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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Birgit Angerer/Renate Bärnthol/Max Böhm/Jan Borgmann/Heinrich Hacker/Michael Happe/Birgit Jauernig/Herbert May/Martin Ortmeier/Bertram Popp/Gudrun Thiel/Ariane Weidlich (Hg.)

Sauberkeit zu jeder Zeit! Hygiene auf dem Land. Begleitband zur gleichnamigen Wanderausstellung der Süddeutschen Freilichtmuseen

(Schriften Süddeutscher Freilichtmuseen 7), Petersberg 2019, Imhof, 256 Seiten mit Abbildungen, teils farbig, ISBN 978-3-7319-0837-1
Rezensiert von Petra Serly
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 31.07.2020

Die hier vorliegende Publikation ist der Begleitband zu einer Wanderausstellung, die in zehn Freiland- und Freilichtmuseen im süddeutschen Raum präsentiert wird und das Thema Hygiene auf dem Land aufgreift. In 18 Beiträgen wird das weite Feld der Sauberkeit vorgestellt, das von der Körperpflege über die Reinhaltung von Wohnung und Kleidung bis zu hygienischen Maßnahmen in verschiedenen Lebensbereichen reicht. Der Hygienebegriff hat sich im Laufe des langen Zeitraums, der hier betrachtet wird und mehr als ein halbes Jahrhundert umfasst, mehrmals grundlegend gewandelt.

Nach der Einführung von Herbert May gibt Alois Unterkircher einen kurzen Überblick über die „Geschichte der modernen Hygiene und Bakteriologie“. Noch während des 18. Jahrhunderts existierte, basierend auf der Gesundheitslehre der Humoralpathologie, die Ansicht, dass sich Krankheiten durch giftige Ausdünstungen des Wassers und der Luft, sogenannte Miasmen, verbreiten, was die Angst davor begründete, den Körper mit Wasser zu reinigen. Erst mit den fortschreitenden Erkenntnissen der naturwissenschaftlichen Medizin wandelten sich die Hygienepraktiken, die zunächst im Bürgertum Verbreitung fanden. Nach der Durchführung sanitärer Reformen in den Städten, unter anderem durch die Errichtung moderner Trink- und Abwassersysteme im 19. und frühen 20. Jahrhundert, und mit der Entdeckung von Krankheitserregern als Ursache von Infektionskrankheiten, war der Grundstein für die Gesundheitsförderung der Bevölkerung gelegt.

Die Fortsetzung dieser Entwicklung beschreibt Marion Maria Ruisinger und nimmt den „Mensch[en] und die Mikroben im 21. Jahrhundert“ unter die Lupe. So segensreich die Erkennung und Bekämpfung von Bakterien und Viren seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war und noch immer ist, gibt es inzwischen auch Kritik an übertriebener Hygiene, da sie für das Immunsystem auch abträglich sein kann, wie wissenschaftliche Studien bewiesen haben.

Im ersten von drei großen Themenblöcken geht es um öffentliches und privates Baden und die dafür vorhandenen Örtlichkeiten sowie bauliche Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen Hygiene in den Gebäuden. Susanne Grosser und Herbert May befassen sich mit öffentlichen Badhäusern im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit und belegen anhand von Quellenmaterial das Vorhandensein von Badeinrichtungen sowohl in Städten als auch in Dörfern sowie deren regelmäßige Benutzung. Konrad Bedal und Herbert May berichten, dass es schon sehr früh Hinweise auf private Badstuben auf dem Land und auch in Bürgerhäusern gab. Bereits für das 16. Jahrhundert findet man Quellenhinweise über Badstuben, häufig auch in Verbindung mit einem Backhaus. Der über dem Backofen liegende Raum wurde durch die aufsteigende Hitze des Ofens für Schwitzbäder genutzt. Martin Ortmeier schildert, wie durch bauliche Veränderungen an den Bauernhöfen sowohl in den Wohnräumen als auch im Stall Hygiene und Reinlichkeit verbessert werden konnte. Einen kurzen Abriss über die Entstehung und Entsorgung des immer mehr zunehmenden Abfalls im häuslichen Bereich gibt Bertram Popp, und ein Bericht von Martin Ortmeier über den historischen Brunnenbau und die Bedeutung sauberen Trinkwassers beschließt den ersten Teil.

Der zweite Themenbereich stellt die Körper- und Kleiderhygiene unter praktischen Gesichtspunkten in den Mittelpunkt. Birgit Angerer beschreibt die Körperpflege auf dem Land, die in den um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Physikatsberichten meist als unzureichend bezeichnet wurde. Das Wissen um die gesundheitliche Bedeutung der Reinlichkeit verbreitete sich nur langsam bei der ländlichen Bevölkerung. Mit öffentlichen Badeanstalten wollte man Anreize zur Sauberkeit geben, und auch in Schulen gehörten die neuen Hygieneregeln zum Unterrichtsplan. Im Gegensatz zu den Städten, wo sich die Sauberkeitsstandards schneller verbesserten und nach dem Zweiten Weltkrieg keine Wohnung mehr ohne Badezimmer gebaut wurde, dauerte diese Entwicklung auf dem Lande bis in die 1970er Jahre.

