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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Stefan F. Pfahl

Namenstempel auf römischen Reibschüsseln aus Deutschland

Augsburger Beiträge zur Archäologie 8 (Wißner-Verlag 2018) 245 S., 12 Abb., 7 Tab., 103 Taf., ISBN 978-3-95786-153-5  
Rezensiert von Verena Hasenbach
In: Bayerische Vorgeschichtsblätter
Erschienen am 20.07.2020

Das vorliegende Werk ist als achter Band, der von Lothar Bakker begründeten und von Sebastian Gairhos und Michaela Herrmann (Stadtarchäologie und Römisches Museum Augsburg) herausgegebenen Reihe „Augsburger Beiträge zur Archäologie“ erschienen.

Zu Stefan Pfahls „Instrumenta Latina et Græca Inscripta des Limesgebietes von 200 v. Chr. bis 600 n. Chr. (Weinstadt 2012) liegt nun gewissermaßen ein Ergänzungsband vor, der sich den Namenstempeln auf Reibschalen und somit auch keramischen Schriftträgern widmet.

Den Umschlag des Bandes ziert Claudia Gassenhubers Zeichnung einer ägyptischen Terrakotta-Statuette aus dem British Museum. Sie zeigt einen Mann bei der Arbeit mit einem gestempelten mortarium. Im Hintergrund erkennt man das digitale Geländemodell Augsburgs und seiner Umgebung. Eine Anspielung darauf, dass hier nicht nur die meisten Namenstempel auf mortaria entdeckt worden sind, sondern dass man hier diesen auch immer gebührende Aufmerksamkeit geschenkt hat. Reibschalenstempel sind von der Augsburger Stadtarchäologie konsequent aussortiert und verzeichnet worden.

Für die Danksagung an seine Unterstützer hat Pfahl eine ungewöhnliche Form gewählt. Sie ist unmittelbar nach dem Impressum zu finden und nach Feminae und Viri getrennt aufgelistet.

Nach den einleitenden Zeilen zur Entstehung und Fragestellung des Werks folgt das zweite Kapitel „Mortaria allgemein“ (S. 13 f.). Eine Reihe von Themen rund um den Gefäßtypus der „Reibschüssel“ spricht Pfahl hier an. Es geht etwa um Gefäßformen und deren Entwicklung, um Preisangaben, um die Gründe für die Stempelung, um die Platzierung der oder des Stempel(s), um den Verwendungszweck, sowie die Bezeichnungen der mortaria in unterschiedlichen Sprachen. Nicht alles hier Geschriebene kann von Rez. unkommentiert bleiben.

So rechnet Pfahl mortaria zur Schwerkeramik, wie Amphoren und Dolia. Dies trifft nach Meinung der Rez. bestenfalls für Italische und besonders große „Sonder-Mortaria“ zu, die mit Terra Sigillatapunzen oder Schlangendekor versehen sind. Die Mehrzahl der nördlich der Alpen hergestellten Exemplare haben meist durchaus „gebrauchs-keramik-taugliche“ Dimensionen. Sie kommen ja gar in Sigillata-Ausführung vor, wie Pfahl referiert. Sigillata bringt Verf. mit Silbergeschirr in Verbindung. Dem ist prinzipiell zustimmen. Als Beispiel für mit Sigillata-Reibschüsseln verwandtes Silbergeschirr gibt Pfahl die „coupe à la collerette de Mérouville“ an. Die „collerette“ übersetzt er mit „Halskrause“ statt mit „Kragen“. So wird aus einer Kragenschale eine Schale mit Halskrause, ein wohl ungewöhnlicher Gefäßtypus.

Pfahls Auflistung von verschiedenen Bezeichnungen für mortaria, wie sie in mehreren Sprachen aufscheinen, beinhaltet auch Hyperonyme. So wird eine Reibschüssel gelegentlich einfach als rundbauchiges weites Gefäß, eben als Schüssel, Weitling oder etwa im Französischen als „jatte“ und im Lateinischen als „pelvis“ angesprochen. Der vorrangige Verwendungszweck als Mörser wird dabei aber vernachlässigt (S. 13).

