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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Peter Claus Hartmann

Kampf und Widerstand. Münchner Katholiken gegen Hitler 1922-1945

Regensburg 2019, Schnell und Steiner, 182 Seiten
Rezensiert von Michael Kißener
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 06.07.2020

Das hier anzuzeigende Buch des emeritierten Mainzer Frühneuzeitprofessors und Autors bekannter Überblickswerke zur Bayerischen Landesgeschichte Peter Claus Hartmann beabsichtigt vieles nicht, was hinter seinem Titel vermutet werden könnte. Es intendiert keine Wiederaufnahme, womöglich Ergänzung der langen Debatte um den Widerstandsbegriff, es stellt keine Problematisierung des Verhältnisses von katholischer Kirche und Nationalsozialismus dar und es schaltet sich auch nicht in die komplexe Erforschung des katholischen Milieus oder seiner umstrittenen Repräsentanten wie des Münchner Kardinals Faulhaber ein. Es will vielmehr nach den Worten des Autors „würdigen“ (S. 163), wie Münchner Katholiken sich dem NS-Regime widersetzt haben. Und es will Position beziehen gegen die Auffassung, dass es keinen dezidiert „katholischen Widerstand“ gegeben habe, ja dass angesichts von Kollaboration und Milieuegoismus das Handeln von Katholiken für die Geschichte des Widerstands gegen den Nationalsozialismus keine oder eine nur untergeordnete Rolle gespielt habe.

Um dieses Ziel zu erreichen, lässt Hartmann eine große Vielzahl von Beispielfällen sprechen, die er eigenem Quellenstudium verdankt, aber auch aus bekannteren Veröffentlichungen wie der Sammlung von Priesterschicksalen „Priester unter Hitlers Terror“ von Ulrich von Hehl oder Helmut Molls „Zeugen für Christus“ zusammengestellt hat.

Was dabei für München herauskommt, muss den vorurteilfreien Leser in der Vielfältigkeit der Schicksale beeindrucken und evoziert die Frage, ob die Forschung bei der immer differenzierteren Durchdringung der Gesellschaftsgeschichte des Nationalsozialismus nicht auch manchmal die lebensweltliche Dimension aus dem Auge verliert.

Nach einer kurzen Einführung in die bayerische Geschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts führt Hartmann Beispiele der Abwehr des Nationalsozialismus durch katholische Politiker in der Zeit der Weimarer Republik aus. Die außerhalb Münchens oder Bayerns wohl nur wenig bekannten Beispiele der bayerischen Innenminister Franz Xaver Schweyer, der Hitler schon 1922 ausweisen wollte und seinen Antisemitismus im Landtag angriff, oder seines Nachfolgers Karl Stützel, der 1925 das Redeverbot gegen Hitler erließ und 1933 bis zur letzten Minute gegen die Machtübernahme der Nationalsozialisten kämpfte, sind ebenso anschaulich geschildert wie etwa die Haltung des Kultusministers Erwin Matt, dem die Niederschlagung des Hitlerputsches zum Teil zu verdanken ist. Dass diese Minister wie auch etliche näher porträtierte antinationalsozialistische BVP-Politiker der Weimarer Zeit CV- oder KV-Mitglieder waren, lässt der Autor nicht unerwähnt. Auch der durch Rudolf Morseys Veröffentlichung bekannte Publizist Fritz Michael Gerlich, der in seiner Zeitung immer wieder Hitler und seine Machenschaften angegriffen hat, wird von Hartmann als Beleg für einen Münchner katholischen „Widerstand zur rechten Zeit“ angeführt.

Für die NS-Zeit 1933-1945 werden zahlreiche weitere Beispiele vorgestellt. Zunächst weist der Autor auf etliche BVP-Politiker in Dachauer Haft hin wie Alois Hundhammer oder Fritz Schäffer. Er zeigt die Verbindungen Münchner Katholiken in Widerstandskreise wie den monarchistischen „Sperr Kreis“ oder die Verschwörung des 20. Juli 1944 auf, führt zahlreiche Fälle von Münchner Priestern an, die mit dem Regime in Konflikt gerieten, und blickt nicht nur auf die bekannten widerständigen Ordensgeistlichen wie Rupert Mayer oder Alfred Delp, sondern auch auf das Tun der vielen Frauenorden. So wird z.B. die mutige Versorgung der inhaftierten katholischen KZ-Priester in Dachau durch Schwester Josefa Maria Imma Mack aus dem Angerkloster geschildert. Weniger bekannt dürfte auch das regimefeindliche Wirken der katholischen Verleger Hugo Schnell und Johann Steiner sein, die im „Dreifaltigkeitsverlag“ zusammenwirkten, der heute als Schnell und Steiner Verlag bekannt ist.

In genau diesem Verlag ist Hartmanns Schrift nun auch erschienen, und zwar in einer außerordentlich ansprechenden Form, die auch ihrerseits das Interesse an diesem in vielerlei Hinsicht lesenswerten Buch weckt.