Gudrun Thiel skizziert am Beispiel eines Friseursalons im Bauernhofmuseum Illerbeuren den Wandel im Friseurhandwerk, das aus der Tätigkeit des Baders oder Barbiers entstanden war. Zunächst kamen überwiegend Männer, um sich rasieren und die Haare schneiden zu lassen, der Damenbereich spielte nur eine kleine Rolle. Erst Mitte der 1950er Jahre wurden weibliche Lehrlinge zur Friseurausbildung zugelassen, die bei der männlichen Kundschaft zunächst gegen Vorurteile zu kämpfen hatten. Das gewerbliche Rasieren geriet bereits seit dem 19. Jahrhundert immer wieder in die Kritik, sei es durch einen Mangel an Hygiene oder wegen der Gefahr einer Krankheitsübertragung durch Viren; es wird von der Friseurinnung in Deutschland seit Ende der 1980er Jahre abgelehnt. Schon vorher war das Rasieren zur Privatsache geworden, wobei die Erfindung des Elektrorasierapparates eine große Rolle spielte.

Birgit Jauernig, Ruth Kilian und Beate Partheymüller gehen der Frage nach, wie sich der Wert und der Umgang mit der Kleidung verändert hat, wobei die gestiegenen Reinigungsansprüche auch kritisch unter Umweltgesichtspunkten betrachtet werden. Ein großer Teil der ländlichen Bevölkerung besaß nur wenige gute Kleidungsstücke, die dementsprechend wertgeschätzt wurden und geschont werden mussten. Arbeitskleidung und Leibwäsche wurde nur wöchentlich gewechselt, das Wäschewaschen war eine mühevolle Sache. Die Erleichterung dieser Arbeit durch die Waschmaschine, die für viele Haushalte lange ein Wunschtraum blieb, wird ebenfalls thematisiert. 1969 waren nur knapp 40 Prozent der Haushalte damit ausgestattet. Der anstrengenden Arbeit eines Waschtages widmet sich Martin Ortmeier in seinem Bericht „Vom Wäschewaschen auf dem Land“. Noch einmal wird die mühsame Wascharbeit im Bericht von Johanna Fendl aufgegriffen und die Geschichte der Waschmaschinenfabrik Otto Hörhold erzählt, in der um 1900 einfache mechanische Waschgeräte mit Holzbottich produziert wurden, die einige Arbeitsschritte des Waschens übernahmen. Die Maschinen waren sehr erfolgreich, bis sie nach dem Zweiten Weltkrieg von technisch verbesserten Metallwaschmaschinen anderer Hersteller überholt wurden. Dass es im 19. Jahrhundert mit der „Hygiene rund ums Schlafen im ländlichen Oberbayern“ nicht zum Besten bestellt war, beschreibt Jan Borgmann anhand von Physikatsberichten, in denen die mangelnde Reinlichkeit immer wieder beklagt wird. Die fotografischen Erinnerungen einer Hauswirtschaftslehrerin an die 1960er bis 1970er Jahre stellt Heinrich Hacker vor. Sie hatte die Aufgabe, bäuerliche Betriebe vor Ort zu beraten, auf hygienische Missstände aufmerksam zu machen und diese zu verbessern. Die Fotos zeigen eindrücklich die damalig vorherrschenden, hygienisch unzureichenden Verhältnisse.

Der letzte Themenbereich lässt sich unter dem Oberbegriff der beruflichen Hygiene zusammenfassen. Bernd Beck beschreibt die Arbeit der Hebammen, die als Geburtshelferinnen auf dem Land eine größere Rolle spielten als ausgebildete Ärzte. Hausgeburten waren bis ins 20. Jahrhundert üblich, erst „ab den 1930er Jahren“ (213) nahmen die Klinikentbindungen zu.

Das ebenfalls im medizinischen Umfeld angesiedelte Apothekenwesen wird von Renate Bärnthol historisch auf hygienische Standards untersucht. Den Abschluss bilden zwei Aufsätze aus dem bäuerlichen Tätigkeitsbereich. Max Böhm blickt auf die in den Tierställen notwendige Sauberkeit, und Christoph-Werner Karl beschreibt die erforderliche Sorgfalt bei der Lagerung und Konservierung von Getreide, das für die Ernährung von großer Bedeutung war. Es musste sauber, kühl und trocken gelagert werden, um es vor Schädlingen wie dem Kornkäfer oder der Kornmotte zu schützen, die die gesamte Ernte zerstören konnten. Der Einsatz technischer Möglichkeiten, das Korn mit Maschinen zu reinigen und zu trocknen, war für große Betriebe bereits im 19. Jahrhundert möglich, für kleinere Höfe kam dieser technische Fortschritt erst im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.

Die hier vorliegenden Beiträge rund um Sauberkeit und Körperpflege sind anregend und vielseitig. Zahlreiche Abbildungen veranschaulichen die Texte, die einen aufschlussreichen Überblick über stetig erneuerte Konzepte von Gesundheit und Hygiene bieten. Wie zentral das Thema Hygiene bis heute ist und wie sehr wir uns immer wieder damit auseinandersetzen müssen, zeigt die aktuelle Situation der Corona-Pandemie, in der Hygienemaßnahmen vom Händewaschen bis zur Desinfektion sowie Abstandsregeln eine große Rolle spielen. Das Virus hat sogar direkten Einfluss auf die Ausstellungspraxis genommen. So konnte die Eröffnung in Bad Windsheim wegen der vorübergehenden Schließung des Museums nur virtuell stattfinden. Inzwischen ist das Museum wieder geöffnet, aber nur unter Einhaltung der zurzeit geltenden Einschränkungen. Umso mehr ist die gelungene Publikation eine empfehlenswerte Lektüre für eine an Alltags- und Kulturgeschichte interessierte Leserschaft.