Logo der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Kommission für bayerische Landesgeschichte

Menu

Aktuelle Rezensionen


Thomas Wenderoth

Mietshaus und Mietwohnung auf dem Land. Verbreitung, Entwicklung und Typologie am Beispiel des Nürnberger Umlandes 1500–1800

(Inhalte – Projekte – Dokumentationen. Schriftenreihe des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 18), München 2019, Volk, 264 Seiten mit 187 Abbildungen, meist farbig, 9 Tabellen, ISBN 978-3-86222-326-8
Rezensiert von Konrad Bedal
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 15.09.2020

Es gibt nicht sehr viele wissenschaftliche Untersuchungen, die sich mit der älteren Geschichte des Wohnens zur Miete im süddeutschen Raum befassen und über die dabei offenkundigen sozialen Fragestellungen hinaus auch baugeschichtliche und bautypologische Zusammenhänge auf der Grundlage von archivalischen Quellen und konkreten Bauuntersuchungen analysieren. Schon aus diesem Grund verdient die Arbeit von Thomas Wenderoth, die als Dissertation am Kunstgeschichtlichen Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg entstanden ist, größte Aufmerksamkeit.

Die etwas stark in Einzelpunkte durchgegliederte Untersuchung befasst sich im ersten Teil u. a. mit den variierenden historischen Begriffen zum Thema Mietshaus, der pragmatisch erfolgten Abgrenzung des Untersuchungsraums und der Untersuchungszeit, in Abhängigkeit von den Quellen und den verwendeten Methoden. Sie gibt dann mit den unterschiedlichsten Ansätzen einen sehr ausführlichen und kritischen, regionalen wie auch überregionalen Forschungsüberblick zum Thema Mietshaus.

Von grundlegender Bedeutung sind Wenderoths Ausführungen über die Mieter (in der Sprache der Zeit meist als „Beständner“ bezeichnet) und den Mietvorgang in der Zeitspanne zwischen 1500 und 1800. Dabei beschäftigt er sich besonders intensiv mit dem Anteil der Mieter an der Bevölkerung, wozu natürlich keine übergreifenden, zeitgenössischen amtlichen Statistiken vorliegen. Eine exakte Bezifferung ist daher kaum möglich, auch deshalb nicht, weil das, was man als Mieten einer Wohnung verstehen beziehungsweise wen man als Mieter bezeichnen könnte, in älterer Zeit sehr schwankend und unscharf ist, natürlich auch wegen der komplizierten Herrschafts- und Rechtsverhältnisse und der unterschiedlichen schriftlichen Überlieferungsdichte. Anhand einiger ausgewählter örtlicher Bestandsverzeichnisse kann immerhin geschlossen werden, dass der Anteil der Personen und Familien, die in einer gemieteten Wohnung oder einem gemieteten Haus gelebt haben, in der Zeit vor 1800 auffallend groß ist, größer, als man gemeinhin für ländliche Regionen erwarten würde: Er dürfte durchschnittlich zwischen 20 und 30 Prozent liegen, wobei dieser Anteil von Ort zu Ort sehr stark differieren kann, in stadtnahen und stärker gewerblich orientierten Orten kann er sogar auf bis zu 80 Prozent steigen. Dabei ist es nicht so, und dies überrascht vielleicht am meisten, dass der Anteil der „Mieter“ an der Bevölkerung im Laufe der Zeit höher wird, sondern schon im frühen 16. Jahrhundert war er offenbar etwa gleich hoch wie er gegen Ende des 19. Jahrhunderts gewesen ist, was starke lokale Unterschiede nicht ausschließt.

Quellenmäßig nur schwer einigermaßen verbindlich zu beantworten ist die Frage nach den Mietkosten. Anhand ausgewählter Beispiele des frühen 16. und frühen 19. Jahrhunderts aus dem Nürnberger Territorium kommt Wenderoth zu dem Schluss, dass die Miethöhe („Mietzins“) in etwa zwischen fünf und zehn Prozent des verfügbaren Einkommens lag, also doch überraschend gering, von heute aus betrachtet.

