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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Christoph Kürzeder (Hg.)

Zugeneigt. Leben, Lernen, Glauben im Ursulinenkloster Landshut. Katalog zur Ausstellung des Diözesanmuseums Freising im Kloster der Ursulinen in Landshut, 20. Mai bis 11. November 2018

(Kataloge und Schriften des Diözesanmuseums für christliche Kunst des Erzbistums München und Freising 65), Freising 2018, Diözesanmuseum, 446 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, meist farbig
Rezensiert von Daniel Rimsl
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 05.08.2019

Den Klöstern fehlt der Nachwuchs. Es mehren sich die Ordensniederlassungen, die deshalb schließen müssen. Bei jeder Schließung stellt sich die Frage nach der weiteren Verwendung der Baulichkeiten: Einerseits ist eine Nutzung erstrebenswert, die wirtschaftlich tragfähig ist, um die Erhaltungskosten der Gebäude, die in der Regel auf die Bedürfnisse klösterlichen Lebens ausgerichtet sind, möglichst gering zu halten; anderseits sollte die Nutzung der Würde der Orte entsprechen, an denen Menschen oft über Jahrhunderte hinweg ihr Leben Gott geweiht haben.

Auch das Erzbistum München und Freising ist von diesem Wandel betroffen. Im ebenfalls vor wenigen Jahren aufgelösten Kloster Beuerberg wurde erstmals 2016 der Versuch unternommen, die verwaisten Räume, auch die aufgehobene Klausur, die Außenstehenden bislang den Zutritt verwehrte, als Komplex von Museums- und Ausstellungsräumen umzunutzen: Die Gebäude wurden dadurch einer öffentlichen Verwendung zugeführt, die den Klosterräumen weitgehend ihren Charakter belässt.

Dieser Versuch hat sich als großer Erfolg erwiesen, sodass das gleiche Konzept auf das 1668 gegründete und 2016 aufgelöste Ursulinenkloster in Landshut angewandt wurde. 2018 setzte sich eine Ausstellung im Klausurbereich, der erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, mit dem Leben und Wirken der Landshuter Ursulinen auseinander, zu der auch ein umfangreicher Katalog erschienen ist.

In das Thema führen drei Aufsätze ein, die einen Überblick über zentrale Themenbereiche bieten. Anna-Laura de la Iglesia y Nikolaus befasst sich mit der Mädchenerziehung als der wichtigsten Aufgabe der Ursulinen in den Städten zur Zeit der katholischen Reform, wodurch sie eine den Jesuiten entsprechende Aufgabe erfüllten. Manuel Götz behandelt das geistliche Leben im Kloster, das Ideal und das Selbstverständnis der Ursulinen. Eng damit verbunden ist die Verehrung des Jesuskindes als Ausdruck der mystischen Brautschaft; das Bild des Kindes steht für Demut, Unschuld und Sanftmut, die zentralen Tugenden klösterlicher Vollkommenheit. Manuela Klotzbücher geht tiefer auf die Bildungstätigkeit der Ursulinen und das Bildungsverständnis der Ordensgründerin Angela Merici (um 1470/75–1540) ein.

Der umfängliche Katalogteil stellt das Landshuter Ursulinenkloster in all seinen Facetten anhand von Objekten aus seinem Bestand vor. Die erste Sektion befasst sich mit der Geschichte des Landshuter Klosters sowie des Ordens der Ursulinen. Präsentiert werden barocke Darstellungen von Angela Merici und Maria sowie anderer von den Ursulinen verehrter Heiliger, die der Spiritualität der Ursulinen besonders entsprachen. Es folgen mehrere Schriftdokumente aus der Geschichte des Landshuter Klosters und Zeugnisse der Frömmigkeit, darunter auch immer wieder hochrangige Kunstwerke; hervorgehoben sei hier ein Gemälde als Zeugnis für das Wiederaufleben des Kultes um die Schöne Maria zu Regensburg.

