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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Günter Frank/Maria Lucia Weigel (Hg.)

Reformation und Bildnis. Bildpropaganda im Zeitalter der Glaubensstreitigkeiten

(Kunst und Konfession in der Frühen Neuzeit 3), Regensburg/Bretten 2018, Schnell & Steiner/Europäische Melanchthon-Akademie, XVI, 240 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, zum Teil farbig
Rezensiert von Wolfgang Brückner
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 14.10.2019

Die Publikation geht auf das Symposium „Reformation und Bildnis“ aus dem Jahre 2015 der Europäischen Melanchthon-Akademie in Bretten zurück. Die Herausgeber sind wie auch die der Reihe Kunsthistoriker, so dass es nicht verwundert, vornehmlich Themen und Bilder der hohen Kunst, voran des Porträts, geboten zu bekommen. Es sollten Vorstudien zur Ausstellung „Reformatoren im Bildnis“ im Reformationsjahr 2017 werden. Obwohl im Untertitel die Begriffe „Bildpropaganda“ und „Gaubensstreitigkeiten“ benannt werden, sucht man vergebens nach dem berüchtigten „Bilderkampf“ der Reformation in Karikaturen und Schmäherfindungen und staunt am Ende über die vorteilhaften Porträts des Bilderfeindes Calvin, dessen Aussehen man sonst nur als Schreckgespenst kannte und kennt. Soviel zur falschen Erwartungshaltung durch einen irreführenden Buchtitel. „Bildnis“ war nun einmal theologisch umstritten und der Begriff lässt sich nicht ungestraft auf „Porträtkunst“ im Sinne heutiger Wissenschafts-Dispute übertragen.

Gott sei Dank gibt es hier dazu den erhellenden Beitrag des Mainzer Mediävisten Matthias Müller: „Bildnis und Bekenntnis. Zum Problem des ‚protestantischen‘ Herrscherporträts und seiner ‚Erfindung‘ in der Cranach-Werkstatt“ (63–79). Der Verfasser geht von der reichen Fachliteratur zum Herrscherporträt aus und unterscheidet „mimetische Präsenz“ und die „abstrahierende Distinktion“, und zwar aus heutiger Seherfahrung und der Selbstdarstellung international bekannter Politiker. Natürlich knüpft er dabei an gegenwärtige Porträtforschung an, die den Beginn der Gattung in der italienischen Renaissance sieht. Es geht um die Herstellung einer „visuellen Marke“. Müller findet sie für Martin Luther bei den Cranachs.

Auf diesen gewichtigen Beitrag laufen die vorangehenden vier Referate über „doctor Luthers contrafactur“ zu. Danach folgen sozusagen Varia über spätere Autoren, sprechende Porträts, Pfarrerporträts, Epitaphien und anderes. Zwei Beiträge wagen vorsichtige Blicke auf Historienmalerei und auf moderne, bisweilen kuriose „Lutherspuren in Rom“. Dass dabei sein Name auch als Ketzer auftaucht, z.B. auf den Büchern in einer Allegorie von Häretikern am Grabmal des Ignatius, erinnert an die hier nicht vermerkte systematische Darstellung der Irrgläubigen in den Kirchenfresken der Gegenreformation und des Barock, auch noch in der Malerei des frühen 19. Jahrhunderts bei der Schilderung von Höllenstürzen, der leidenden und triumphierenden Ecclesia in Süddeutschland, aber auch an die demonstrativen Ausweisungen Zwinglis und Calvins aus lutherischen Kirchen in Gemälden der Confessio Augustana. Positiv erscheint Luther natürlich in historistischen Monumentalgemälden wie bei Kaulbach 1864 im einstigen Treppenhaus des zerstörten Neuen Museums auf der Insel in Berlin (historische Farbaufnahme auf Seite 205).

Leider fehlt hier dann insgesamt die Kenntnis oder Bekanntmachung der langen Tradition lutherischer Bekenntnisbilder und deren graphischer Popularisationen in festen ikonographischen Zusammenhängen: einerseits als „Fels der Kirche“ zusammen mit Gustav Adolf von Schweden und andererseits als Verfechter der Abendmahls-Realpräsenz am Altar des Gekreuzigten. Das scheint den Erforschern von Reformationsfrühgeschichte und hoher Kunst offensichtlich Folklore zu sein, wiewohl doch erst die Porzellantassen mit Abbildungen des ersten Lutherdenkmals in Wittenberg dieses bekannt gemacht haben. Zu den Emporenmalereien fränkischer Dorfkirchen, davon meist gesondert, gehören die Kirchenporträts von Luther und Melanchthon. Die praxis pietatis brauchte immer schon konkrete Anregungen, und zu dem erst heute für die Geschichte des evangelischen Christentums insgesamt meist überschätzten „Hörreich“ gehörte im Luthertum schon immer auch das „Sehreich“, wie es der Nürnberger Emblem-Theologe Saubertus im 17. Jahrhundert formuliert hat.