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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Kristin Wardetzky

Ankommen. Über die Lust an der narrativen Vermittlung von Sprache und Kultur

München 2019, kopaed, 128 Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-86736-526-0
Rezensiert von Helge Gerndt
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 31.07.2020

Dieser schmale Band ist ein Geheimtipp für jeden, den die Relevanz kulturwissenschaftlicher Erzählforschung in unserem aktuellen, durch Geflüchtete und Migranten veränderten Alltag interessiert. Mit seinen etwa 90 Textseiten, ausdrucksstarken Fotos von Grundschulkindern beim Zuhören und Erzählen sowie deren Märchenzeichnungen ist das Bändchen auch ansprechend gestaltet (was man hinter dem leider eintönigen Umschlag nicht vermutet). Es vermag jedem, nicht zuletzt Lehrerinnen und Lehrern, die Augen zu öffnen für das enorme Integrationspotenzial lebendigen Erzählens. Hier findet man auf knappem Raum eine höchst anschauliche, substanzielle und wissenschaftlich kompetente Darstellung der Erzählprojekte in sogenannten „Willkommensklassen“, die 2015 zuerst in Berlin, aber bald auch in anderen deutschen Großstädten eingerichtet wurden. Das Büchlein demonstriert erfolgreiche Wege der Sprach- und Kulturvermittlung mittels des performativen Erzählens. Kristin Wardetzky erläutert unter anderem die Modalitäten der Verständigung zwischen Menschen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten: die Kraft der Stimme, der Körper- und der Bildersprache, der empathischen Beziehung; sie analysiert den kreativen Prozess des Zuhörens und die lustvolle Herausforderung des Sprechens. Und sie präsentiert eine Anzahl traditioneller Geschichten, die jugendliche Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan, Ägypten, Pakistan oder dem Irak schon nach relativ kurzer Zeit in Deutschland auf Deutsch erzählt haben. Hinweise auf die Tradition der Wahrnehmung des Orients in der deutschen Kultur (meint hier Goethe, Brüder Grimm) sowie auf internationale Erzählprojekte zu den „Refugee Tales“ ergänzen den anregenden Band.