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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Thomas Zotz

Die Zähringer. Dynastie und Herrschaft

Stuttgart 2018, W. Kohlhammer, 296 Seiten
Rezensiert von Markus Christopher Müller
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 14.10.2020

Pünktlich zum 800. Todestag des letzten männlichen Zähringers, mit dem im Jahr 1218 die einst mächtige Dynastie erlosch, legte Thomas Zotz eine Gesamtdarstellung der Geschichte der schwäbischen Adelsfamilie vor. Zeitweise von ähnlicher Bedeutung wie die Staufer und Welfen, fielen die Zähringer auch wegen mangelnder historiographischer Würdigung in die zweite Reihe der geschichtlichen Memoria zurück. Umso erfreulicher ist es, dass sich mit dem Freiburger Mediävisten, der sich sein gesamtes Forscherleben lang mit der mittelalterlichen Geschichte des deutschen Südwestens befasst hat, ein Experte der Aufgabe gestellt hat, die fehlende Monographie zu verfassen.

Ausgehend von der Forschungsgeschichte (S. 17-20) weist Zotz auf die jahrhundertelange „Engführung“ der Geschichte der Zähringer mit der Geschichte Badens hin, die sich maßgeblich aus den Legitimierungsstrategien der badischen Markgrafen und späteren Großherzöge ergeben habe. Sehr nah an den Quellen problematisiert der Autor die Überlieferungssituation zur Geschichte der Zähringer, ohne allerdings deshalb seinen Anspruch aufgeben zu müssen, eine umfassende Geschichte der schwäbischen Adelsfamilie schreiben zu wollen. In einem genealogischen Kapitel (S. 24-38) stellt Zotz die Verwandtschaft der später als Zähringer firmierenden Adelsfamilie mit den alaholfingischen Herzögen des merowingischen Schwabens heraus. Besonders die Bedeutung von Leitnamen für die frühmittelalterliche Familienforschung stützt hierbei seine Argumentation. So verwundert es auch nicht, dass die Zähringer ob des häufigen Gebrauchs des Vornamens „Berthold“ lange Zeit als „Bertholde“ firmierten. Für diese Familie lässt sich bereits eine Nähe zu den frühen Königen und Kaisern aus dem Geschlecht der Salier nachweisen. Graf Berthold (I.) konnte deshalb etwa um das Jahr 1050 seinen Anspruch auf das Herzogtum Schwaben anmelden. Stattdessen erhielt er im Jahr 1061 die Herzogswürde von Kärnten.

Sein Sohn Berthold II. heiratete Agnes von Rheinfeld und gründete mit ihr die Linie der Zähringer. In den jahrzehntelangen Konflikten zwischen Papst und Kaiser stellten sich die Zähringer auf die Seite des Papstes. Den Investiturstreit betrachtet Zotz deshalb als „Schlüssel zum Verständnis“ (S. 205) der politischen Weichenstellungen des 11. Jahrhunderts gerade für die Zähringer. Nicht sie, sondern die Staufer, die auf Seiten des Kaisers gestanden hatten, wurden mit dem Herzogtum Schwaben belehnt. Dafür erhielt Berthold II. die Stadt Zürich als Reichslehen, wie Otto von Freising in seinen Gesta Friderici berichtet. Im Ausgleich mit den Staufern, die das Herzogtum Schwaben auch in der Folgezeit für sich behaupten konnten, wurde der Titel „Herzog von Zähringen“ üblich, der keiner wirklich territorialen Herzogswürde entsprach. Daraus ergibt sich die Frage, über welche Territorien die Zähringer denn eigentlich herrschten. Deren „terra ducis“ (S. 66-75), wie sie Otto von Freising als Zeitgenosse nennt, erstreckte sich um das Jahr 1200 entlang des Oberrheins und setzte sich mehrheitlich aus Reichs- und Kirchenlehen sowie aus Klostervogteien zusammen; personelle Netzwerke und Loyalitäten (S. 76-80) halfen den Herzögen von Zähringen dabei, ihre Herrschaft zu stabilisieren. Vor allem die Bedeutung ihrer Städtepolitik betont Zotz hierbei wegen der Zahl der neugegründeten Städte. Erweitert wurde dieser Herrschaftsbereich um das Rektorat Burgund (S. 81-85), wodurch trotz der Widerstände, mit denen die Zähringer dort bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu kämpfen hatten, ein nicht zu vernachlässigender Machtfaktor im Südwesten des Reiches entstand.

