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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Michaela Schmölz-Häberlein/Mark Häberlein

Die medizinische Bibliothek des Adalbert Friedrich Marcus. Privater Buchbesitz und ärztliches Wissen in Bamberg um 1800

(Bamberger Historische Studien 15), Bamberg 2016, University of Bamberg Press, 141 Seiten, zahlr. Abbildungen
Rezensiert von Christine Rogler
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 05.07.2018

Adalbert Friedrich Marcus (1753–1816), zunächst als Leibarzt des Bamberger Fürstbischofs tätig, oblag nach der Säkularisation als bayerischem Medizinaldirektor das gesamte Gesundheitswesen der ehemaligen Fürstbistümer Bamberg und Würzburg. Der Mitbegründer und erste Direktor des Allgemeinen Krankenhauses (1789–1816) sowie Initiator weiterer medizinischer Anstalten prägte das Bamberger Gesundheitswesen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert somit wesentlich.

Anlässlich seines 200. Todestages legten Michaela Schmölz-Häberlein und Mark Häberlein 2016 eine Biographie seiner Person vor (Adalbert Friedrich Marcus (1753–1816). Ein Bamberger Arzt zwischen aufgeklärten Reformen und romantischer Medizin). Im Zuge ihrer Quellenrecherchen stießen die Autoren auf einen handgeschriebenen Bücherkatalog der heute nicht mehr vorhandenen medizinischen Bibliothek des Bamberger Arztes. Dieses von Marcus selbst verfasste Inventar steht im Zentrum der zweiten von ihnen im Jahr 2016 vorgelegten Studie zu Adalbert Friedrich Marcus. Der Analyse des Inventars liegt ein zweifaches Erkenntnisinteresse zugrunde: Zum einen will die Studie den „Bildungs- und Wissenshorizont eines prominenten Mediziners in der Übergangszeit von der Aufklärung zur Romantik“ (S. 12) fassen und seine Tätigkeiten als Arzt und Medizinaldirektor mit seinem Buchbesitz in Verbindung setzen. Zum anderen soll die Untersuchung „die bislang überschaubare Zahl von Studien zu historischen Ärztebibliotheken“ (ebd.) ergänzen und so die vorhandene Diskrepanz zwischen den zahlreich dokumentierten medizinischen Büchersammlungen einerseits und den wenigen, meist ausschließlich medizingeschichtlich angelegten Untersuchungen andererseits verringern.

Die Studie besteht aus zwei Teilen. Nach der Darstellung folgt ein Katalogteil, der die im Inventar verzeichneten Werke alphabetisch (S. 83–122) und Adalbert Friedrich Marcus’ eigene Veröffentlichungen und Herausgeberschaften chronologisch auflistet (S. 122–124).

Vor der eigentlichen Analyse des Bücherkatalogs geben die Autoren im Hauptteil einen knappen Überblick über frühneuzeitliche Ärztebibliotheken (S. 14f.) und die Biographie des Bamberger Arztes (S. 15–19). Dabei schätzen sie Marcus’ Bibliothek mit 546 Büchern und Zeitschriften im Vergleich zu anderen dokumentierten medizinischen Büchersammlungen als mittelgroße Ärztebibliothek ein. Die Bibliothek weise zwar ein breites Themenspektrum auf, die Autoren betonen aber schon eingangs, dass sie nicht das Ergebnis systematischer Erwerbungen sei. Dieser Umstand wird durch die darauffolgende Untersuchung der im Inventar erfassten Bücher nach den Parametern Erscheinungsjahr, Sprache, Anteil von Periodika und Sammelwerken sowie Titel aus Nachbardisziplinen besonders deutlich (S. 21–27): Die Autoren konstatieren eine „selektive Anschaffungspraxis“ (S. 26), da Marcus meist nur einzelne Titel mehrbändiger Werke oder Zeitschriftenreihen besaß. In den folgenden Kapiteln steht die inhaltliche Untersuchung des Buchbestandes im Mittelpunkt. Kapitel 5 (S. 29–56) befasst sich zunächst mit dem medizinhistorischen Buchbestand und fragt nach darin vorhandenen Autoren der Antike, des 16., 17. und 18. Jahrhunderts. In Kapitel 6 (S. 57–68) zeigen die Autoren auf, dass sich die zeitgenössischen Werke in der Sammlung mit den verschiedenen Tätigkeitsfeldern und Interessen des Mediziners decken. So besaß Marcus in seiner Tätigkeit als Hofarzt, Krankenhausdirektor und Lehrer zahlreiche Lehr- und Überblickswerke aus den Bereichen Medizin, Chirurgie und Pharmazie, während der große Anteil aus dem Bereich der Medicinalpolicey sowie Darstellungen über Gesundheits-, Sozial- und Disziplinierungseinrichtungen einzelner Städte seine Arbeit als bayerischer Staatsdiener widerspiegeln. Inwieweit Marcus’ zeitweise intensive Beschäftigung mit Strömungen seiner Zeit, etwa dem Brownianismus oder der Schellingschen Naturphilosophie in seiner Bibliothek zum Ausdruck kommt, legen die beiden Autoren in Kapitel 7 (S. 68–75) dar. Mit Blick auf die naturphilosophischen Werke wird wiederholt die unsystematische Art der Erwerbung deutlich. Marcus besaß nur Werke, die in exakt jenem Zeitraum, in welchem er sich mit der Naturphilosophie beschäftigte, erschienen waren. So fehlt etwa eine Schrift wie die Physiologie des Menschen (1807) des zeitgleich am Klinikum Bamberg tätigen und an die Universität Landshut berufenen Philipp Franz von Walther (S. 73). Das abschließende Kapitel umreißt die Frage, ob Marcus’ Buchbesitz als Spiegel persönlicher Beziehungen dienen kann (S. 79). Aufgrund der Quellenlage gestehen die Autoren jedoch schon zu Beginn ihrer Studie ein, dass „über einzelne Anschaffungen und Bestellungen nach seiner Studienzeit keine genaueren Angaben möglich“ seien (S. 20). Abgesehen von Werken seiner Schüler und Mitarbeiter kann über die Herkunft anderer Titel somit nur vermutet werden, dass sie „wahrscheinlich auf persönliche Kontakte zurück[gehen]“ (S. 79) – dementsprechend kurz fällt das Kapitel aus.

Obgleich der Besitz medizinischer Bücher selbstverständlich noch keinen Rückschluss darauf zulässt, ob diese Bücher auch gelesen wurden, gelingt es den Autoren in dieser knappen Studie darzulegen, wie eine durchschnittliche medizinische Privatbibliothek die Vielfalt der Interessen und Tätigkeiten ihres Besitzers widerspiegelt.