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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Hanna Katharina Dornieden

Der kurbayerische Hofbaumeister Johann Gunezrhainer (1692–1763)

Petersberg 2019, Michael Imhof, 560 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Rezensiert von Britta Kägler
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 05.10.2020

Der Titel der vorliegenden Monographie von Hanna Katharina Dornieden hält, was er verspricht. Auf mehr als 500 Seiten und mit hunderten von – größtenteils farbigen und oft großformatigen – Abbildungen präsentiert die Autorin die Ergebnisse ihrer Forschungen über den Münchener Hofbaumeister Johann Gunezrhainer. Der diesem in der Forschung zugeschriebene zweite Vorname Baptist wird freilich im Taufbucheintrag der Münchener Pfarrei St. Peter nicht erwähnt – hier wird als Name nur „Joannes“ angegeben (S. 15). Der Autorin geht es um den Werdegang dieses kurbayerischen Baumeisters (Teil 1) und um sein Werk (Teil 2: Werkkatalog). Die kunsthistorische Studie, die im Jahr 2016 an der Universität Osnabrück als Dissertation angenommen wurde, leistet dabei Kärrnerarbeit: So weist Dornieden in der Einleitung völlig zu Recht darauf hin, dass der bisherige Forschungsstand zu Gunezhrainer größtenteils noch auf den Forschungen von Norbert Lieb aus den 1940er Jahren beruhte. Sie begegnet diesem Umstand mit umfassenden Archivrecherchen, die es ermöglichen, Gunezrhainers Werdegang im Umfeld des Münchener Hofbauamtes nachzuvollziehen. Hierzu gehört nicht nur, dass Dornieden verwandtschaftliche Netzwerke offenlegt, sondern Gunezrhainer auch von anderen zeitgenössischen Baumeistern abgrenzt. Dies geschieht auf mehreren Ebenen: der sozialen Verortung der Baumeister, der Rekonstruktion ihrer Lehr- und Wanderjahre, jeweils verknüpft mit der Frage, mit welchen Bautraditionen und Bauaufträgen sie hierbei in Berührung kamen, und schließlich auf der Ebene einer kunsthistorischen Bewertung einzelner Hauptwerke.

In Bezug auf Gunezrhainer selbst ist mit diesen Aspekten freilich nur ein Ausschnitt der vielschichtigen Studie abgedeckt. Dornieden formuliert das Ziel, den Werdegang und das Werk eines höfischen Baumeisters des 18. Jahrhunderts exemplarisch nachzeichnen zu wollen (S. 11). Es geht ihr darum, welche Bedeutung die Herkunft eines Baumeisters spielte und inwiefern sie für den Einstieg in den Hofdienst relevant war. Zwar skizziert Dornieden die gesicherten Erkenntnisse zur Biographie Gunezhrainers vergleichsweise knapp (S. 17–19), bettet sie dann jedoch überzeugend in einen – werkgeschichtlich ausgerichteten – Überblick zu den familiären Netzwerken ein. Weil Johann Gunezrhainer erst knapp sieben Jahre alt war, als sein Vater Martin verstarb, wird der Stiefvater und Maurermeister, Johann Mayr d. Ä. (1643–1718), für Johann prägender als sein leiblicher Vater, der Münchener Stadtbaumeister gewesen war. Dornieden fächert aber beide Bereiche auf, sowohl das Stadtmaurerwesen in München, in dem sie die Gunezrhainersche Familie verortet, als auch das erfolgreiche Hausstätter Familienunternehmen (S. 21f.), das Johann Mayr d. Ä. zu einem einflussreichen Bauunternehmen ausgestaltete.  

Aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive zeichnet sich die vorliegende Studie vor allem durch ihr Interesse an den Strukturen und Abläufen des Münchener Hofbauamtes aus. Hier ergeben sich interdisziplinäre Synergien, wenn nicht nur nach der – stilistischen – Ausgestaltung von Architektur, sondern auch nach dem „Warum?“ von Entscheidungsprozessen, Materialwahl oder Auftraggebern gefragt wird. Einen entsprechenden Schwerpunkt möchte diese Besprechung wiedergeben. Denn Dornieden liefert nicht nur Antworten auf die Fragen, wie das kurfürstliche Hofbauamt strukturiert war, welche Zuständigkeiten in sein Ressort fielen und welche Aufträge qua Amt an einen Hofbaumeister gingen (S. 45–50). Vielmehr kreist die gesamte Struktur der Studie immer wieder um die Abläufe des Münchener Bauamts und Gunezhrainers Nähe zum Hof. Im Kapitel 4 werden zunächst die Grundlagen des Hofbauamtes mit Blick auf personelle Hierarchien, die wichtigsten Amtsträger und ihre Befugnisse gelegt, bevor in Form einer Mikrostudie näher auf Gunezrhainers Rolle im Lustbauwesen (1715–1726) eingegangen wird. Zwei jeweils parallel konzipierte Kapitel nehmen im Folgenden die Gutachtertätigkeit für den Geistlichen Rat in Augenschein (Kap. 5 und 10). Sie liefern ein detailliertes Bild von Gunezhrainer als erfahrenem Baupraktiker, der bereits in jungen Jahren um bautechnische Gutachten gebeten wurde, u.a. im Rahmen der Barockisierungsmaßnahmen des Freisinger Doms (S. 81). Andere Kapitel widmen sich – jeweils chronologisch dem Karriereverlauf Gunezrhainers folgend – den verschiedenen Auftraggebern, von Adeligen, Hofbeamten und Äbten bis hin zu militärischen Bauaufträgen des Landesherrn. Diese Vielzahl an Bauherren gibt zugleich eine Ahnung davon wie vielfältig die jeweiligen Bauaufträge sein konnten: u.a. Sakralbauten, Schlösser, Stadtpaläste, Zeughäuser, Kasernen oder Brauereien.