Großen Raum widmet der Autor dem Verhältnis von Zähringern und Staufern, ausführlich dargestellt am Verhältnis von Herzog Berthold IV. und König Friedrich I. Barbarossa (S. 100-134). Immer wieder gelingt es Zotz dabei, die anhand der Protagonisten erzählte Geschichte der schwäbischen Dynastie durch systematische Kapitel, etwa zu Kultur und Mäzenatentum (S. 170-176) sinnvoll ergänzend zu durchbrechen. Mit einer letzten Verhältnisbestimmung von Berthold V. und König Friedrich II., von denen nur noch zwei persönliche Treffen (S. 179) nachweisbar seien, endete mit dem Tod des letzten Zähringers am 18. Februar des Jahres 1218 der Konflikt der beiden schwäbischen Adelsfamilien. Wenige Jahrzehnte vor dem eigenen Aussterben versuchten die Staufe noch einmal, das Erbe der Zähringer im Südwesten des Reiches (S. 182-190) an sich zu bringen. Ebenso traten die Grafen von Urach-Freiburg und die Grafen von Kyburg in die Fußstapfen der Zähringer, ohne deren Bedeutung je zu erreichen. Ein letztes Kapitel widmet Zotz daher der Memoria an die ausgestorbenen Dynastie (S. 191-204), um die sich neben den genannten gräflichen Familien Jahrhunderte später auch die Habsburger und ab dem 18. Jahrhundert auch die Markgrafen und späteren Großherzöge von Baden gerade in historiographischer Weise bemühten.

Insgesamt bietet Thomas Zotz eine äußerst lesenswerte Einführung in die Geschichte einer Familie, die zahlreiche zentrale Akteure der südwestdeutschen Geschichte des Hochmittelalters stellte. Die bis in die Gegenwart gepflegte Erinnerungskultur zeugt von ihrer Bedeutung: In der ehemaligen Klosterkirche St. Peter im Schwarzwald, vormals Hauskloster und Grablege der Zähringer, erinnern noch heute die von Joseph Anton Feuchtmayer stammenden lebensgroßen Figuren im Kirchenschiff an die Stifter aus der schwäbischen Adelsfamilie. Auch in den Zähringerstädten, besonders in Freiburg im Breisgau, zeigt sich das Gedenken an die Zähringer lebendig. Der Bertholdsbrunnen erinnert an Berthold III. als Gründer der Stadt und Berthold V., mit dem die Familie im Mannesstamm erlosch, fand dort im Münster seine letzte Ruhestätte.

Das selbst gesetzte Ziel, die Bedeutung und Rolle der Zähringer im Südwesten des alten Reiches gerade im 12. und frühen 13. Jahrhundert aufzuzeigen und ihre Geschichte nachzuzeichnen, gelingt Thomas Zotz in hervorragender Weise. Der leserfreundliche Aufbau erleichtert dabei den Zugang auch für ein außeruniversitäres Publikum. Der Fachwissenschaftler muss deshalb auf Fußnoten verzichten und sich mit Endnoten begnügen, die zusammen mit einem umfassenden Quellen- und Literaturverzeichnis sowie einem Register das Taschenbuch abschließen. Der Verlag W. Kohlhammer ergänzt damit sein bisheriges Sortiment, das bereits Überblicksdarstellungen zu den Staufern und den Welfen aufweist, um diese wertvolle Arbeit zu den Zähringern.