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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Alexandra Stöckl

Der Principalkommissar. Formen und Bedeutung sozio-politischer Repräsentation im Hause Thurn und Taxis

(Thurn und Taxis Studien, Neue Folge 10), Regensburg 2018, Pustet, 280 Seiten
Rezensiert von Ernst Schütz
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 31.05.2019

Es gibt bekanntermaßen Themen in der Geschichtswissenschaft, die es schwer haben: Trotz ihrer unumstrittenen Bedeutung finden sie einfach keine oder kaum Bearbeiter, die sich ihrer ernsthaft annehmen wollten. Auch in der Reichstagsforschung finden sich solche Desiderate. Wenngleich die Auseinandersetzung mit diesem zugegebenermaßen komplexen Reichsorgan in jüngerer Zeit deutlich an Fahrt gewonnen und zum Teil bereits grundlegende Erkenntnisse hervorgebracht hat, wird man hier auf verlässliche Nachschlagewerke (wie etwa ein umfassendes Gesandtenlexikon) noch eine ganze Weile warten dürfen – insbesondere solange man feststellen muss, dass sogar die kaiserliche Prinzipalkommission zu jenen historiographischen Stiefmütterchen gehört, die einer kontextualisierenden Aufarbeitung harren. Zumindest diesen letzteren „Zustand“ (im gleich doppelten Wortsinn) zu beenden, darin besteht der lobenswerte Anspruch vorliegender Studie, welche mit Unterstützung der Franz-Marie-Christinen-Stiftung des Fürstlichen Hauses Thurn und Taxis als Dissertation bei Albrecht Luttenberger in Regensburg entstanden ist. 

Die Verfasserin beginnt ihre Ausführungen mit der klar formulierten These, dass sich die Aufgaben des Prinzipalkommissars als kaiserlicher Repräsentant vornehmlich auf den Bereich der Repräsentation selbst beschränkten und eine Einmischung in das politische Tagesgeschäft nicht gewünscht gewesen sei. Daraus ergebe sich auch der Grund für die bisher „mangelhafte Bearbeitung dieses Amtes innerhalb der Forschungslandschaft“, welche mit dem „vormodernen Rechtsverständnis“ (zum Teil sogar bis spät in das 20. Jahrhundert hinein) eben nicht viel anzufangen wusste, wonach „gerade dem Sektor der Repräsentation […] einige der soziopolitisch signifikantesten Obliegenheiten zuzuordnen“ seien (S. 4). Vor dem Hintergrund einer seither deutlich veränderten Bewertung und Erforschung symbolischer Kommunikation im Sinne einer „notwendige[n] Klammer zwischen Reich, Kaiser und Territorialfürsten“ (S. 13) will Stöckl ihre kulturalistisch ausgerichtete Fragestellung somit einerseits „auf die Formen, also die konkreten Elemente des Amtsprofils“, sowie andererseits auf die daraus resultierende, über rein rechtliche oder machtpolitische Erwägungen hinausreichende „Bedeutung des Amtes“ für die Zeitgenossen hin ausrichten (S. 15).

Die Verfasserin untersucht hierfür zuerst die strukturellen und sozio-politischen Ursachen, die zur Etablierung dieses Amtes geführt hatten, namentlich die einsetzende Perpetuierung des „Immerwährenden“ Reichstages sowie die augenfällige Nutzung der Repräsentation als konstitutive Ausdruckstechnik kaiserlicher Macht. Gefolgt werden diese Betrachtungen von einer Darstellung der institutionellen und organisatorischen Gegebenheiten innerhalb des Reichstagsgefüges. Für Stöckl zählt hierzu vor allem die juristische Stellung des Prinzipalkommissars, der zwar ebenso wie die beiden weiteren Vertreter des Kaisers (in dessen jeweiliger Rolle als Erzherzog von Österreich und als König von Böhmen) als Gesandter klassifiziert und folglich nur am Reichstag selbst mit seiner eigentlichen Funktion versehen war, anders als jene aber zwingend dem Reichsfürstenstand zu entstammen hatte – und dies aus gutem Grunde: Zum einen konnte damit die notwendige Präzedenz über die kurfürstlichen Gesandten des Reiches behauptet werden, zum anderen war die Aufgabe der kaiserlichen Repräsentation mit enormen Kosten verbunden, welche in aller Regel durch das daran geknüpfte Salär nicht gedeckt werden konnten. Wenn nun seit 1743 mit dem Hause Thurn und Taxis ausgerechnet der jeweilige Leiter der gewinnträchtigen kaiserlichen Reichspost das Amt des Prinzipalkommissars versah, so zeigt sich hier ein gewisser Pragmatismus, der die Repräsentation in ein geradezu modernes Kosten-Nutzen-Verhältnis einbettet und die anfangs zitierte These der Autorin unterstreicht. Die darüber hinaus zur Geschäftsführung nötige Fachexpertise konnte indes einem besoldeten Konkommissar überlassen werden, dessen Stand und Geburt von ebenso untergeordneter Bedeutung waren wie die der von einem Kanzleidirektor geleiteten Kommissionskanzlei.

