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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Ralf Banken

Hitlers Steuerstaat. Die Steuerpolitik im Dritten Reich

(Das Reichsfinanzministerium im Dritten Reich 2), Berlin, Boston 2018, De Gruyter Oldenbourg, 668 Seiten
Rezensiert von Paul Hoser
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 23.06.2020

Die Finanzgeschichte öffentlicher Institutionen ist ein schwieriges Problem, dem Historiker bei deren Erforschung gern aus dem Wege gehen. Neuerdings hat der Mut, sich auch damit auseinanderzusetzen zugenommen, wie etwa Paul Moritz Rabes Buch über die kommunale Finanzpolitik in München zwischen 1933 und 1945 zeigt. Bankens Studie ist Teil eines Forschungsprojekts über die Politik des Reichsfinanzministeriums im Dritten Reich, aus dem bereits zwei weitere Arbeiten vorliegen.

Die Grundlagen des noch heute in Deutschland praktizierten staatlichen Steuersystems wurden bereits 1921 durch die Reformen des damaligen Reichsfinanzministers Erzberger gelegt, die durch die Hinterlassenschaften des Ersten Weltkriegs unausweichlich geworden waren. Bekanntlich waren die Länder dabei die Verlierer. Ein Finanzausgleich, der diese Situation verbessert hätte, gelang während der Weimarer Republik nicht. In der Zeit der Herrschaft der Nationalsozialisten verschob sich die Verteilung der Steuern noch weiter zu ihren Ungunsten, besonders stark während des Zweiten Weltkriegs. Die Steuerhoheit der Länder war spätestens 1936 aufgehoben. Besser waren die Kommunen gestellt, die mit Hilfe der Grund- und der Gewerbesteuer ihre Schuldensituation wesentlich verbessern konnten

Hohe Summen eingenommener Gelder flossen nicht mehr in den Reichshaushalt, sondern an diesem vorbei an die Wehrmacht, die SS und die NSDAP. 1938/39 hatten sich die Einnahmen im Reichshaushalt gegenüber 1933/34 verdoppelt, 1942/43 erreichten sie den Höchstwert, ab September 1944 aber befanden sie sich im freien Fall. Der Anteil der Steuereinnahmen an den Gesamteinnahmen des ordentlichen Reichshaushalts fiel schon seit 1933 ständig. Damals hatte er noch 88 % betragen, 1943 waren es nur mehr 39,5 %.

Die hemmungslose Kredit- und Schuldenwirtschaft, die schon die Aufrüstung ermöglicht hatte, kannte im Krieg keine Grenzen mehr. Die kurzfristigen Schulden hatten dabei den Löwenanteil. 1944 überstieg die Reichsschuld die Steuereinnahmen um das Siebenfache, 58 % der Gesamtausgaben wurden zum Kriegsende für die laufende Rückzahlung der Schulden verbraucht. Bei den Kriegsgegnern waren die Verhältnisse solider.

Schon vor dem Krieg war der Haushaltsausgleich in zunehmende Maß nicht mehr möglich. Als Reichsbankpräsident Schacht die unsolide Finanzpolitik, die auch er lange mit ermöglicht hatte, für nicht mehr vertretbar hielt, entließ ihn Hitler im Januar 1939. Für das Grundproblem, entweder durch unpopuläre Steuerhöhungen auch die breite Arbeiterschaft zusätzlich zu belasten oder die Währung inflationär zu untergraben, fand sich kein Ausweg. Die Hoffnung, alles durch Ausplünderung der im Krieg besetzten Gebiete lösen zu können, erwies sich als trügerisch. Grundsätzlich verfolgte man weiter den Kurs der exorbitanten Verschuldung.

Mit Fritz Reinhardt, einem Fachmann für Wirtschafts- und Steuerfragen, der der erste Gauleiter von Oberbayern gewesen war, hatte die Partei einen überzeugten Anhänger im Ministerium. Als Staatssekretär kam er gleich nach dem Minister. Er besetzte im Zug des Machtausbaus die Personalreferate in den vorgefundenen drei Hauptabteilungen des Ministeriums mit aktiven Nationalsozialisten. Ebenso nahm er Einfluss auf die Besetzung der Posten in den Oberfinanzpräsidien.

Dennoch hatten für ihn nicht die Politik der Partei, sondern die Interessen des Ministeriums Vorrang. Versuchte Übergriffe nationalsozialistischer Parteiorganisationen wehrte auch er ab. Dies taten er und der Minister Graf Schwerin von Krosigk jedoch nur zum Schutz des eigenen Machtbereichs, nicht zur Abwehr sachfremder Begehrlichkeiten der Partei. Nach 1945 war diese Behauptung ein viel verwendetes Muster der Selbstrechtfertigung. Als fachkundige Konkurrenz blieb noch bis zum Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 das preußische Finanzministerium unter Johannes Popitz bestehen, der dann als einer der Verstrickten Hitlers Rache zum Opfer fiel. Die von Reichsinnenminister Frick geplante Errichtung eines Reichsschatzministeriums konnte als unliebsame Konkurrenz verhindert werden.

Auf die Besteuerung der NSDAP und einer Reihe ihrer Nebenorganisationen musste das Reichsfinanzministerium verzichten; ebenso gewährte Hitler Günstlingen persönlich Steuerbefreiungen. Seine eigenen Einnahmen waren für die Finanzbehörden tabu. Reichschatzmeister Schwarz gab dem Ministerium keinerlei Einblick in die Finanzen der Partei. Andererseits gaben dieses und die ihm unterstellten Ämter trotz des formell weiterbestehenden Steuergeheimnisses immer wieder Auskünfte an Parteiinstanzen und die Gestapo.