Behandelt man ein Kloster in seiner Ganzheit, wird man nicht umhinkönnen mitzubedenken, was ein Kloster ausmacht: Menschen wenden sich – je nach Orden in unterschiedlichem Grad – von der Welt ab und weihen ihr Leben ganz Gott. Für eine Nonne heißt das, dass sie gleichsam zur Braut Christi wird. So findet denn auch der Themenkomplex von Berufung und Erwählung durch Christus Niederschlag im Katalog mit Objekten wie Professringen und Blütenkränzen, die die Brautschaft auch in der äußeren Gestalt an die weltliche Ehe annähern sollen. Besonders verbreitet in Frauenklöstern ist eine ausgeprägte Jesuskindverehrung. Auch aus dem Bestand des Landshuter Ursulinenklosters ist eine ganze Reihe von Jesuskindfiguren erhalten, die Novizinnen als Mitgift ins Kloster mitgegeben wurden und denen eine eigene Sektion gewidmet ist. Diese Jesuskinder dienen als Tröster zur Andacht und Erbauung, sie werden aber auch bekleidet und angesprochen: menschliche, emotionale Umgangsformen der mit Christus verheirateten Frauen, die selbst nie Kinder haben werden. Menschen, die ins Kloster eintreten, stellen sich in besonders radikaler Weise in die Nachfolge Christi. Die Ausstellung versuchte dem mit Objekten aus dem Klosterbestand Rechnung zu tragen, in denen sich das Streben ausdrückt, Jesus als Menschen möglichst nahe zu kommen: Das geschieht einerseits durch verschiedene Abbilder Christi wie ein großes Gemälde mit einem Porträt Jesu, an dem seine vermeintlich wahre Körpergröße ablesbar sei, oder ein Abgar-Bild, andererseits durch Jerusalem- und Heiliges-Land-Devotionalien, die in engstem räumlichen Zusammenhang mit der Passion gesehen wurden.

In der Bedingungslosigkeit, wie sie Gottes Willen angenommen hat, ist Maria das stärkste Vorbild für Nonnen. Im Kloster hat sich denn auch eine Vielzahl verschiedener Marienbilder erhalten, die ein Spiegel der Marienfrömmigkeit im wittelsbachischen Bayern der Frühen Neuzeit ist. Am Anfang stehen noch zwei Darstellungen der Muttergottes, die in die Spätgotik datiert werden: zum einen eine sehr qualitätvolle thronende Maria mit Kind, die Arbeiten des in München tätigen Meisters der Blutenburger Apostel nahesteht; zum anderen die offenbar im Umkreis Hans Leinbergers in Landshut gearbeitete Maria mit Kind, für die eine Herkunft aus Regensburg gesichert ist: Sie kam als sogenannte Maria vom Feuer – nach bilderstürmerischen Misshandlungen im Dreißigjährigen Kriege – als Geschenk des Regensburger Weihbischofs Albert Ernst von Wartenberg ins Kloster; Wartenberg richtete unter anderem in Regensburg die Kapelle Maria Läng ein. Unter den folgenden Darstellungen der Gottesmutter finden sich Nachbildungen zweier Marienbilder, deren Kult die Wittelsbacher besonders förderten: einmal Maria mit dem Kind, wie sie auf der Münchener Mariensäule steht (es handelt sich hier aber im strengen Sinne nicht – wie angegeben – um die Patrona Bavariae, die an der Residenz steht und die das Kind mit der Rechten hält), und dann die berühmte und weithin nachgebildete Maria vom Herzogspital. Die Verehrung der Mutter Jesu prägt sich am Landshuter Ursulinenkloster am deutlichsten aus im Kult um das Bild der Muttergottes mit dem geneigten Haupt: Dieses in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nach einem Vorbild in der Wiener Karmeliterkirche gemalte Bild ist seit 1699 auf dem Hochaltar der Landshuter Ursulinenkirche zur Verehrung als Gnadenbild ausgesetzt. Aufgrund der großen Bedeutung dieses Kultes für das Kloster ist ihm eine eigene Sektion im Katalog gewidmet, in der verschiedenste Arten der Kopie oder Bezugnahme vorgestellt werden – auch in Form von kleinen Nachbildungen für die private Andacht, gedruckten Wallfahrtszetteln oder Schluckbildchen – wie auch der konkrete Schmuck, der zur Ausstattung des Gnadenbildes selbst angefertigt wurde.