Mietverhältnisse sind im behandelten Zeitraum übrigens keineswegs nur bei den unteren sozialen Schichten zu finden, sondern sozial außerordentlich differenziert zu sehen, in solchen lebten etwa Handwerker und auch Juden (die aber in den Nürnberger Dörfern kein Niederlassungsrecht hatten und dementsprechend weitgehend fehlen). Die größte Gruppe der dörflichen Mieter bilden freilich wohl die Tagelöhner und ihre Familien. Einen Sonderfall stellen die „Arbeitersiedlungen“ an frühen, meist wasserabhängigen Gewerbe- und Industriestandorten dar, die in engem Zusammenhang mit der „Großstadt“ Nürnberg stehen.

Die archivalischen Quellen zeigen überdeutlich, dass Mietwohnen jedenfalls schon in den letzten fünf Jahrhunderten auch im ländlichen Bereich von erheblicher Bedeutung war. Es nimmt zwar mit steigender Entfernung zum Zentrum Nürnberg ab, bleibt aber immer noch auf einem respektablen Niveau.

Wie drückt sich nun diese Tatsache im Bauwesen der Region aus, wie spiegelt sie sich konkret im ländlichen Hausbau wider – das sind letztlich die Fragestellungen, denen sich eine historische Haus- und Bauforschung widmen muss. Die für diese Untersuchung entscheidende Quelle stellen dabei die in Fachkreisen inzwischen geradezu berühmt gewordenen Nürnberger „Waldamtsakten“ mit ihren rund 5.300 Planzeichnungen dar, die erstmals bereits von Rudolf Helm in seiner Suche nach den Nürnberger Schwedenhäusern 1940 herangezogen wurden [1]. Glücklicherweise sind sie im letzten Jahrzehnt, dank der gemeinsamen Anstrengungen des Staatsarchivs Nürnberg und des Fränkischen Freilandmuseums in Bad Windsheim, erfasst, vollständig digitalisiert und mit Regesten der zugehörigen und die Erkenntnismöglichkeiten nochmals wesentlich erweiternden Schriftsätze versehen worden, so dass sie nun der Forschung ohne eigene Archivarbeit zur Verfügung stehen [2]. Wie wertvoll sie sind, zeigt gerade auch die Arbeit von Wenderoth, die ohne die „Waldamtsakten“ und ihre Pläne wohl kaum so hätte geschrieben werden können.

Wie schon bei der vorausgehenden Behandlung der Mietverhältnisse im Allgemeinen geht Wenderoth auch bei der baulichen Seite des Zur-Miete-Wohnens sehr systematisch vor, stellt alle möglichen Grundriss- und Bauformen vor (die er meist den Waldamtsakten entnimmt) und schiebt dabei auch immer wieder Vergleiche mit anderen Landschaften ein. Seine typologische Zusammenstellung reicht vom „Kleinsthaus“ mit nur zwei Räumen (Stube, Flurküche) über das „Kleinhaus“ mit drei bis vier Räumen (Flur, Stube, Küche, Kammer), nahezu so etwas wie die „Norm“, bis zum Doppelhaus und schließlich zum mehrgeschossigen und Mehr-Parteien-Mietshaus.

Das Zur-Miete-Wohnen findet in verschiedenen baulichen, sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhängen statt. Dabei kommt für das Land logischerweise der zu einem Bauernhof gehörenden Mietwohnung eine entscheidende Stellung zu, etwa wenn es sich dabei um ein „Hofhäuslein“ oder „Hofkästlein“ handelt, um in der Sprache der Zeit und Region zu bleiben. Solche kleinen Gebäude sind auf großen Höfen gerade im direkten und weiteren Nürnberger Umland spätestens seit dem 15. Jahrhundert relativ häufig nachzuweisen – sind sie aber mit unseren heutigen Auffassungen von einem Mietshaus tatsächlich kompatibel? Nach gängiger Vorstellung dienten sie eher als „Altsitz“ beziehungsweise „Austragshaus“, waren also Wohnung für die „Großelterngeneration“ – die dort freilich nicht zur Miete wohnte, sondern ein kostenfreies, unkündbares Wohnrecht hatte. Folgt man den vom Verfasser herangezogenen älteren Statistiken, bildete andererseits eine meist als Idealbild gezeichnete bäuerliche Dreigenerationenfamilie mindestens seit der Zeit um 1500 eher die Ausnahme, so dass sicherlich in vielen Fällen auch andere Personen hier untergebracht waren oder sich einmieten konnten. Doch der Umfang der Nutzung der Hofhäuser als Austrag lässt sich für den behandelten Zeitraum offenbar ebenso wenig genauer quantifizieren wie ihre Vermietung an Tagelöhner, die in wirtschaftlicher Verflechtung mit dem Bauern standen (dann hätten wir es gewissermaßen mit einer Dienstwohnung zu tun), oder bloße „Beständner“, also wirtschaftlich unabhängige Mieter, was wohl nur im Einzugsbereich der „Großstadt“ Nürnberg geläufigere Praxis war.

