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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Karin Bürkert/Matthias Möller (Hg.)

Arbeit ist Arbeit ist Arbeit ist … gesammelt, bewahrt und neu betrachtet

Tübingen 2019, Tübinger Vereinigung für Volkskunde e. V., 276 Seiten mit Abbildungen, meist farbig, ISBN 978-3-932512-99-5
Rezensiert von Felix Haigermoser
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 28.08.2020

„Arbeit ist Arbeit ist Arbeit ist...“ – das Stilmittel der Wiederholung im Titel der rezensierten Publikation kann als Zeichen der soziokulturellen Omnipräsenz und Vielfältigkeit des Phänomens gedeutet werden. ‚Arbeit‘ ist auch im Alltagsleben der breiten Bevölkerung ein wiederkehrender Begriff, an den sich je nach Kontext verschiedenste Akteur*innen, Motive, Meinungen und Fragestellungen knüpfen. Ob dieser gesellschaftlichen Relevanz verwundert es nicht, dass der Themenkomplex Arbeit in der Kulturwissenschaft ein in hohem Maß wichtiges wie ergiebiges Forschungsfeld war, ist und wahrscheinlich auch in Zukunft bleiben wird. Als Beispiel für das Forschen auf diesem Gebiet sei hier nur die dgv-Kommission Arbeitskulturen erwähnt, die sich bereits seit 1979 aus unterschiedlichsten Blickwinkeln mit der Thematik beschäftigt.

Die Publikation reiht sich in diese Forschungstradition ein und nähert sich dem Themenfeld Arbeit auf facettenreiche Art und Weise. Entstanden ist sie im Rahmen des dreisemestrigen Lehrforschungsprojekts „Vernetzt lernen, forschen, vermitteln: Sammlungen zur Arbeit – Arbeit in Sammlungen“, bei welchem baden-württembergische Sammlungen zum Thema Populär- und Arbeitskultur von 25 Masterstudierenden des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft (Tübingen) und des Instituts für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie (Freiburg im Breisgau) erforscht wurden.

Insgesamt fünf kulturhistorische Sammlungen – u.a. des Ludwig-Uhland-Instituts und des Badischen Landesmuseums – dienten dabei als Ausgangspunkt, um diese mit „aktuelle[n] kulturwissenschaftliche[n] Forschungsfragen [...] aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten“ (38). Dabei arbeiteten die Studierenden mit verschiedensten Archivalien und Exponaten, u. a. Fotografien, Kleidungsstücken, Zeitungsartikeln und Tonaufnahmen, die von der Gegenwart bis in das 19. Jahrhundert zurückreichen. Ziel war es, Vielfältigkeit, Aushandlungsprozesse und vor allem auch den konstanten Wandel der soziokulturellen Bedeutung von Arbeit zu beleuchten. Gerade historische Sammlungen seien dazu geeignet, da diese die „wiederkehrenden Motive und Reaktionen“ deutlich machen würden und damit „unser heutiges Nachdenken über Arbeit inspirieren“ könnten (10).

Die insgesamt 25 studentischen Beiträge sind, begleitet von einer ausführlichen Vorstellung der untersuchten Sammlungen, in sieben Kategorien bzw. Kapitel untergliedert und mit zahlreichen farbigen Abbildungen versehen. Einführend wird unter dem Titel „Arbeit ist ... gesammelt“ (37–53) der Bedeutung kulturhistorischer Sammlungen nachgegangen. Diese würden durch ihre „zeitliche Einordnung der unterschiedlichen und sich wandelnden Bedeutungsstrukturen von Arbeit“ (38) ein noch nicht voll ausgeschöpftes Potential für die kulturwissenschaftliche Arbeitsforschung bieten.

