der Perspektive des sogenannten „spatial turn“ betrachten? Die Herausgeberin sollte sich unbedingt auf die bewährten wissenschaftlichen Grundlagen historischen Forschens besinnen und darüber nachdenken, welchen zerstörerischen Tendenzen sie mit solch modisch aufgesetztem Schnickschnack den Weg bahnen hilft.