Pfahl führt zur Illustration des Verwendungszwecks von Reibschüsseln unter anderem das Relief der Igeler Säule mit der bekannten Darstellung der Küchenszene an (S. 15). Doch das „Paradebeispiel für die Verwendung eines mortarium zur Speisezubereitung“ birgt nach Ansicht des  Verf. zwei Ungereimtheiten, die ihn zweifeln lassen, ob es sich hier tatsächlich um eine Reibschüssel im Einsatz handelt. Zum einen würde der dargestellte Mann überhaupt keinen Stößel in der Hand halten und zum anderen verfüge die „angebliche Reibschale über keinen Ausguss“ (S. 16). Zum angeblich nicht vorhandenen Stößel ist anzumerken, dass diese Stößel sehr oft mit einer im rechten Winkel angefügten Handhabe versehen waren (s. Abb. 2 auf derselben Seite, wo genau so ein Stößel im Vordergrund zu sehen ist) und somit die Hand des Reibenden dieses Werkzeug fast vollständig umschloss. Das sieht dann genauso aus, wie es auf der Igeler Säule dargestellt ist. Was den angeblich fehlenden Ausguss betrifft, ist es Rez. unerklärlich, wie Pfahl denselben, der sich unterhalb des linken Unterarms des Mannes befindet und detailreich ausgearbeitet ist, nicht hat erkennen können.

Das dritte Kapitel ist den mortaria-Namenstempeln in Deutschland gewidmet. In zahlreichen Unterkapiteln werden die Töpfermarken nach verschiedensten Gesichtspunkten inhaltlich sowie formal beleuchtet.

Als Untersuchungsgebiet wird das „römische Deutschland“ nach seinem heutigen Grenzverlauf festgelegt (S. 20). Es folgt eine ausführliche, teilweise kritisch kommentierte Chronik der Erforschung sowie verschiedene statistische Auswertungen der mortaria-Namenstempel, die von einem umfangreichen Fußnotenapparat ergänzt sind. Die diversen Fundorte sind auch auf einer Verbreitungskarte einzusehen (S. 26, Karte 2). Eine erste Kartierung der Namenstempel durch den Verf. erschien bereits 2012 (Instrumenta Latina et Græca Inscripta S. 26. Karte 4).

Kapitel 3.4 behandelt die Position und Gestaltung der Namenstempel (S. 26 f.), in Unterkapiteln für Positionen, Zeiligkeit, Rahmen, Trenner, Enklaven und Ligaturen, Buchstabenauslassungen, Sonderbuchstaben und untypische Schreibweisen. Die Auflistung dieser formalen Merkmale der Stempel wird in Fließtexten abgefasst, was der vom Verf. angestrebten Benutzerfreundlichkeit (s. Einleitung S. 11) nicht gerade dienlich ist.

Weiter geht es im Kapitel 3.5 „Onomastik“, in dem dem Vorhandensein von eventuellen weiblichen Namen, der Nennung von zwei Personen, dem Kasus und der Nomina an sich nachgegangenwird. Das Kapitel 3.5.4 „Nomina“ wartet nun mit einer übersichtlichen Tabelle auf (Tab. 1, S. 33–42), die – jeweils in alphabethischer Reihenfolge – nach I. Praenomina, II. Nomina gentilicia und III. Cognomina gegliedert ist. Die Tabelle enthält neben der Katalognummer die Angabe der Töpferei bzw. der Region, in der das Gefäß entstanden sein dürfte, die ethnische Herkunft des Namens, eine Spalte mit Übersetzungen und Herleitungen sowie Literaturhinweise. Diese Tabelle erlaubt nun schnell zweckdienliche Informationen zu den Töpfernamen nachzuschlagen, was der Leser sicherlich schätzen wird.

