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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Ivana Scharf/Dagmar Wunderlich/Julia Heisig

Museen und Outreach. Outreach als strategisches Diversity-Instrument

Münster/New York 2018, Waxmann, 138 Seiten mit 14 Abbildungen, teils farbig, 14 Tabellen, ISBN 978-3-8309-3687-9
Rezensiert von Esther Gajek
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 24.07.2020

Museen: eine gemeinnützige Organisation, in der Artefakte aus der Vergangenheit und der Gegenwart gesammelt, aufbewahrt, den Besucher*innen präsentiert und an sie vermittelt werden. In zunehmendem Maße gehen Museumsmitarbeiter*innen mit musealen Exponaten und Themen aber auch nach außen, um Menschen zu erreichen, die noch keine Museen besucht haben oder dies nicht mehr können: Outreach-Programme finden statt. Im Detail verstehen die drei Autorinnen darunter einen „systematischen Prozess, bei dem die Kulturinstitution strategische Maßnahmen abteilungsübergreifend plant, durchführt und evaluiert, um Gesellschaftsgruppen einzubeziehen, die das Kulturangebot aus unterschiedlichen Gründen nicht eigeninitiativ wahrnehmen“ (13). Ziel sei es, zunächst die Diversität der Gesellschaft stärker als bisher innerhalb der Museumsbesucher*innen abzubilden, aber auch die Institution als Ganzes thematisch und personell so aufzustellen, dass eine möglichst große Verschiedenheit repräsentiert werde.

Die drei Autorinnen, Kulturvermittlerinnen und -managerinnen, setzen sich einerseits bei ihren Projekten theoretisch mit dem Thema Outreach auseinander oder konzipieren – praxisbezogen – seit 2007 Formate, bei denen sie die musealen Räumlichkeiten verlassen und z. B. in Schulen Museumsinhalte vermitteln. Ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit dem speziellen Format bündeln sie in dem vorliegenden Band.

Die drei einführenden Kapitel handeln von der grundsätzlich hohen Bedeutung, die Outreach hat. Ferner korrelieren die Autorinnen aktuelle Zahlen von Museumsbesuchen mit sozio-demographischen Daten zum (in Deutschland relativ homogenen, vor allem akademischen) Museumspublikum und zeigen des Weiteren, wie sich Outreach-Programme seit Jahrzehnten entwickelt haben. Gerade diese Auflistung (von Museumskoffern, mobilen Museen bis hin zu digitalen Sammlungen und Apps) und das Nachzeichnen der historischen Genese führen die bereits vorhandene Breite der Angebote auf. Sie werden noch durch die Inhalte des vierten Kapitels untermauert sowie ergänzt: Praxisbeispiele aus Berlin (Jüdisches Museum Berlin: „on.tour“, museale Programme in Schulen deutschlandweit), Frankfurt am Main (Historisches Museum: „Stadtlabor unterwegs“ – partizipative Ausstellungen mit Bewohner*innen von Stadtteilen vor Ort), Glasgow (Open Museum: Ermöglichen sozialer Erfahrungen durch ausleihbare Museumsobjekte), Kopenhagen (Københavns Museum: interaktive digitale Wand, in der Stadt aufgestellt, mit musealen Inhalten bestückt) und Amsterdam (Rijksmuseum: breite Online-Kommunikation, v. a. Bereitstellung von Kunstwerken als Dateien). Abschließende Beispiele von Outreach-Programmen an einem Opernhaus und einem Orchester zeigen deren Relevanz in anderen Kulturbetrieben und geben weitere Anregungen. Als Leser*in dieses Kapitels hätte man sich – im Gegensatz zu den in der Fachwelt weitgehend bekannten Beispielen aus den großstädtischen Vorzeige-Museen mit erheblichem Etat – auch bisher unveröffentlichte Outreach-Programme aus kleineren Häusern mit geringerem Etat gewünscht. Ebenso hätte es die Argumentation des Bandes geschärft, einen differenzierteren Blick auf die Beispiele zu werfen. Gerade ein vermeintliches Handbuch zu einem Thema sollte über die Erfolgsberichte hinausgehen und auch die sicher vorhandenen Schwierigkeiten beim Ein- und Durchführen dieses neuen Formates artikulieren.

Das letzte Kapitel gibt eine konzentrierte Zusammenfassung und sei besonders zur Lektüre empfohlen. Noch einmal betonen die Autorinnen das Potential, das Outreach-Programme für Museen besitzen: zur Besucher*innen-Entwicklung, aber auch zur Ausrichtung der Organisation Museum an sich. Wenn es gälte, als öffentlich geförderte Kulturinstitution Vorbildfunktion in einer diversen Gesellschaft zu übernehmen, führe kein Weg an Outreach-Programmen vorbei. Das Aufgeben der Deutungshoheit, ergebnisoffene Prozesse und mit dem Publikum „auf Augenhöhe“ zu sein, stellten für die Museen keinen Verlust dar, sondern einen inhaltlichen Gewinn.

Outreach-Programme bilden nicht die einzige erfolgversprechende Strategie, um eine höhere Diversität im Museumspublikum zu gewährleisten, aber sie sind ein sehr wichtiger Baustein. Der vorliegende Band gibt hierzu einen guten Überblick.