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Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern (Hg.)
Volkskunde im Museum. Ein Auslaufmodell? 25. Internationale Fachtagung bayerischer, böhmischer, oberösterreichischer und sächsischer Museumsfachleute, 18. bis 20. September 2016, Augsburg und Gessertshausen / Etnografie v muzeu. Výběhový model? 25. konference bavorských, českých, hornorakouských a saských odborných pracovníků muzeí, 18. až 20. září 2016, Augsburg a Gessertshausen
(Museum Bulletin Muzeum 25), München 2017, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, 152 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, meist farbigRezensiert von Thomas Schindler
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 23.09.2019
Ist Volkskunde – was auch immer damit gemeint sein kann – im Museum ein Auslaufmodell? Dieser provokanten Frage widmete sich 2016 die interregional ausgerichtete „Tagung bayerischer, böhmischer, oberösterreichischer und sächsischer Museumsfachleute“, kurz BBOS. Als bleibendes Resultat liegen 18 verschriftlichte Beiträge im nachfolgend besprochenen Tagungsband vor, die sich mit der kaum auch nur holzschnittartig auf 151 Seiten zu beschreibenden Bandbreite volkskundlich-kulturwissenschaftlicher Museumsarbeit beschäftigen.
Astrid Pellengahr verweist in ihrem Geleitwort (5–8) auf die zentralen Diskursfelder von Tagung und Band. Sie argumentiert, dass immer weniger StudiumsabsolventInnen in der Lage sind, objektbezogene Forschung zu betreiben, weil sie hierauf nicht vorbereitet werden. Insbesondere die deutlich überwiegenden historischen Museumsbestände bleiben so unbearbeitet und werden dauerhaft in Depots verbracht; mit dem Bedeutungsverlust der aus den Präsentationen zunehmend verschwindenden Objekte wandern letztlich wiederum fachbezogene Personalstellen ab, die dann durch andere Fachrichtungen besetzt werden können. Pellengahr sieht Tagung und Band als geeignete Mittel an, um hierdurch eine „nachhaltige Diskussion“ anzustoßen.
Vier Beiträge firmieren unter der Überschrift „Einleitung“, wobei sich diese Anzahl aus den interregionalen Perspektiven quasi von selbst ergeben hat. Die Aufsätze von Katja M. Mieth (Sachsen), Hana Dvořáková (Tschechische Republik), Klaus Landa (Oberösterreich) und Astrid Pellengahr (Bayern) sind jeweils historisch aufgebaut, schildern recht ähnliche übergeordnete, kontextbedingte Tendenzen sowie konkrete Entwicklungen an Einzelbeispielen. Hierbei fällt Astrid Pellengahrs Unbehagen allein schon mit dem Begriff Volkskunde als kaum verständliche, methodisch wie inhaltlich argumentierbare Museumsbezeichnung, Abteilungsbenennung oder Sammlungskategorie besonders ins Auge (34 f.). Darüber hinaus ist Pellengahrs pointiertes Plädoyer für eine Fokussierung auf aus ihrer Sicht publikumswirksamere Gegenwartskulturen interessant, wobei die Autorin nicht flankierend erläutert, auf welcher (personellen, finanziellen oder räumlichen) Grundlage dies geschehen könnte. Auch bleibt unklar, was in diesem Zusammenhang mit dem existierenden Alt-Bestand passieren würde – etwa Ent-Sammeln?
Den Hauptteil des Bandes mit 14 „Beiträgen“ eröffnet Thomas Thiemeyer mit „Alltagskultur im Museum. Gestern, heute und morgen“ (39–46). Hierin geht er der Entwicklung volkskundlicher Sammlungen und Museen im 20. Jahrhundert nach und weist vor allem auf die Kontexte von Sammlungsgründungen hin. Demnach reflektieren Begrifflichkeiten wie Sammlungszusammensetzungen und Präsentationsanliegen stets politische, soziale, wirtschaftliche, also gesellschaftliche Zustände. Er meint, „volkskundliche Museen und Sammlungen“ hätten dann eine Zukunft, wenn diese sich als „Alltags- und kulturwissenschaftliche Museen verstehen, die [...] nicht nur ein nostalgisches Bild des (bäuerlichen) 19. Jahrhunderts nachzeichnen“ (45) – was er damit meint, bleibt zumindest mir unklar, denn diese Einschätzung spiegelt sicher seit Jahrzehnten nicht mehr die museale Ausstellungsrealität. Bemerkenswert ist Thiemeyers (universitäre) Perspektive auch deshalb, weil sich die meisten der folgenden „Beiträge“ geradezu als Gegendarstellungen zu dessen in der Tat angestaubtem Museumsbild lesen lassen, so etwa Jürgen Knauss‘ Aufsatz „Das deutsche Landwirtschaftsmuseum Schloss Blankenhain“ (55–67) oder Karsten Jahnkes „Volkskunst im Museum – Ein Dauerbrenner?“ (99–108).
Martin Šimsas „Das UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des nicht-materiellen Kulturerbes und seine Umsetzung in der Tschechischen Republik“ (76–89) widmet sich einem zunehmend an Bedeutung gewinnenden neueren Arbeitsfeld für volkskundliche Museen, der Begleitung von oder Beteiligung an internationalen Dokumentations-Initiativen seitens der UNESCO. Er zeigt auf, inwieweit sich Museen traditionell volkskundlichen Stoffen, Sachen, Narrativen widmen können, um am im Zuge der Globalisierung und damit verbundenen beschleunigten Kulturwandeln seit einigen Jahren gestiegenen Interesse an lokalen und regionalen Alltags-, Festtags- und ganz allgemein Nahwelten zu partizipieren.
Diese wenigen Beispiele an Beiträgen mögen genügen, um das inhaltliche Spektrum des sehr gewinnbringend zu lesenden Bandes zu umreißen. Die Zusammenschau erbringt einen für mich überraschend guten Überblick über aktuelle Diskurse, denen es an Dringlichkeit im Einzelfall durchaus nicht fehlt. Einen Mangel stellt aus meiner Sicht allerdings dar, dass eine Diskussion über die – sieht man sich auch aktuelle Vorlesungsverzeichnisse an – universitäre Ausbildung von Sachkulturforschenden mit Museumsperspektive weitgehend blass bleibt beziehungsweise dieser Faden nicht aufgegriffen wurde.