Im letzten Unterkapitel von Kapitel 3 kommt Pfahl zu den Dekorstempeln. Solche, meist florale Motive darstellend, sind bei italischen Stempeln häufig integriert, bei anderen – insbesondere rätischen – Stempeln dem Namenstempel schmückend beigefügt. Es gibt auch nur mit Dekorstempel gestempelte Reibschalen, bei denen der Ornamentstempel für einen Töpfernamen stehen könnte. Obwohl solche Exemplare im römischen Deutschland gefunden und auch produziert worden sind (z. B. Xanten, Birgel, Soller) werden sie bei Pfahl zwar erwähnt, scheinen aber leider im Katalog, wohl weil sie als „anonym“ angesehen sind, nicht auf. Schade, denn so ein Stempel ist nicht selten mit einem – nicht mehr erhaltenen – Namenstempel vergesellschaftet gewesen (wie z. B. in Schwabmünchen). Wenn nur ein Ornamentstempel für eine Töpferei steht, dann könnte man sich überlegen, warum das so ist. Dass der einzige Grund dafür der Analphabetismus des Handwerkers ist, wie Pfahl postuliert, ist wohl zu kurz gegriffen. Könnte nicht ein spezifisches Ornament über einen größeren Wiedererkennungseffekt verfügen, als es für einen geschriebenen – vielleicht für den potenziellen Kunden schwer lesbaren – Namen der Fall ist? Nach Ansicht der Rez. hätten reine Ornamentstempel sehr wohl im Katalog ihren Platz.

Pfahl widmet dem Stempel-Utensil, dem Handstempel, das vierte Kapitel. In Schwabmünchen und in Straubing sind je ein Handstempel gefunden worden. Solche Funde gehören zu den Raritäten in der Keramikforschung und so bezieht Pfahl andere bekannte Handstempel aus Frankreich und Grossbritannien in einem Exkurs mit ein (S. 44 f. mit Abb. 7. im M. 1 : 2).

Die „Legio-Ware“ behandelt Pfahl ebenfalls in einem Kapitel mit Exkurs zu den ausserhalb Deutschlands bekannten Stempeln. (Kap. 5, S. 47–50). Zwei Stempel aus Köln und Xanten tragen den Namen der Legio VI Victrix. Alle bisher bekannten Exemplare von gestempelten Reibschüsseln, die dem Militärhandwerk zugeordnet werden können, werden in eine Tabelle  (Tab. 3) gereiht.

Den Produktionsort dieser mortaria zu kennen ist natürlich von grossem Interesse. Nur wenige der Töpfereien sind bisher durch Ausgrabungen nachgewiesen, so ist man oft auf Vermutungen angewiesen. Daher gehören Töpferstempel, die den Ort angeben, in dem die Gefässe entstanden sind, zu den absoluten Highlights. Aus Deutschland kennt man zwei Stempel, bei denen dies  der Fall ist. Die Reibschalen wurden in Bonn und Worms getöpfert und in Trier und Bad Kreuznach gefunden. Auch hier schliesst Pfahl einen sehr informativen Exkurs an, der insgesamt 25 Stempel mit Produktionsortnennung erfasst, welche in einer Tabelle einsehbar sind (Kapitel 6, S. 51–58, Abb. 12, Tab. 4).

Ein spezieller Fall sei hier herausgegriffen: Q(uintus)VALERIVS VERANIVS, dürfte anfänglich im nördlichen Gallien eine Werkstatt betrieben haben, wie das dort häufige Vorkommen seiner Stempel vermuten lässt. Auch in Britannien sind etliche Stempel dieses Namens dokumentiert. Aus Colchester kennt man drei Exemplare, auf denen in winziger Schrift „DOGAERIAFAC“ quasi als Zeilentrenner des zweizeiligen und kunstvoll gestalteten Stempels hinzugefügt wurde (S. 54, Abb. 12,9–11). Ein nahezu identischer Stempel ist aus Richborough bekannt, doch dort fehlt der „DOGAERIAFAC-Zeilentrenner“ noch (https://ci.nii. ac.jp/ naid/110007808822/en, S. 62, Abb. 3,2). Soll hier auf einen neuen Produktionsstandort oder auf eine in die Produktion involvierte Person hingewiesen werden? Bis jetzt konnte allerdings noch kein Siedlungsplatz ausfindig gemacht werden, der mit dem Namen Dogaeria in Verbindung gebracht werden könnte, wie Pfahl referiert (S. 55).