Die folgenden drei Kapitel bilden eine thematische Einheit und erforschen Arbeit als Determinante des sozialen Zusammenlebens. Die Beiträge widmen sich zunächst den Aushandlungsprozessen zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit („Arbeit ist ... strukturierend“, 53–85). Was kann uns in diesem Zusammenhang eine Stechuhr aus den 1930er Jahren heute sagen? Dieser Frage geht ein Beitrag nach und erforscht u. a. am Beispiel einer Stempeluhr und von Arbeitskleidung aus dem Museum der Alltagskultur in Waldenbuch die zunehmende Entgrenzung von Arbeit. Ferner werden die Normen und Werte, die mit Arbeit verbunden sind, sowie das Distinktions-Potential von Arbeit („Arbeit ist ... trennend“, 85–149) untersucht. Hierfür wird z. B. anhand von Kinderliteratur des 19. Jahrhunderts aufgezeigt, wie diese klare Geschlechter- und Arbeitsstereotype transportiert und in ihr Frauen bzw. Mädchen beispielsweise häufig als devote Helferinnen des Mannes im Haushalt dargestellt wurden, während „Männer meist kompetent und zielorientiert“ (87) gezeigt wurden. Dies habe zu einem Gefühl der Unterlegenheit und einem geminderten „Selbstwertgefühl“ (89) der Mädchen geführt und deren Berufschancen gemindert, so die Autorin. Der historische Zugang wird ferner dazu genutzt, um auf die auch heute noch wichtige Diskussion von in Kinderliteratur transportierten „Werte[n] und Normen“ (89) hinzuweisen, um ähnliche Muster in Zukunft zu vermeiden.

Arbeit als Triebfeder des Zusammenlebens von Menschen wird dann im folgenden Kapitel unter der Überschrift „Arbeit ist ... vergemeinschaftend“ (149–195) erforscht. Hierbei dienen u. a. Arbeiterliederbücher des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts als Grundlage und zeigen die Vergemeinschaftung der Arbeiter*innen in deren Liedgut: „Wir müssen schaffen früh am Morgen, / Bis spät die Nacht herniedersinkt.“ (161)

Im Kapitel „Arbeit ist ... bewegend“ (195–233) wird anschließend auf den Zusammenhang von Arbeit und Mobilität eingegangen. So dienen z. B. Fotografien des Badischen Landesmuseums von Gesellen auf der Walz als Aufhänger, um mit dem oftmals kolportierten Mythos der „ungebrochenen Kontinuität“ (195) der Walz zu brechen. Die Entwicklung der Gesellenwanderung wird hierbei anschaulich nachgezeichnet und sie wird als Phänomen, das „ständig an veränderte Umstände angepasst [wurde und wird]“ (201) identifiziert. Zuletzt widmen sich zwei Artikel dem Einfluss des technischen Wandels auf die Arbeitswelt („Arbeit ist ... am Verschwinden?“ (233–248). Anhand historischer Fotografien wird u. a. die Mechanisierung der Landwirtschaft als Spannungsfeld zwischen Mensch, Tier und Maschine erforscht und mit Hilfe von Zeitungsartikeln wird aufzeigt, dass die Ängste vieler Menschen „vor dem Neuen und Unbekannten“ (246) nicht ein erstarkendes Symptom der voranschreitenden Digitalisierung, sondern eine wiederkehrende Begleiterscheinung der „Geschichte des industriellen und technischen Fortschrittes“ (246) sind.

Zusammenfassend löst der vorliegende Band den programmatischen Untertitel „gesammelt, bewahrt und neubetrachtet“ also ein, indem er die Inhalte der Sammlungen „neu zu ‚lesen‘“ (39) versucht und Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart baut. Mehr als einen Überblick und ein erstes Eintauchen in unterschiedliche Themenbereiche kann und will die Arbeit dabei allerdings nicht leisten, dafür sind die meist fünf- bis sechsseitigen Beiträge zu kurz. Die Publikation eignet sich aber durch ihre gut nachvollziehbare Vorgehensweise gerade für Studierende, um einen Überblick über die verschiedenen Zugänge und Forschungsfragen kulturwissenschaftlicher Arbeitsforschung zu erlangen.