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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Maria Magdalena Zunker OSB

Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Eichstätt 2: Die Benediktinerinnenabtei St. Walburg in Eichstätt

(Germania Sacra, Dritte Folge 15), Berlin u.a. 2018, de Gruyter, XVIII, 859 Seiten, 17 farbige Abbildungen
Rezensiert von Markus Christopher Müller
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 29.06.2020

Im Jahr 1035 wurde die Benediktinerinnenabtei St. Walburg gegründet. Diese fast tausend Jahre Klostergeschichte finden sich nun auf hohem wissenschaftlichen Niveau in einem neuen Band der Germania Sacra mit fast ebenso vielen Seiten wieder. Verfasst wurde er von Maria Magdalena Zunker OSB, der Archivarin der bis heute bestehenden Abtei St. Walburg. Sie forschte über mehr als ein Jahrzehnt lang in den Beständen des Klosterarchivs, des Eichstätter Diözesanarchivs, des Nürnberger Staatsarchivs und des Bayerischen Hauptstaatsarchivs in München. Im Gegensatz zu vielen anderen Bänden der Germania Sacra konnte Zunker hauptsächlich auf hauseigene Bestände ihres eigenen Klosterarchivs zurückgreifen. Diese einmalige Überlieferungssituation ergab sich, da resolute Nonnen 1806 der bayerischen Säkularisationsanordnung des neuen bayerischen Königs nicht gehorchten und so die Zeit bis zur offiziellen Wiedererrichtung im Jahr 1835 unter König Ludwig I. in der Kontinuität klösterlichen Lebens überstanden. Trotzdem zeigt sich die Quellenlage sehr heterogen, da eine Klosterreform in der Mitte des 15. Jahrhunderts den Verlust des bis dato geführten Schriftgutes nach sich zog.

In dem vorliegenden Band erschloss die Autorin ein reiches Quellenmaterial zur Personen-, Besitz- und Wirtschaftsgeschichte des Klosters, aber auch zur Geschichte der Wallfahrt zur heiligen Walburga. An deren Grablege hatte Graf Leodegar von Graisbach-Lechsgemünd im Jahr 1035 ein Kloster gegründet und dem Eichstätter Bischof als Eigenkloster mit dem Recht, die Äbtissin zu ernennen, übergeben. Luzide zeigt Zunker auf, dass bereits vor dieser Gründung klösterliches Leben am Grab der Heiligen existierte, womöglich bereits in den 70er Jahren des 9. Jahrhunderts (S. 117f.). Der Walburgakult an der vielbesuchten Wallfahrtsstätte nahm jedenfalls seitdem eine zentrale Stellung im geistlichen wie im wirtschaftlichen Leben der Benediktinerinnen ein. Eine historisch-kritisch aufbereitete Biographie der Heiligen findet sich im Abschnitt zum Patrozinium der Kirche (S. 112-115).

Nach der Darstellung von Forschungsstand und Quellenlage widmet sich die Autorin der Baugeschichte des Klosters. Dabei gelingt es ihr, den Zusammenhang zwischen Kloster-, Bau- und Kunstgeschichte durch Einbettung der architektonischen Entwicklung von St. Walburg in wirtschaftlich-lebensweltliche Zusammenhänge kontextualisiert herauszustellen.

In einem dritten historischen Übersichtskapitel zeigt sie den Verlauf der Klostergeschichte von der Gründung bis ins Jahr 1817, als nach der Säkularisation zunächst Eugène de Beauharnais, der Stiefsohn Napoleon Bonapartes, das bayerische Fürstentum Eichstätt und damit auch die Abtei St. Walburg regierte. Noch zum Ende desselben Jahres erwarb dessen eigene herzogliche Familie von Leuchtenberg das Klostergebäude, welches es den noch lebenden Schwestern zur Nutzung überließ. In einem kurzen Ausblick thematisiert Zunker auch das weitere Schicksal des Klosters bis heute. Dabei betont sie besonders den persönlichen Einsatz König Ludwigs I. für den Fortbestand der Benediktinerinnenabtei, der sich in den Quellen eindeutig fassen lässt (S. 162).

Ein viertes sehr umfangreiches Kapitel widmet sich Verfassung und Verwaltung. Darin stellt die Autorin die Beziehungen des Klosters zu Kaiser und Reich, zur Kurie und zum Eichstätter Bischof dar, der spätestens mit der Entstehung eines eigenständigen hochstiftischen Territoriums gleichzeitig auch als Landesherr fungierte. Sehr quellennah differenziert die Autorin hier die beiden Rollen des Bischofs in seiner geistlichen und weltlichen Jurisdiktion gegenüber dem Kloster. Ergänzend stellt sie auch das Verhältnis der Benediktinerinnen zum bayerischen Herzog dar, in dessen Territorium Besitzungen der Abtei lagen; sie gehörte damit auch zu den bayerischen Landständen. Darauf folgen Ausführungen zu den inneren Verhältnissen des Klosters mit der Äbtissin an der Spitze, vertreten von einer Priorin und weiteren Ämtern. Bis zur Reformation entstammte die Mehrzahl der Konventfrauen dem niederen fränkischen Adel. Mit dem Übertritt viele dieser Familien zum Protestantismus allerdings wurde St. Walburg zu einem mehrheitlich bürgerlichen Konvent (S. 241). Danach stellt Zunker in einer breiten kulturwissenschaftlichen Herangehensweise den Lebensalltag der Nonnen mit Blick auf Tagesablauf, Kleidung, Ernährung, Krankheit und Tod ausführlich dar, ohne dabei das Konfliktpotenzial zwischen Konventschwestern und Laienschwestern auszublenden (S. 270f.). Ausführlich und quellennah arbeitet sie zudem die rechtlichen Rahmenbedingungen, besonders im Zusammenhang mit den mittelalterlichen Vögten heraus, um dann einen Überblick über das weltliche Personal des Klosters zu geben. Eine besonders interessante Konstellation zeigt sich bei den von der Abtei St. Walburg abhängigen Pfarreien (S. 340-372), für welche die Äbtissin als Patronatsherrin das Präsentationsrecht besaß. Der neuernannte Pfarrer hatte dann der Äbtissin und dem Kloster einen umfangreichen Treueid zu leisten. Das Kapitel schließt mit einer knappen Darstellung der von Konvent und Abtei geführten Wappen und Siegel.

