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Kurt Luger

MedienKulturTourismus. Transkulturelle Befunde über Weltbild und Lebenswelt

Herausgegeben von Thomas Herdin und Franz Rest, (Interkulturelle und transkulturelle Kommunikation 2), Baden-Baden 2018, Nomos, 494 Seiten mit Abbildungen, Tabellen
Rezensiert von Burkhart Lauterbach
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 15.07.2019

Kurt Luger, Professor für Transkulturelle Kommunikation am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg sowie Inhaber des UNESCO-Lehrstuhls für Kulturelles Erbe und Tourismus, hat zu seinem 66. Geburtstag ein Geschenk erhalten, nämlich die anzuzeigende Festschrift, die, eingerahmt von einem Vorwort der beiden Herausgeber und einer Anzahl von eher persönlich gehaltenen Würdigungen nebst einer Auswahlbibliographie, 19 eigene, in fünf Fällen im Duo verfasste, Aufsätze aus der Zeit zwischen den Jahren 1992 und 2016 enthält, dies zu drei thematischen Schwerpunkten des solchermaßen Geehrten, nämlich Medien, Kultur und Tourismus.

Medien – Vergnügen, Zeitgeist, Kritik: Im ersten, gewissermaßen in den gesamten Band einführenden Beitrag geht es, ausgehend von Max Webers Gedanken zur Lebensführung und statistisch unterfüttert, um das Verhältnis von Mustern der Freizeitverbringung und den verschiedenen Ausprägungen dessen, was wir uns Lebensstil zu nennen angewöhnt haben: „Lebensstile sind Ausdruck einer persönlichen Selbstdarstellung auf der Grundlage der materiellen Lebensbedingungen und ein Vehikel zur Sicherung von Identität“ (23), wobei der Begriff des Stils keineswegs darauf verweist, dass darunter eine Summe einzelner Elemente zu verstehen sei, sondern eine Art von umfassendem System miteinander verschlungener Signale, also Zeichen, was am Beispiel des Bodybuilding zur Erläuterung kommt. Nicht ganz klar wird, ob diese Bestimmung tatsächlich der angelsächsischen Bezeichnung „Lifestyle“ entspricht. Auf jeden Fall spielen mediale Vermittlungen (mit den ihnen eigenen Identifikations-, Diversifikations- und Verbreitungsfunktionen) eine zentrale Rolle, dies insbesondere unter dem Aspekt des Konsums, was im zweiten Beitrag über Unterhaltungspraktiken jugendlicher Salzburger im Generationenvergleich für die Zeit seit den 1950er Jahren anschaulich vertieft wird. Weitere Beiträge setzen sich mit kultureller Modernisierung in peripheren Bergregionen der Alpen und des Himalaya, dem Einsatz neuerer Informations- und Kommunikationstechnologien im Rahmen von Entwicklungsprojekten, unter besonderem Bezug auf die Hindukusch-Himalaya-Region, sowie mit dem interessengeleiteten, konstruierten Bild der sogenannten Dritten Welt in Österreichs Öffentlichkeit auseinander.

Kultur – Transkulturalität, Wahrnehmung, Identität: Da Luger seine drei wissenschaftlichen Forschungsfelder in dialektischer Weise aufeinander bezieht, widmet sich der erste Beitrag so benannten symbolischen Ordnungskämpfen, konkret dem Verhältnis von Populärkultur und (nationaler, regionaler, sozialer, kultureller) Identität, was auch eine Analyse von Medien als Bestandteil jener „Kulturindustrie“ einschließt, welche sowohl Werke der „Hochkultur“ als auch solche der „Trivialkultur“ unter die Menschen bringt und welche, da durchgängig ins Marktgeschehen eingebunden, möglicherweise adäquater als mit dem Begriff von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno aus dem Jahr 1944 erfasst werden kann, wenn man etwa, Hans Magnus Enzensbergers Ersatzterminus der „Bewusstseinsindustrie“ (1962) weiterdenkend, Wolfgang Fritz Haugs Funktionsbegriffe „Illusionsindustrie“ oder „Zerstreuungsindustrie“ aus dem Jahr 1971 verwendet – oder gar den der „Unterhaltungsindustrie“ von Jürgen Alberts und Kollegen aus dem Jahr 1974. Abgesehen davon ist es nicht klar, was den Autor dazu bewegt, von der „akademische[n] Ignoranz gegenüber dem Populären“ (149) zu schreiben. Unsere Disziplin jedenfalls vertritt diese Ignoranz in keiner Weise; aber wir verfügen auch nicht über eine Fachvertretung an der Universität Salzburg. Ungeachtet dessen bewegen sich die weiteren Beiträge zum hier verhandelten Oberthema zwischen medienkulturellen Auseinandersetzungen innerhalb unterschiedlicher, vor allem unterschiedlich dimensionierter Räume, zum einen Salzburgs, zum anderen Österreichs, zum dritten Asiens.

Tourismus – Freizeit, Sinnsuche, Horizonterweiterung: Seine eigenen Schwerpunkte in ihrer Gesamtheit bezeichnet der Jubilar als „Spektrumswissenschaft“, weil sie unterschiedliche Handlungs- und damit Forschungsfelder mühelos in ihrer Aufeinander-Bezogenheit in den Blick nehmen kann: Sie überschneiden sich in mehrfacher Hinsicht; und sie gehen zum Teil direkt ineinander über (288). In den Texten geht es darum, die Möglichkeiten von tatsächlichen Fremdheitserfahrungen sowie von kulturellem Wandel auszuloten, das immer noch arg vernachlässigte „Interkulturelle Begegnungsfeld Tourismus“ zu charakterisieren und im Hinblick auf künftige Forschungen zu skizzieren sowie spezielle Felder wie den Ökotourismus am Beispiel Nepals, den Alpentourismus am Beispiel Österreichs und den Städtetourismus am Beispiel Salzburgs, konkret unter den Bedingungen nachhaltigkeitspolitischer Praxis, zu erkunden.

Der von den plausibel zusammengestellten Texten her ausgesprochen schwergewichtig daherkommende Band gibt einen interessanten und plastischen Einblick in das Schaffen Kurt Lugers. Ihm selbst ist zu wünschen, dass er sich angemessen vertreten fühlt – und sich nicht über die zahlreichen Interpunktionsfehler ärgert, auch nicht über die Druckfehler. Wenn man etwa mitbekommt, um nur ein einziges Beispiel zu bringen, dass der viermal angeführte Nachname des britischen Historikers Eric Hobsbawm nur ein einziges Mal richtig notiert ist und das von ihm und Terence (nicht: Tarance) Ranger herausgegebene Werk nicht „The Innovation of Tradition“, sondern „The Invention of Tradition“ heißt (157, 174, 198, 200), dann fragt man sich schon, ob Korrekturlesen aus der Mode gekommen ist. Eigentlich schade.