Ein zentrales Arbeitsfeld in Frauenklöstern der verschiedensten Orden ist das Herstellen sogenannter Klosterarbeiten. Auch dieser Bereich findet im Katalog seinen Niederschlag: Hier erhält man durch großformatige Fotografien der Arbeitsmittel und Materialien einen Eindruck davon, dass das Herstellen der Klosterarbeiten eine sehr langwierige Arbeit ist, die äußerst viel Geschick und Geduld erfordert; zudem offenbart die bunte Fülle von Kunstblumen, Papierstreifen und Glassteinchen, mit welch an sich profan aussehenden Stoffen der kostbare Glanz und das krause Flirren entstanden, die viele Reliquien umgeben. Entsprechend dem grundsätzlichen Ziel des Ursulinenordens, der Mädchenerziehung, sind in der folgenden Sektion einige Objekte zusammengefasst, die dem Thema der Erziehung Gestalt geben. Ebenso wird die Bedeutung der Hauswirtschaft für das Leben im Kloster in einer eigenen Sektion hervorgehoben, die immerhin mit einer kleinen Auswahl an Objekten diesen Bereich würdigt, der öffentlich sonst wenig Aufmerksamkeit erhält und dessen Instrumente einer stärkeren Abnutzung unterliegen und daher als historische Zeugnisse oftmals nicht mehr zur Verfügung stehen.

Mit dieser Fülle an Objekten eröffnet sich eine umfassende Schau, die einen beispielhaften Einblick gestattet in das von der Öffentlichkeit abgekehrte Leben im Kloster; nicht zuletzt die hervorragende Qualität der Abbildungen macht diesen Einblick umso eindrücklicher. Zugleich mag man auch eine gewisse Wehmut spüren, als hätte man die Überreste einer untergegangenen Kultur vor sich: Zwar haben die Schwestern das Kloster noch nicht lange verlassen, und es existiert ja immer noch eine größere Zahl an Klöstern; aber durch die Musealisierung wirkt diese Welt zeitlich weggerückt, und es ist mehr als eine Befürchtung, dass in naher Zukunft weitere Klöster werden schließen müssen – eine Folge desselben gesellschaftlichen Wandels, der die Zahl der Gottesdienstbesucher und Kirchenmitglieder schwinden lässt. Freilich denkt man dabei an das in jüngeren Debatten und Diskursen immer wieder bemühte ‚christliche Abendland‘, ein Schlagwort, bei dessen Einsatz das Christentum und seine Institutionen allenfalls nachrangige Bedeutung haben. (Würden all jene, die sich verbal die Verteidigung des christlichen Abendlandes so sehr angelegen sein lassen, regelmäßig den Gottesdienst besuchen, wären leere Kirchen kein Thema.) Feststeht jedenfalls, dass mit jeder Klosterschließung eine reiche und differenzierte Kultur zu Ende geht, die sich nicht konservieren lässt; dadurch kann sich die Empfindung eines Verlustes einstellen: Man steht den Klöstern sonst fern, mag es aber in gewisser Weise als beruhigend empfinden, dass es eine Institution gibt, die etwas pflegt, was seit Jahrhunderten Bestand hat, wenn es einem selbst auch fremd ist. Und mag auch die Feststellung, dass etwas Neues beginne, wo etwas aufhöre, tatsächlich mehr als eine Binsenweisheit sein, ist freilich nicht abzusehen, worin das Neue bestehen wird, das an die Stelle des Vergangenen treten wird.

Ob die Ausstellung und der Katalog darauf eine Antwort zu geben vermögen, steht dahin: Sie üben sich, ausgehend von einem historisch gewordenen Bestand, im Rückblick. Aber für das Finden eines Neuen erscheint ratsam, ermessen zu können, was vorausgegangen ist. Und das ist mit diesem intimen Einblick in das alltägliche klösterliche Wirken in anregender Weise gelungen.