Die Einspruchsmöglichkeiten Betroffener in Steuerangelegenheiten wurden erheblich reduziert. Ab 1936 konnten säumige Steuerzahler sogar in der Presse angeprangert werden. Reinhardt sah in Steuerberatern den verlängerten Arm der Finanzverwaltung. Der Datenabgleich mit vielen Institutionen und auch der der Finanzämter untereinander wurde intensiviert, wodurch zahlreiche Steuerhinterziehungen aufgedeckt wurden. Nur die Möglichkeit der Zahlung einer Belohnung für die Denunziation von Steuerhinterziehungen erwies sich noch nicht als wirksam.

Banken bringt gegen die These Götz Alys von der „Wohlfühl“-Diktatur, die die unteren Schichten steuerlich verschont habe, den Einwand vor, dass die von Aly angeführten absoluten Zahlenwerte nichts über die tatsächliche Belastung der Gesamtbevölkerung oder bestimmter Schichten aussagen. Außerdem könne man Alys Behauptung, dass Briten und Amerikaner ihre Bevölkerungen höher besteuert hätten, eindeutig faktisch widerlegen.

Detailliert setzt sich Banken auch mit den zahlreichen speziellen Steuermaßnahmen auseinander, die der Verfolgung der jüdischen Deutschen dienten. Höhepunkt war das Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941, womit das gesamte Vermögen von Juden dem Reich verfiel.

Die katholische Kirche behielt nach dem Reichskonkordat von 1933 ihr Besteuerungsrecht. Der Leiter der Parteikanzlei, Martin Bormann, wollte die Eintreibung der Kirchensteuern durch den Staat abgeschafft sehen, konnte sich aber nicht durchsetzen. Noch 1942 lehnte Hitler dies ab. Bormann und Reinhardt erreichten nur für Bayern, dass dort die Kirchensteuer durch eigene kirchliche Steuerämter eingezogen werden musste. Immer mehr reduziert wurden Steuervergünstigungen für die Kirchen. Auch die Steuerpraxis gegenüber den Klöstern wurde verschärft. Bei den Diskussionen über die Kirchensteuer spielte aber das Reichsfinanzministerium nicht die führende Rolle.

Die Finanzverwaltung blieb auch nach 1945 intakt. Die Finanzämter funktionierten schnell wieder. Nach Bankens Urteil waren die Sanktionen der Nationalsozialisten auch in der Bundesrepublik im Sinne einer verbesserten Steuermoral noch wirksam.

Zum Fazit Bankens gehört die Erkenntnis, dass ohne das Reichsfinanzministerium weder die Aufrüstung noch die Kriegsführung möglich gewesen wären. Schwerin von Krosigk und Reinhardt waren stets willfährige Handlanger Hitlers. Dieser wiederum überschätzte letztlich seine finanzpolitischen Handlungsmöglichkeiten. Beide verhinderten nicht, wie sie später zur ihre Rechtfertigung vorbrachten, Schlimmeres, sondern trugen erheblich zur Katastrophe bei. Auch die steuerliche Verfolgung der Juden hatten sie wesentlich mit zu verantworten.

Bankens Studie ist, wie er selbst hervorhebt, die erste zu dem Thema, die auf breiter Archivbasis ruht. Die Kenntnis der Finanzproblematik trägt erheblich zum Verständnis der allgemeinen Politik bei. Die Arbeit ist in jeder Hinsicht eine Pioniertat.

Ein Nachteil, der das Lesen erschwert, ist, dass zu viele für das allgemeine Verständnis nicht unbedingt erforderliche Details gebracht werden. So werden beispielsweise seitenweise Verordnungen und Entwürfe zu Nebenfragen mit allen Nuancen aneinandergereiht und auch die steuerliche Belastung von Unternehmen in den allerletzten Feinheiten geschildert. Genauer hätte man gern erfahren, wie die allgemein geltende Reichsfluchtsteuer zum speziell antijüdischen Instrument umgewandelt wurde, bzw. ob nicht jüdische Auswanderer möglicherweise bevorzugt wurden. Eine Stilblüte findet man auf S. 540, wo von ausgebürgerten Emigranten die Rede ist, die „rückständige Steuern besaßen“.

Bei manchen der erwähnten Personen hätte man sich zusätzliche Angaben gewünscht. So wird Otto Ohlendorf nur als ein Mann des Reichswirtschaftsministeriums erwähnt, der Kritik an einer Maßnahme der Reichsfinanzverwaltung übte und nicht als der Massenmörder genannt, der er dann später war. Bei dem als Beamter des Statistischen Reichsamts erwähnten Otto Barbarino, der schon die Überspannung aller Kräfte durch die nationalsozialistische Finanzpolitik erkannte, hätte es auch nicht geschadet, hinzuzufügen, dass er später die führende Figur im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen war.

Was Hitlers persönliche Finanzen anbetrifft, hätte der Autor besser auf die Anführung des weitgehend unseriösen Buchs von Chris Whetton „Hitlers’s Fortune“ verzichtet.

Diese kleinen Kritikpunkte sollen aber nicht die grundsätzliche Bedeutung des Buchs und die große Leistung des Autors schmälern.

Man kann außerhalb des von ihm zu verantwortenden Bereichs nur darüber spekulieren, warum die beiden früheren Bände des Projekts ein Personenregister haben, dieser Band aber nicht, obwohl es gerade hier sehr nützlich wäre.