Die Unterbringung von „Mietern“ in anderen Gebäuden im und beim Hof, darunter im eigentlichen Bauernhaus selbst, auf die der Verfasser ebenfalls akribisch eingeht, dürfte dagegen eher marginal gewesen sein. Der Verfasser möchte aus der Anzahl der Stuben im (Bauern-)Haus auf Mietverhältnisse dann schließen, wenn mehr als eine Stube nachweisbar ist. Nun lässt sich anhand neuer Bauuntersuchungen inzwischen nachweisen, dass in sehr vielen Fällen auch das „Bauernhaus“, selbst wenn es nur eingeschossig angelegt ist, wie üblicherweise in Mittelfranken, schon seit dem 16. Jahrhundert eine zweite, die „Obere Stube“ mit eigener Feuerstelle besaß, was übrigens für die „Bürgerhäuser“ in den Städten spätestens seit der Zeit um 1400 gilt und spätestens ab dem 16. Jahrhundert den Normalfall darstellt. Auf diese zusätzliche Obere Stube, die mit Küche und Kammer zumeist eine Wohneinheit bildet, geht der Verfasser nicht näher ein, doch ist es keineswegs ausgemacht, dass darin eine eigene Mietwohnung zu sehen ist, vielmehr deutet sich ‑ zumindest außerhalb des Großraums Nürnberg ‑ an, dass darin Gästestuben, Feststuben oder auch Austragsstuben zu sehen sind. Aus Nachlassverzeichnissen geht dies z.T. auch aus der angegebenen Möblierung hervor. Das ist übrigens ein weiteres, noch unbeackertes Thema im Zusammenhang mit Mietwohnungen: Wurden sie etwa z.T. auch möbliert vermietet?

Was die Mietshäuser auf dem Land betrifft, so handelt es sich baulich gesehen nicht nur um Bauernhöfe, sondern dazu gehören, insbesondere im Nürnberger Umland, auch Herrensitze und Schlösser. Dass deren Gebäulichkeiten zugleich auch in relativ großem Umfang vermietet wurden, ist doch etwas überraschend und wohl erstmals vom Verfasser so umfassend untersucht worden. Dabei beschränkt sich das Hereinnehmen von „Beständnern“ nicht nur auf Nebengebäude und eigens errichtete Mietshäuser bei den Herrensitzen, sondern kann durchaus auch im Herrenhaus oder Schloss selbst stattfinden, ja manche Herrenhäuser waren schon lange vor 1800 nahezu völlig mit „Mietern“ belegt – was umgekehrt zeigt, dass die soziale Distanz offenbar doch nicht immer so groß war, wie wir sie im Allgemeinen annehmen.

Wohl am ehesten lassen sich die Mietverhältnisse in den gewerblich orientierten Siedlungen mit unseren heutigen vergleichen, vor allem hier hat es auch tatsächlich spezifische „Mietshäuser“ mit Wohnungen für mehrere Parteien gegeben. Es lassen sich gleichsam Arbeitersiedlungen mit Reihenanlagen größeren Ausmaßes, wie wir sie eigentlich erst für das 19. Jahrhundert erwarten würden, schon auffallend früh beobachten. Das unbestritten eindrucksvollste Vorzeigebeispiel dafür stellt der frühindustrielle Ort Hammer bei Nürnberg dar, wo nur für diesen Zweck gebaute Mietshäuser in ihrer Bauweise vom 16. bis ins 19. Jahrhundert verfolgt werden können. Hammer ist schon seit längerem nicht nur industriegeschichtlich, sondern auch baugeschichtlich genauer untersucht worden, wobei die bisherigen Ergebnisse durch den Verfasser nochmals präzisiert wurden; ein Mietshaus aus Hammer ziert schließlich auch den Umschlag. Freilich: Insgesamt gesehen sind dies in der Zeit vor 1800 Sonderfälle, die kaum verallgemeinert werden dürfen.