Zu den aufschlussreichsten Passagen der vorliegenden Studie zählt das 4. Kapitel, in welchem eine – wiederum pragmatisch zu begründende – Engführung auf die Prinzipalkommissare aus dem Hause Thurn und Taxis vorgenommen wird. Besonders die Art und Weise, auf welche Fürst Alexander Ferdinand von Thurn und Taxis gleich zweimal in dieses Amt gelangt (nämlich einmal als Anhänger des wittelsbachischen Kaisers Karl VII. am nach Frankfurt am Main verlegten Reichstag, sowie ein zweites Mal 1748 im Dienste des Hauses Habsburg-Lothringen am Reichstag zu Regensburg), zeugt von einer durchaus flexiblen Qualität dieses Postens: Einerseits wird dadurch das an sich „Unpolitische“ des Amtes unterstrichen, andererseits aber eben auch klargestellt, dass eine Repräsentation des Reichsoberhauptes ohne ein persönliches Vertrauensverhältnis nicht denkbar war; seit der Instruktion Kaiser Franz‘ I. für den (einige Jahre später mit einer eigenen Virilstimme im Reichsfürstenkollegium versehenen) Alexander Ferdinand bildet ein enges Einvernehmen des Prinzipalkommissars mit den jeweiligen Gesandten Österreichs (mit Vorsitz im Reichsfürstenkollegium) und Böhmens nämlich einen dezidierten Teil der Jobbeschreibung. Der Umzug des Fürstenhauses von Frankfurt nach Regensburg sollte wohl ebenso der Stärkung dieser Bindung dienen.

Insofern erlangte das Amt mit dem Jahr 1748 tatsächlich eine neue Qualität, welche sich auch an seiner seither faktischen Erblichkeit ablesen lässt. Das 5. Kapitel zum Amtsprofil des Prinzipalkommissars bietet folglich nur Beispiele aus der Zeit der Amtsinhaber aus oben genanntem Hause. Es beleuchtet alle repräsentativen Aufgaben derselben, wie etwa die Gestaltung von Huldigungsfeiern, Festlichkeiten anlässlich des Namens- oder Geburtstages des Kaisers, sowie das Legitimationsverfahren neuer Gesandter und die Entgegennahme von Glückwünschen „nomine Imperii“. Die Bekanntgabe kaiserlicher Trauerordnungen, die Übermittlung von Reichsgutachten an den Kaiser sowie umgekehrt die Übermittlung kaiserlicher Dekrete an den Reichstag subsummiert Stöckl unter dem Oberbegriff der „Kommunikationsfunktion“. In der Summe stellt sie fest, das Prinzipalkommissariat habe durch eben jene Funktionen „einen nachhaltigen Beitrag zur Stabilisierung des Heiligen Römischen Reichs“ geleistet (S. 263), indem es das tatsächliche Subordinationsverhältnis innerhalb desselben zeremoniell abgebildet und öffentlichkeitswirksam verinnerlicht habe.

Die Autorin führt in ihrer Arbeit einen Perspektivwechsel herbei, der mit einer anachronistischen Sicht vergangener Forschergenerationen aufräumt und „dem“ Prinzipalkommisar zu einem völlig neuen (bzw. ursprünglicheren) Image verhilft. Gerade deshalb ist es jedoch schade, dass sie mit der Auflösung des Reiches auch ans Ende ihrer Darstellung gelangt, obwohl doch der letzte Prinzipalkommissar, Fürst Karl Alexander von Thurn und Taxis, noch über 20 Jahre lang aus Wien eine Rente für diese Tätigkeit erhielt (S. 79-85) und der sogenannte Bundestag des 1815 gegründeten Deutschen Bundes (schon rein begrifflich eine Art institutioneller Nachfolger des Reichstages) seinen Sitz ausgerechnet im Palais Thurn und Taxis zu Frankfurt am Main bezog. Auch die (wenngleich in ihrer Bedeutung deutlich reduzierte) Thurn-und-Taxis-Post innerhalb des Deutschen Bundes erlosch letztlich erst mit der preußischen Annexion Frankfurts am Main im Jahre 1866. Wenn es also eine Fürstenfamilie auf dem Boden des ehemaligen Reiches gab, die für eine modifizierte „Kontinuität“ gewisser Funktionen über 1806 hinaus exemplarisch herangezogen werden kann, dann ist dies das Haus Thurn und Taxis.

Nichtsdestotrotz ist Stöckl zu ihrer Dissertation zu gratulieren, die die Reichstagsforschung um ein erfreuliches Stück weitergebracht hat. Gesteigert würde diese Freude wohl nur noch durch die Anlage eines Registers.