In einem fünften Kapitel widmet sich die Autorin dem religiösen und geistlichen Leben von St. Walburg. Liturgie und Chorgebet der Benediktinerinnen rekonstruiert sie ausgehend von erhaltenen liturgischen Büchern. Besondere Berücksichtigung kommt auch hier der Verehrung der heiligen Walburga zu (S. 398-417), die an deren Grab entstand, das die Autorin als „geistliche Mitte des Klosters“ (S. 398) bezeichnet. Erwähnung findet dabei auch das Walburgisöl, das zum festen Bestandteil des klösterlichen Selbstverständnisses wurde, etwa auf Porträts von Äbtissinnen, auf denen es nicht fehlen durfte (S. 411). Darauf folgt ein Abschnitt zum Stifter (§ 28.), Graf Leodegar, dessen Todestag bis heute als Stiftertag gefeiert wird. Mit der ausführlichen Darstellung von Reliquien, Brauchtum, Bruderschaften, Jahrtagen, Ablässen etc. geht die Autorin weit über eine reine Institutionengeschichte hinaus und spannt einen umfassenden kulturhistorischen Rahmen vom Spätmittelalter bis zur Säkularisation auf. Als ebenso gelungen sind Zunkers Ausführungen zum geistigen Leben des Klosters zu bezeichnen, worunter sie Geschichtsschreibung sowie künstlerisches und musikalisches Schaffen fasst; dabei sind besonders die Instrumenten- und Musikaliensammlung in St. Walburg zu betonen.

Ein sechstes Kapitel befasst sich mit den Besitzverhältnissen des Klosters. Darin geht die Autorin neben dem Grundbesitz auch auf die Brauerei, Birk- und Fischerhöfe sowie die Bewirtschaftung der Hofmarken ein. Detailliert werden auch wirtschaftshistorisch relevante quantitative Daten präsentiert, die den Zehnt, Fischereirechte, Forstwirtschaft und Mühlen betreffen. Eine ausführliche, alphabetisch sortierte Liste der Klostergüter (§ 41.) bietet eine leserfreundliche Übersicht der Besitzverhältnisse des Klosters.

Daran schließt sich ein siebtes Kapitel an, das Personallisten der Abtei umfasst, beginnend mit den Äbtissinnen, als deren erste die Autorin Imma, die Cousine des Stifters Leodegar, aufführt, die auf dem Salzburger Nonnberg erzogen worden war. Darauf folgen deren Nachfolgerinnen bis zu Maria Anna Francisca Duscherin, die bis 1808 den Konvent leitete. Jeder Äbtissin widmet Zunker einen eigenen kurzen biographischen Überblick. Es folgen Listen der Konventfrauen (sorores velatae) sowie der Laienschwestern (sorores donatae), jeweils in chronologischer Reihenfolge.

Ein für die weitere Forschung besonders hilfreiches Register mit allen in der dargestellten Klostergeschichte genannten Orts- und Personennamen schließt den Band ab. Angehängte Abbildungen illustrieren mit der künstlerischen wie schriftlichen Überlieferung die Klostergeschichte; die angehängten Karten erleichtern die Verortung innerhalb des süddeutschen Raumes.

Insgesamt gelingt es Maria Magdalena Zunker OSB, den Schemata der Germania Sacra folgend, durch eine überaus akribische Auswertung der zur Verfügung stehenden Quellen ein umfassendes Bild der Geschichte ihres Klosters zu zeichnen. Sie bleibt nicht bei der Erhebung quantitativer Daten, personeller Informationen und institutioneller Veränderungen stehen, sondern schreibt mit dem vorliegenden Band eine breit angelegt alle klösterlichen Lebenswelten der Vormoderne umfassende Geschichte der Abtei St. Walburg in Eichstätt. Ihr Werk eignet sich deshalb nicht nur als Nachschlagewerk zur Kloster-, Ordens-, Stadt- und Regionalgeschichte, sondern bietet dem Leser auch ein breites Panorama zur Kulturgeschichte eines der wichtigsten Frauenklöster im deutschsprachigen Raum, das den reichen Ertrag der langjährigen Forschungen der Autorin bildet.