Was vom Verfasser zur Materialität und Ausstattung der Miets-Gebäude gesagt wird, gilt im vollen Umfang für den Hausbau allgemein, es lassen sich keine Unterschiede in der Bauausführung und Qualität erkennen, vermietete Häuser und Wohnungen können ärmlich, aber durchaus auch sehr qualitätsvoll sein, Raumhöhen und Raumgrößen entsprechen meist dem Durchschnitt des übrigen Bauwesens. Das zeigt sich ja schon beim Wohnstandard mit seinen vier weitgehend obligatorischen Räumen (Flur, Stube, Küche, Kammer), aber auch die konstatierte durchschnittliche Wohnungsgröße von etwa 40 Quadratmetern dürfte dem generellen Standard entsprechen. In vielen Fällen scheinen ähnliche Wohnverhältnisse übrigens nicht nur für die kleinen (die der Verfasser zumindest nebenbei mitberücksichtigt hat), sondern auch für größere Städte zu gelten, wobei hier schmerzhaft ein Blick auf die Verhältnisse in der Zentrale „Nürnberg“ vermisst wird, in der ja zur Miete wohnen sicher noch in einem viel größeren und wahrscheinlich noch viel differenzierteren Umfang stattgefunden hat.

Wenn wir ein Fazit ziehen wollen, so kann diese Arbeit, was die Fülle des ausgebreiteten Materials, die strukturierte Vorgehensweise und die Einordnung in sozioökonomische und überregionale Zusammenhänge angeht, als außerordentlich vorbildlich und anregend gelten. Hier zahlt sich auch der interdisziplinäre Ansatz aus, der Bauforschung am Objekt mit intensiver bildlicher und schriftlicher Quellenforschung verbindet. Dabei gebührt sogar im Fall des Mietshausthemas eindeutig den archivalischen Quellen der Vorrang: Ohne sie könnten Baubefunde gar nicht als zugehörig gewertet und interpretiert werden. Eine bloße Baudokumentation, und sei sie noch so umfangreich und maßgetreu, kann für ein solches letztlich genuin kultur- und sozialgeschichtliches Forschungsfeld erst in zweiter Linie und mehr unterstützend von Bedeutung sein und tatsächlich fällt auf, was für einen in der Denkmalpraxis erfahrenen Bearbeiter doch etwas überrascht, dass er insgesamt nur auf wenige, aus Sanierungsvorhaben entstandene Baudokumentationen zurückgreift beziehungsweise zurückgreifen kann.

Die Problematik, ohne schriftliche Unterlagen, nur anhand des Baus selbst, seiner Erscheinung und Bauweise, zu erkennen, ob es sich um ein „Mietshaus“ handelt oder nicht, verweist aber auf eine grundsätzliche, vom Verfasser dezidiert nie so recht angesprochene Tatsache: Von wenigen Ausnahmen abgesehen, die vor allem in Stadtnähe und in Gewerbeansiedlungen zu finden sind, gibt es eigentlich keinen grundlegenden Unterschied zwischen Häusern mit Wohnungen, die vom Eigentümer selbst genutzt wurden, und Wohnungen, die vermietet wurden. „Mietshaus“ ist also baulich gesehen keineswegs ein eigenständiger Haustyp, sondern beinhaltet letztlich die ganze Palette an seit dem späten Mittelalter entwickelten Wohnbaulösungen. Das heißt aber in der Konsequenz auch, dass es im praktischen Vollzug in den meisten Fällen keinen entscheidenden Unterschied zwischen Mietwohnen und Eigentumswohnen gegeben hat, was im Massenwohnungsbau seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bis heute, wenn wir die großen Mietskasernen bis hin zu Hochhäusern und Plattenbauten in den Blick nehmen, so nicht mehr gilt.

Anmerkungen

[1] Rudolf Helm: Das Bauernhaus im Gebiet der freien Reichsstadt Nürnberg. Berlin 1940.

[2] Herbert May u. Markus Rodenberg (Hg.): Der Reichswald. Holz für Nürnberg und seine Dörfer (Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums des Bezirks Mittelfranken 66; Schriftenreihe der Altnürnberger Landschaft e.V. 52). Bad Windsheim 2013, hier bes. S. 7.