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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Angelika Dreyer

Die Fresken von Joseph Mages (1729–1769). Zwischen barocker Frömmigkeit und katholischer Aufklärung

Regensburg 2017, Schnell & Steiner, 312 Seiten, 32 s/w Abbildungen, 52 farbige Illustrationen
Rezensiert von Markus Christopher Müller
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 04.11.2019

„Zwischen barocker Frömmigkeit und katholischer Aufklärung“ – bereits im Untertitel ihrer publizierten Promotionsschrift stellt Angelika Dreyer den Anspruch ihrer Arbeit heraus. Die „thematische Heterogenität“ (S. 12) der Werke des bisher kaum erforschten Freskanten Joseph Mages steht im Mittelpunkt ihrer Ausführungen. Dessen niedriges Bildungsniveau sieht die Autorin als Chance, in seinen Kunstwerken die Intention der Auftraggeber „umso ungetrübter und unveränderter“ (S. 12) rekonstruieren zu können. Entsprechend prominent finden sich die Auftraggeber von Mages in der Arbeit beleuchtet. Die Gliederung der Darstellung seines künstlerischen Wirkens richtet sich demnach nicht nach chronologischen oder räumlichen Kriterien, sondern nach den Auftraggebern der Werke des Freskanten: Die Benediktinerabteien St. Ulrich und Afra in Augsburg und Ebersmünster in Lothringen, die Stiftskirche in Bad Säckingen, das Augsburger Kanonikerstift St. Moritz mit der dazugehörenden Pfarrkirche Dillishausen, verschiedene Augsburger Patrizierhäuser, das Zisterzienserinnenkloster Oberschönenfeld und der Doppelkonvent der Birgitten in Altomünster. Dreyer stellt ihre Arbeit damit bewusst in eine stärker werdende Strömung innerhalb der kunsthistorischen Forschungen zum 18. Jahrhundert, die den Zusammenhang zwischen ideengeschichtlichen Entwicklungen und Reformen in ihrer materiellen Ausformung nicht nur auf dem Papier, sondern im vorliegenden Fall im gemalten Fresko zu rekonstruieren versuchen.

Ihre Arbeit beginnt Dreyer mit einer biographischen Skizze von Joseph Mages, in der sie versucht, besonders die Rolle der Ausbildung quellenmäßig zu fassen. Denn die Jugend- und Lehrjahre des 1729 geborenen Mages in Tirol liegen ebenso im Ungewissen wie ein eventueller Besuch der Kunstakademie in Wien, den der Künstler selbst in Umlauf brachte. Dreyer dagegen plädiert dafür, diese Behauptung als „autobiographische Korrektur seines Lebensweges“ (S. 22) zu betrachten. Stattdessen geht sie davon aus, Mages habe seine Schulung vor allem durch den Tiroler Priester und Baudirektor Franz de Paula Penz erhalten. Um das Jahr 1750 dann ging Mages nach Augsburg, wo er die Tochter seines Lehrmeisters Johann Georg Rothbletz ehelichte und so selbst die Meistergerechtigkeit erhielt. Bis zu seinem Tod im Jahr 1769 blieb der Freskant in der Reichsstadt am Lech, von wo aus er gemeinsam mit seinen Beschäftigten seine künstlerische Produktivität entfaltete. Mit Blick auf die biographische Skizze ist sicherlich das Bemühen der Autorin positiv zu würdigen, möglichst auch alle sozialgeschichtlichen Quellen heranzuziehen – ein Anspruch, der die Arbeit durchzieht.

Den Hauptteil der vorliegenden Arbeitet leitet Dreyer mit der Diskussion des Begriffs der „katholischen Aufklärung“ ein, in der sie der von Sebastian Merkle zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgestellten Definition folgt. Kircheninterne Reformprogramme besonders mit Blick auf die Reduzierung barocker Frömmigkeitsformen und die damit verbundene Suche nach einer neuen Christozentrik auch in der Kunst bilden den inhaltlichen Schwerpunkt der kunsthistorischen Verwendung des Analysekonzeptes.

