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Alexander Philipp Hutzel

Homo Festivus. Das Summer Breeze Open Air und seine Besucher

Baden-Baden 2018, Tectum, 170 Seiten mit Abbildungen, Tabellen, ISBN 978-3-8288-4232-8
Rezensiert von Elisabetta Pugliese
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 28.08.2020

Von seiner eigenen Erfahrung als Besucher eines Festivals ausgehend hat der Autor Alexander Philipp Hutzel seine Bachelorarbeit an der Fakultät Sozialwesen der Hochschule Mannheim „Homo Festivus. Das Summer Breeze Open Air und seine Besucher“ verfasst. Das vorliegende Buch hat als Ziele, am Beispiel eines Festivals eine empirisch basierte Forschung über dessen Besucher*innen und eine Einführung in die Metal-Szene zu geben. Das Summer Breeze Festival, das jährlich im August in Dinkelsbühl stattfindet, dient Hutzel als Ort post-traditioneller Vergemeinschaftung.

In der Einleitung skizziert der Autor die Struktur des Bandes und beschreibt den theoretischen Hintergrund seiner Arbeit. Die stark soziologisch-philosophisch orientierte Gedankenführung bietet leider wenig Anknüpfungspunkte zur Vergleichenden Kulturwissenschaft. In seiner Methode lehnt sich Alexander Philipp Hutzel sehr stark an Roland Girtlers „Zehn Gebote der Feldforschung“ an und führt vor, wie er dessen Anspruch in seinen eigenen Forschungen bei drei Festivals umgesetzt hat, indem er Fragebögen ausgeteilt, Gespräche mit Festivalbesucher*innen geführt und zusätzlich eine Online-Forschung durchgeführt hat. Die Auswertung der Daten erfolgte dann nach den Prinzipien der „Grounded Theory“ nach Anselm L. Strauss und Barney G. Glaser.

Im letzten Teil des Bandes stellt Hutzel Daten zum „Homo Festivus“ vor und analysiert sie u. a. in Hinsicht auf den Durchschnittsbesucher: Dieser ist ein lediger und agnostischer Mann, ungefähr 25 Jahre alt, der das Festival zumindest schon einmal besucht hat und ein hohes Ausbildungsniveau aufweist. Weitere Analysen gelten den Durchschnittswerten für die Geldausgaben (ca. 200,- Euro), dem Alkoholkonsum (insgesamt zwischen 10 und 20 Liter) und der Hygiene (hat eine niedrige Priorität). Schließlich nimmt Hutzel die Motive für den Besuch des Festivals in den Blick: Musik zu hören und Freunde zu treffen stehen an erster Stelle, gefolgt von Kommunikation (im weiteren Sinne: neue Leute kennenlernen, mit Fremden die Erfahrung teilen) sowie Essen und Trinken. Das Festival wird von seinen Besucher*innen insgesamt als eine Auszeit vom Alltag gesehen, wobei Rituale und Running-Gags, die auf dem Festival kursieren, ihren Grad der Zugehörigkeit zur Metal-Szene bestimmen.

Obwohl der Autor Szeneforschung betreibt und Festkultur beschreibt, erscheint der Band für das Fach Vergleichende Kulturwissenschaft problematisch. Der Fragestellung, „welche Phänomene machen das Summer Breeze Festival zu einem Szeneevent?“ (89), wird nicht im Sinne einer qualitativen, empirisch-kulturwissenschaftlichen Forschung nachgegangen. Die theoretische Orientierung der Arbeit und die deduktive Vorgehensweise des Autors führen zu Ergebnissen, die eher abstrakt bleiben und die gestellt Frage nicht beantworten. Sie bleiben im allgemeinen Rahmen dessen, was man schon aus eigener Kenntnis als Festivalbesucher*in bei anderen Gelegenheiten vermuten würde. Ein anderer, weit gravierenderer Schwachpunkt der Arbeit ist die fehlende Zitation der Sekundärliteratur (vor allem aus Roland Girtler). Positiv hervorzuheben ist dagegen die ausführliche Dokumentation der Empirie im Anhang in Form von Tabellen und Diagrammen, sowie von Fragebögen und Auszügen aus Transkripten. Hier lässt sich erahnen, welchen großen Aufwand Hutzel betrieben hat. Weniger wäre jedoch mehr gewesen: Eine Konzentration auf einige ausgewählte Aspekte, wie das Motivationsgeflecht der Teilnahme, etwa geschlechtsspezifische Motive der Festivalbesucher*innen, oder den Alkoholkonsum oder die Festival-Lore, hätten substantiellere Ergebnisse zum „Home Festivus“ ergeben.