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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Karl Erhard Schuhmacher

Königliche Hoheiten aus England „zu Gast“ in der Pfalz. Lebensbilder aus dem Hochmittelalter

Ubstadt-Weiher 2017, regionalkultur, 144 Seiten, 60 Abbildungen
Rezensiert von Bernd Schneidmüller
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 19.07.2018

In vier Lebensbildern stellt dieser Band zwei Kaiserinnen und zwei Könige aus England vor, die für einige Zeit „zu Gast“ in der Pfalz waren. Es geht hier nicht um neue tiefdringende Forschungen. Der belesene Verfasser, ein pensionierter Studiendirektor, unterstreicht vielmehr die Bedeutung der Lande am nördlichen Oberrhein und am Mittelrhein für die monarchische Repräsentationskultur des 12./13. Jahrhunderts. Er betont, dass der Pfalz-Begriff für das Hochmittelalter nicht wirklich tauge, weil dieser als Herrschafts- und Landschaftsbezeichnung erst in der spätmittelalterlichen Formierungsphase der rheinischen Pfalzgrafschaft bzw. der Kurpfalz entstand. Die beiden wirklichen ‚pfälzischen‘ Hochzeiten englischer Königstöchter mit den Kurfürsten Ludwig III. und Friedrich V. im 15. und im 17. Jahrhundert werden in einem Ausblick nur kurz erwähnt.

Mit seinem räumlichen Fokus folgt Karl Erhard Schuhmacher der berühmten Aussage Ottos von Freising, dass das Land beiderseits des Rheins „die größte Kraft des Reichs“ darstelle. In dieser Zentrallandschaft nutzten die römisch-deutschen Könige Bischofsstädte wie Speyer, Worms oder Mainz für große Hof- und Festtage. Die Ehe des letzten Saliers Heinrich V. mit der englischen Königstochter Mathilde (ihr gilt das erste Lebensbild) wurde in Utrecht und Speyer 1110 ausgehandelt und in Mainz 1114 gefeiert. Damals vollzog sich Reichsgeschichte ganz wesentlich am Rhein.

Das zweite Lebensbild gilt der Gefangenschaft König Richards I. Löwenherz 1193 in der Region zwischen Mainz und Hagenau. Höhepunkte waren der Speyerer Hoftag Kaiser Heinrichs VI. und die legendäre Kerkerhaft des englischen Königs auf dem Trifels. Mit diesem Kapitel flankiert das anzuzeigende Buch die Landesausstellung ‚Richard Löwenherz‘, die 2017/18 in Speyer gezeigt wurde (Richard Löwenherz. König – Ritter – Gefangener, hg. von Alexander Schubert, Regensburg 2017).

Für seine dritte Eheschließung mit der englischen Königstochter Isabella wählte Kaiser Friedrich II. 1235 Worms, das im Itinerar der Staufer einen prominenten Platz behauptete. Der aus Italien gekommene Kaiser nutzte Königspfalzen und Bischofsstädte an Rhein und Neckar für das Strafgericht über seinen untreuen Sohn König Heinrich (VII.) und für die Ordnungsstiftung im Reich. Das Ehebündnis mit dem englischen Königshaus Plantagenêt sollte die staufische Macht in Europa noch einmal erstrahlen lassen. Bald zog Isabella mit ihrem Ehemann ins Königreich Süditalien, wo sie 1241 bei der Geburt eines Kinds starb.

Im vierten Lebensbild tritt König Richard (von Cornwall) hervor, ein Bruder des englischen Königs Heinrich III. und der eben erwähnten Kaiserin Isabella. Er war in strittiger Doppelwahl gegen Alfons (von Kastilien) 1257 zum römischen König gewählt worden und kam – im Gegensatz zu seinem Rivalen – wenigstens zeitweise ins deutsche Reich. Dort konzentrierte sich sein Itinerar auf das Land am Rhein, wo er Anhänger und Helfer fand. 1269 hielt Richard einen Hoftag in Worms ab.

Der Zusammenhang des Buchs ergibt sich aus der englischen Herkunft der vorgestellten vier Persönlichkeiten. Ihre Bezeichnung als „Gäste“ setzt der Verfasser selbst in Anführungszeichen. Neue Einsichten in die Lösegeldzahlung Richards I. oder in die Mitgiften der beiden Kaisergattinnen gewährt jetzt das Buch von Janis Witowski, Ehering und Eisenkette. Lösegeld- und Mitgiftzahlungen im 12. und 13. Jahrhundert (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 238), Stuttgart 2016.

Die Lebensbilder sind reich illustriert. Fotos der Schauplätze mischen sich mit mittelalterlichen und neuzeitlichen Darstellungen (wenig hilfreiche Historienbilder auf S. 48, 59, 87, 91). Anachronistisch ist das quadrierte Wappen der Plantagenêt-Könige aus Wikimedia Commons (Einleitung, S. 7): Die Verschränkung der drei Leoparden mit den französischen Lilien war erst eine Frucht des Hundertjährigen Kriegs, in dem König Eduard III. von England (1327-1377) den französischen Thron als sein Erbe beanspruchte. Auch den abgebildeten quadrierten Wappenschild der wittelsbachischen Pfalzgrafen und Herzöge mit Wecken und Löwen sahen die allermeisten der englischen „Gäste“ in der Pfalz sicherlich nicht.

Das historische Lesebuch zeigt historisch interessierten Laien exemplarisch die Bedeutung der Lande an Rhein und Neckar als hochmittelalterliche Schauplätze von Reichs- und europäischer Geschichte.