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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Gerhard Batz

Bekleidung im Dorf Hausen 1570–1806. Bespiel einer nürnbergischen Landgemeinde in Oberfranken

(Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte 105), Bamberg/Würzburg 2019, Verlag der Bayerischen Blätter für Volkskunde, 159 Seiten mit 10 Abbildungen, 7 Grafiken, ISSN 0721-068-X
Rezensiert von Monika Ständecke
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 10.07.2020

Die Gemeinde Hausen gilt „als einer der bekanntesten Trachtenorte des Regierungsbezirks Oberfranken“ (7). „Entdeckt“ wurde die dortige Tracht Mitte des 19. Jahrhunderts. Seit den 1920er Jahren gibt es immer wieder Veröffentlichungen, die deren Besonderheiten betonen. Darüber klärt Gerhard Batz die Leserschaft gleich zu Beginn seiner Studie auf. Ihm selbst, als dem ehrenamtlich tätigen Heimatpfleger und Museumsleiter vor Ort, ist die Form der Tracht bekannt, leider teilt er der Leserschaft dazu jedoch nichts Näheres mit. Stets ist zwischen den Zeilen die Hoffnung des Autors herauszulesen, dass sich aus seiner aufwändigen Arbeit Hinweise auf frühe örtliche Besonderheiten oder auf die Historizität einzelner Merkmale der heute bekannten Hausener Tracht ergeben mögen. Enttäuscht, hier nichts zu finden, verzichtete er dann letztlich leider darauf, das Ergebnis seiner Arbeit zusammenzufassen.

Gerhard Batz Verdienst ist es, eine für eine einzelne Landgemeinde erstaunlich große Zahl von Inventaren mit Kleiderlisten ausfindig gemacht zu haben. Diese stammen aus dem Stadtarchiv Nürnberg (Landesalmosenamt, Heilig-Geist-Spital, Patrizierfamilie Löffelholz), dem Archiv der Scheurl’schen Familienstiftung in Fischbach (einer Patrizierfamilie mit Grundbesitz in Hausen) und dem Staatsarchiv Bamberg (Pfarrer-Inventare). Der Autor, ehemals „zahlenorientierter Marktforscher mit langjähriger Verantwortung für die Textilmarktforschung eines Versandhandelsunternehmens“, konzentriert sich darauf, an Hand der Archivalien qualitative und quantitative Aussagen zum dörflichen Kleidungsbestand zu machen: Was wird in welcher Zeit wie häufig benannt? Welchen Wert hatte es? Welches Material und welche Farbe spielten eine Rolle?

