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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Katharina Bechler/Dietmar Schiersner (Hg.)

Aufklärung in Oberschwaben. Barocke Welt im Umbruch

Stuttgart 2016, Kohlhammer, 456 Seiten mit zahlreichen Abbildungen
Rezensiert von Alois Schmid
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 01.10.2020

Die Aufklärung, eine der großen Epochen der europäischen Kulturentwicklung, hat die Geschichte des gesamten Kontinents durch die Überwindung der Welt des Barock in vielen Bereichen in neue Bahnen gelenkt. Sehr nachhaltig wirkt sie bis in unsere Gegenwart herein. Es ist eine legitime Aufgabe landesgeschichtlicher Forschung zu überprüfen, wie diese Großbewegung in überschaubaren historischen Räumen aufgegriffen wurde. Denn sie stieß in den einzelnen Staaten, Territorien oder Herrschaften auf sehr unterschiedliche Voraussetzungen, die unterschiedliche Formen der Rezeption zur Folge hatten. Insofern müssen auch diese den gesamten Kontinent umspannenden Megatrends Gegenstand landesgeschichtlicher Forschung werden.

In diesem Sinne stellte sich eine Fachtagung des Landratsamtes Ravensburg und der Gesellschaft für Geschichte und Kultur in Oberschwaben vom 7. bis 9.  November 2012 das Thema »Aufklärung in Oberschwaben«. Diese historische Landschaft, die sich nicht an den Grenzziehungen der modernen Bundesländer orientierte, konnte wegen ihrer territorialen Struktur als ein für die Thematik besonders geeigneter Untersuchungsraum erscheinen. Der kleinräumige Herrschaftsaufbau mit Territorialfürstentümern, Reichsstädten, Bischofsstädten, Klosterstaaten, Hochstiften und sonstigen Herrschaften unterschiedlicher Größe und Bedeutung schuf sehr heterogene politische Verhältnisse und auch gesellschaftliche wie konfessionelle Voraussetzungen. Diese legen vor allem die Fragen nach dem Zusammenhang von Herrschaftsform, Konfession und Kulturleben nahe.

Vielen mit diesem Grundproblem verbundenen Einzelfragen geht der Band mit 20 lokal ausgerichteten Untersuchungen nach. Zur Behandlung kommen die Reichsstädte Augsburg, Ulm, Biberach oder Ravensburg, die Bistümer Augsburg und Konstanz, die Reichsstifte Petershausen oder Weingarten. Es wird (vor allem am Beispiel Wielands) nach den Verbindungen zu den Protagonisten der Bewegung im nördlichen Deutschland gefragt. Der Blick wird über die Geistesgeschichte hinaus auch in Nachbarbereiche wie Architektur, Malerei, Musik, Pädagogik, Bibliotheken usw. gerichtet. Die Untersuchungen zu den einzelnen Beispielen wurden jeweils örtlichen Spezialisten anvertraut, die der Leitfrage auf der Grundlage des lokalen Quellenmaterials unter Beiziehung der verfügbaren Forschungsliteratur nachgingen. Der Sammelband führte viele Größen der Landesgeschichte der Region, an ihrer Spitze Senior Peter Blickle († 2017), zu einem Arbeitsteam zusammen, das es versteht, den Aufsätzen eine gute Lesbarkeit und eine gefällige Präsentation durch geeignetes Illustrationsmaterial zu verschaffen. Alle Referate wurden für die Veröffentlichung zu weiterführenden wissenschaftlichen Beiträgen mit einem hilfreichen Anmerkungsapparat ausgearbeitet.

Das Ergebnis der Einzelstudien führt in mehrere Richtungen. Die Forderungen der Aufklärungsbewegung wurden in unterschiedlichem Ausmaß aufgegriffen und in wechselnden Formen umgesetzt. Sie erstreckten sich durchaus auch auf verfassungsgeschichtliche Erörterungen im Sinne des Republikanismus, so in Ulm. Doch zielten sie insgesamt mehr in Richtung einer moderaten Rezeption. Sie erfolgte in gleicher Weise auf katholischer wie evangelischer Seite. Als Grundtendenz zeichnen sich das Bemühen um Zurückdrängung der theoretischen Diskussion und die Frage der praktischen Umsetzung in der Lebenswirklichkeit ab, auch wenn die vielen Aspekte der Reformtätigkeit in Staat und Gesellschaft nicht weiter in den Mittelpunkt gerückt werden. Der Band trägt hilfreich zu einer differenzierten Sicht des Phänomens der Aufklärung bei. Sie erhielt im oberdeutschen Raum ihre eigene Ausprägung, die aus den spezifischen Gegebenheiten erwuchs. Anders als im nördlichen Deutschland gaben hier nicht Universitäten und Akademien oder herausragende Theoretiker den Ton an. Hier bestimmen die Träger weniger bekannter Namen das Bild. Den Herausgebern ist mit großzügiger Förderung aus Wirtschaft und Öffentlichkeit ein gefälliger Band gelungen, der geeignet ist, eine Grundfrage der Kulturentwicklung auch für breitere Interessentenkreise zu erschließen.