Die Exkurse des Verf. scheinen manchmal angesichts der thematischen Vorgaben auszuufern, wenn es beispielsweise dann um Thekenbeschläge mit Produzenten- und Ortsangabe (S. 53) oder um die Helvetischen Mortaria mit Sigillatapunzenverzierung, die des Öfteren angesprochen werden, geht (S. 2, 52, 53).

In einem Fließtext und zusätzlichen Tabellen (Tab. 5, 6) erfasst Pfahl die Töpfernamen nach der Region, bzw. Provinz und Produktionsort (Kapitel 7, S. 59–63).

In Kapitel 8 „Chronologie“ (S. 64) hält Pfahl fest, dass die präzise zeitliche Einordnung der mortaria mit Töpfermarken nicht möglich ist und lediglich für einzelne Regionen zeitliche Grenzen abgesteckt werden können. Allgemein kann man es dabei belassen, ihre Blütezeit etwa in der 2. Hälfte des 1. Jh. und im 2. Jh. n. Chr. anzusetzen.

In der abschließenden Zusammenfassung (Kapitel 9) findet man eine Tabelle (S. 66 f. Tab. 7), die die im römischen Deutschland dokumentierten Namenstempel nach den Produktionsorten gegliedert präsentiert. Würde diese Tabelle nicht eher ins Kapitel 7 gehören?

In der Zusammenfassung spricht Pfahl manches an, was man im Text vermisst. Auf S. 53 schreibt Pfahl von einem Töpfer, der sich wahrscheinlich Clemens nennt, aber das „N“ im Stempelformular auslässt: “… . vielleicht kam er mit dem Platz auf der Handhabe (Anm. der Rez.: wohl auf der Stempelplatte) nicht aus oder er war in orthographischen Fragen einfach nicht sattelfest.“ In der Zusammenfassung heisst es hingegen (S. 65): „Manchmal fehlen Buchstaben innerhalb eines Namens, was man aber nicht vorschnell als Fehler abqualifizieren sollte; sie können auch „nachlesbare“ Belege für Alltags(aus)sprache darstellen.“ Auch die Frage zur Mobilität der Töpfer wird erst zum Schluss angesprochen.

Mit seiner Vorlage der Namenstempel auf römischen Reibschüsseln, die bisher in Deutschland registriert werden konnten, hat St. F. Pfahl eine Basis für zukünftige Studien geschaffen. Auf der Grundlage der kombinierten Untersuchung von Herstellerstempel, Fabrikat und Morphologie können mortaria einen namhaften Beitrag zur Erforschung des römischen Wirtschaftsgebaren leisten, da diese Keramikgattung über ein Potential verfügt, das mit dem von Terra Sigillata und Amphoren vergleichbar ist.

Pfahl hat im vorliegenden Werk 557 mortaria-Namenstempel von 170 verschiedenen Töpfern, aus 89 unterschiedlichen Fundorten, zusammengetragen, über 200 davon waren bislang unpubliziert. Das Aufspüren der Töpfermarken ist mit einem erheblichen Arbeits- und Reiseaufwand verbunden. Ohne ausgiebige Literaturrecherchen, Nachforschungen in den verschiedenen Funddepots und die oft mühselige Materialaufnahme ist die Erstellung so eines Werks nicht möglich. So liegt nun ein Nachschlagewerk zu römischen Reibschalentöpfereien vor, das Epigraphiker und Keramikforschende gleichermassen schätzen werden. Dem Autor sei gedankt für den streng alphabethisch geordneten Katalog, der es ermöglicht auch dort, wo man im Text manchmal den Hinweis auf eine Katalognummer vermisst, das Gesuchte zu finden. Die durch Pfahls Recherchen gewonnenen Daten werden immer wieder von unterschiedlichen Gesichtspunkten aus betrachtet, was zwangsläufig inhaltliche Wiederholungen mit sich bringt. Oft werden solche formalen Inhalte in Fließtexten aufgezählt, meistens – aber leider nicht immer – steht auch eine Tabelle zur Verfügung, um die Informationen schnell abzurufen.

Das Werk ist sorgfältig redigiert und ansprechend gestaltet. Dem Verfasser sei großer Dank ausgesprochen für die Initiative und den beachtlichen Arbeitsaufwand, dieses sehr nützliche Buch zu realisieren.