Die 104 ausgewerteten Inventare erwähnen 508 Einzelstücke an Männer- und 1 066 an Frauenkleidung. Entsprechend fallen die Ausführungen zur Männer- und Frauenkleidung unterschiedlich lang aus (Männer, 26–48 und Frauen, 48–87). In Zusammenhang mit der erstgenannten thematisiert er auch das „städtische Textilhandwerk“, mit der letztgenannten die „ländliche Leinenproduktion“. Zuerst trifft er Aussagen zur „Grundausstattung“ beider Geschlechter. Sie stützen sich jeweils auf ein beispielhaftes Einbringungsverzeichnis und die statistische Auswertung des gesamten Untersuchungsbestandes. Die Ergebnisse sind grafisch veranschaulicht. Fassbar werden so z. B. die „Struktur“ der „Basis-Bekleidung“ von Männern und Frauen (27 und 50) sowie die „Verteilung der Materialien“ (29 und 51). Der Beschreibung der Grundausstattung folgen jeweils Absätze zu einzelnen Stücken der Garderobe. Im Abschnitt Frauenkleidung bündeln Grafiken Informationen über das „Zusammenspiel von Rock, Brust, Brustfleck und Fürstecker“ (58), deren Farben (60) sowie zu Frauenhauben und Kopftüchern (79). Die Untersuchung lässt Tendenzen erkennen, wie das Ablegen der Hauben zugunsten von Kopftüchern im Lauf des 18. Jahrhunderts oder das Verschwinden des Brustflecks nach dem ersten Drittel desselben Jahrhunderts. Historische Begriffe erläutert der Autor mit historischen Nachschlagewerken (Amaranthes „Frauenzimmer-Lexikon“ [1739], Krünitz „Oekonomische Encyklopädie“ [1773–1858]) und Fachliteratur (z. B. Jutta Zander-Seidel „Kleiderwechsel“ [2002], Barbara Knüttel „Manns- und Weibskleider in Unterfranken“ [1983]). Ergänzende Quellen, bildliche wie schriftliche, bezieht der Autor hier nur sehr begrenzt mit ein (die Abbildungen „Fränkische Marktfrau“ und „Nürnberger Hausmagd“ von Hans Weigel, 1577; „Eine Nürnberger Frau im Grünen Regen-Tuch“ von Jakob Andreas, 1720; daneben einen Männerrock und ein Votivbild vom Anfang des 19. Jahrhunderts aus dem Museum in Hausen). Inventare erfassen den Wert textilen Besitzes. Quellenbedingt müssen also viele Unklarheiten bleiben, die Art, Form und Aussehen der benannten Kleidungsstücke betreffen. Vermutungen, die der Autor diesbezüglich formuliert, sind nicht immer nachvollziehbar. So folgert er z. B., es lasse sich nicht sagen, „ob die Hausener Hemden Ärmel hatten“ (66). Gerade hier wäre das Heranziehen von weiteren Quellen hilfreich (Bilder, Objekte), auch wenn diese nicht aus dem Umfeld des Ortes Hausen stammen. Dankenswerterweise vergleicht der Autor seine Begriffs-Funde und statistischen Auswertungen mit denen anderer Inventarforscher*innen (Barbara Knüttel/Unterfranken, Jutta Zander-Seidel/Nürnberg, Friedrich W. Singer/Sechsämterland, Viktor von Geramb und Konrad Mautner/Steiermark). Seine Ausführungen enden unvermittelt mit einer Anmerkung zur Kinderbekleidung (87–89). Eine Zusammenfassung dessen, was die Untersuchung der Inventare zur „fundierten Beschreibung“ der „Hausener Bekleidung der Zeit vor 1842“ beiträgt (7) und welche Forschungsdesiderate bleiben, erhält die Leserschaft also nicht. Der Anhang stellt schließlich fünf Inventare als „vollständige Transkriptionen (geordnet in chronologischer Reihenfolge)“ vor (93–131) und Bekleidungs-Verzeichnisse aus zehn Inventaren, die zwischen 1679 und 1802 auf ein und demselben Bauernhof entstanden sind (133–153).

Dem redaktionellen Schlusswort, das die Trachtenberaterin des Bezirks Oberfranken, Birgit Jauernig, verfasst hat, kann man sich anschließen. Der vorliegende Band ist Ergebnis verdienstvoller Kleinarbeit, die nur auf Grund der guten Quellenlage möglich war. Er liefert viele Puzzleteile zur Geschichte der Kleidung einer oberfränkischen Landgemeinde. Weitere Teile müssen erst noch gesucht werden. Die Sprödigkeit der Quellengruppe „Inventar“ hinsichtlich ihrer Interpretation ist bekannt. Inventare erreichen in der Masse bei systematischer Durchsicht und statistischer Aufarbeitung große Aussagekraft. Davon zeugt schon Barbara Knüttels Auswertung unterfränkischer Inventare, die 1983 als Band 15 derselben Publikationsreihe erschienen ist. Die Konzentration auf einen Ort bringt selbstverständlich Einschränkungen mit sich. Zugleich ist jeder Beitrag zur Erschließung von Inventaren äußerst begrüßenswert. Gerade für den Raum Bamberg, Coburg und Forchheim gibt es bisher keine weiteren Inventar-Untersuchungen, in deren Mittelpunkt Kleidung steht.