Für das Freskenprogramm verschiedener zum reichsunmittelbaren Benediktinerkloster St. Ulrich gehörender Pfarrkirchen, etwa in Dasing und Häder und der Schlosskirche in Hardt, zeichnete Abt Joseph Maria von Langemantel verantwortlich: Während die Autorin in den Dasinger Fresken die „Regeln der katholischen Rhetorik des süddeutschen Barock“ (S. 65) erkennen will, könne man die Pfarrkirche von Dillishausen dagegen „ohne Bedenken der Kategorie der katholischen Aufklärung zuordnen“ (S. 65). Diese ließ der Augsburger Stiftsdekan von St. Moritz, Giovanni Battista Bassi, renovieren. Der gebürtige Bologneser war mit dem in Italien aufgewachsenen Augsburger Fürstbischof Joseph Landgraf von Hessen-Darmstadt nach Deutschland gekommen. Zusammen mit dem Pollinger Augustinerchorherren Eusebius Amort stand er hinter den kirchlichen Reformplänen der Diözese. Zu Recht betont Dreyer deshalb die Rolle des italienischen Theologen Giovanni Ludovico Muratori für die kirchlichen Reformpläne in Augsburg, da dessen Schriften auch nördlich der Alpen eine breite Rezeption erfuhren. Fraglich bleibt gerade deshalb allerdings, wie die Autorin dazu kommt, einen künstlichen Gegensatz zwischen einer „streckenweise überaus konservativ-moralischen Ausrichtung“ (S. 189) des Augsburger Bischofs und den Anliegen der katholischen Aufklärung zu konstruieren. Gerade die Aufklärung mit ihrem pädagogischen Impetus beinhaltete ja notwendigerweise das Mühen um die moralisch-sittliche Vervollkommnung des Menschen.

An vielen Stellen gelingt es der Autorin in hervorragender Weise, ihre kunsthistorischen Analysen mit einer sozialhistorischen sowie auch mit einer ideengeschichtlichen Einbettung zu verbinden. So bettet sie die Finanzierung und Ausführung der bildlichen Ausstattung des im Kurfürstentum Bayern liegenden Klosters Altomünster in die staatskirchenrechtlichen Debatten um die Amortisation ein, welche die bayerischen Konvente nicht nur unter materiellen Druck setzten (S. 247-251). Dabei geht sie in weiten Teilen sehr differenziert vor, ohne einer monokausalen Begründungsstrategie zu verfallen. Schwierigkeiten zeigen sich allerdings bei der etwas zu akzentuiert herausgestellten sogenannten katholischen Aufklärung. Fraglich scheint nämlich, ob es der starken Betonung dieser Analysekategorie für die gesamte Arbeit bedurft hätte, da die Autorin etwa bei der Rekonstruktion der Fresken von Ebersmünster ungeachtet ihrer historisch methodisch zielführenden Analysen völlig ohne Verweis darauf auskommt. Auch bei der Interpretation der Werke in den Augsburger Bürgerhäusern spielt das Analyseinstrument keine Rolle.

Die Autorin bleibt zusammenfassend nicht bei einer katalogartigen Erfassung oder einer chronologisch-additiven Vorstellung des Oeuvres von Joseph Mages stehen – freilich leistet sie auch dies – sondern versucht, darüber hinaus die sozialhistorischen Entstehungsbedingungen ebenso wie die theologischen Vorstellungen der Auftraggeber zu rekonstruieren, die sich in den Fresken widerspiegeln. Diese werden dem Leser durch qualitativ hochwertige Abbildungen vor Augen gestellt. Manchmal wirken die Rekonstruktionsversuche etwas zu stark schematisch, nichtsdestotrotz stellt die vorliegende Veröffentlichung für das hochaktuelle Forschungsgebiet der visuellen Umsetzung von Reformideen der katholischen Aufklärung im süddeutschen Raum sicherlich einen wichtigen Beitrag dar. Die disziplinenübergreifende Analyse des Phänomens Aufklärung, auch in seiner katholisch-konfessionellen Ausformung, verlangt weitere derartige Studien, wie sie Dreyer vorlegt.