Gunezrhainer war von 1721 bis zu seinem Tod im Jahr 1763 als Hofbaumeister tätig, zunächst als Unterhofbaumeister und nach dem Tod Joseph Effners ab 1745 als Oberbaumeister. Die Stärke der vorliegenden Studie liegt in ihrer großen Quellenkenntnis. Detailreich wird herausgearbeitet, wie viele Reisen mit der Gutachtertätigkeit, aber auch der Betreuung auswärtiger Baustellen, vor allem sakraler Umbauprojekte verbunden waren oder welche „Tricks“ bei hoch angesetzten Kostenvoranschlägen genutzt wurden. So gibt Gunezrhainer Ende des Jahres 1731 zu, dass die Kostenkalkulation für die Haager Brauerei „bey iezigen gelt clammen Zeiten zimblich hoch und bedenkhlich scheinen“ (S. 126) und teilt die Kosten im Handstreich auf drei verschiedene Voranschläge auf, um erschreckend hohe Einzelbeträge zu vermeiden. Gleichzeitig wechselt sich diese Detailfreude immer wieder mit knappen Einordnungen ab, die es Lesern mit unterschiedlichstem Vorwissen erleichtern, das Baugeschehen einzuordnen. Etwa wenn Dornieden mit beinahe ironischem Unterton erläutert, dass die ersten Jahre des 18. Jahrhunderts nun eben gerade kein „besonders günstiger Zeitpunkt [waren], um ein florierendes Maurerunternehmen aufzubauen“, weil während des Spanischen Erbfolgekrieges die Bautätigkeit in der Residenzstadt und im Kurfürstentum fast völlig eingestellt worden war (S. 35).

Ob die Entscheidung für Endnoten statt Fußnoten richtig war, wird sicherlich jeder Leser für sich anders beurteilen. Das jetzige Layout birgt zumindest die Gefahr, dass viele ergänzende Informationen leicht(er) übersehen werden. Oft muss der Leser selbst Bezüge zwischen weit verstreuten, eigentlich aber zusammengehörenden Inhalten herstellen: Etwa, wenn Dornieden einführend darauf verweist, wie streng die Münchener Maurerzunft im 18. Jahrhundert das bürgerliche Bauwesen kontrollierte (S. 33) und darauf achtete, dass Bauaufträge innerhalb der Stadt ausschließlich von städtischen Meistern übernommen werden durften. Versteckt in der Fußnote 1495, die sich auf Ausführungen auf S. 354 beziehen, finden sich diesbezüglich wertvolle quellengestützte Zusatzinformationen.

Auch der Werkkatalog (S. 343–421) enthält zahlreiche Quellenauszüge sowie zu jedem aufgeführten Bauvorhaben Hinweise auf Quellen und weiterführende Literatur. Dornieden würdigt Gunezrhainer abschließend als einen Architekten, dessen individuelle Stärke im Bereich des Sakralbaus lag, für den Dornieden vor allem beim ländlichen Kirchenbau einen charakteristischen „Gunezrhainerstil“ (S. 338) ausmacht. Auch wenn er gestalterisch nicht an Joseph Effner heranreicht, sondern im (höfischen) Profanbau in dessen Schatten und erkennbar als Effner-Schüler arbeitete, sprach die zeitgenössische Nachfrage ganz klar für Gunezrhainer. Inwiefern seine weniger komplizierten Entwürfe auch deswegen bei Auftraggebern gefragt waren, weil sie kostengünstiger waren als komplexe Acht-Arkaden-Oktogone von Johann Michael Fischer, sei dahingestellt. Viel wichtiger erscheint es, abschließend zu betonen, dass das Verdienst der Studie vor allem darin besteht, den Arbeitsalltag eines höfischen Barockbaumeisters in all seinen schillernden, aber auch glanzlosen Facetten darzulegen und so einen Beitrag zur Kulturgeschichte des süddeutschen Barocks zu leisten. Gunezrhainer als Mittler zwischen profan-höfischem und sakral-ländlichem Bauwesen bezeichnet Dornieden zu Recht als einen wichtigen „Motor der von München ausgehenden Kunstproduktion im Kurbayern des 18. Jahrhunderts.“ (S. 342)

Die Studie wird durch einen Plankatalog und einen Quellenanhang zu Leben und Werk Gunezrhainers ergänzt und ist durch ein Personen- und ein Ortsregister vorbildlich erschlossen.