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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Nikola Langreiter

Gertrud Pesendorfer und die Trachtenerneuerung. Glossar zu einem Forschungsprojekt

Innsbruck 2019, Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft mbH, 87 Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-900083-82-3


Rezensiert von Birgit Jauernig
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 27.08.2021

Ungewöhnlich, aber unbedingt nachahmenswert ist es, die Ergebnisse eines mehrjährigen Forschungsprojektes in Form eines handlichen Glossars zusammenzufassen, um Laien übersichtliche und verständlich aufbereitete Informationen in die Hand zu geben. Das Glossar ist vor allem an Museumsbesucher_innen und Mitglieder von Trachtenvereinen gerichtet, die sich über die Verstrickungen der organisierten Volkskultur in Tirol mit dem NS-Regime informieren möchten und denen der umfangreiche wissenschaftliche Aufsatzband „Tracht. Eine Neuerkundung“ von 2020 zunächst ein zu großes Hindernis sein mag. Bedauerlicherweise fiel die gleichnamige Ausstellung im Tiroler Volkskunstmuseum in die Zeit der Museumsschließungen während der Corona-Pandemie.
Der Autorin Nikola Langreiter gelingt es, die Leser_innen mit wenigen knappen Sätzen und Fragen in das Thema einzuführen. Die folgenden 17 gut illustrierten Beiträge stellen das Forschungsprojekt „Tiroler Trachtenpraxis im 20. und 21. Jahrhundert“ vor, die wesentlichen Akteur_innen und Institutionen vor und nach 1945, gehen auf die Rolle von Trachtenbildern und auf museale Darstellungs- und Sammlungsweisen ein und umreißen Begriffe wie „Tracht“, „Trachtenerneuerung“ und „Volkskultur“. Das Forschungsprojekt (2014–2019) war neben sechs weiteren Projekten zum Thema „Volkskultur und Nationalsozialismus“ aus dem Förderschwerpunkt „Erinnerungskultur“ hervorgegangen, der vom Land Tirol in Folge öffentlicher Debatten über die Nachwirkungen nationalsozialistischer Ideen und Konzepte eingerichtet worden war. Zuvor war in einem Gutachten unter anderem auf Forschungsdefizite zu der im Tiroler Volkskunstmuseum 1939 eingerichteten „Mittelstelle Deutsche Tracht“ und zu den Tätigkeiten von Gertrud Pesendorfer hingewiesen worden, der Leiterin der Mittelstelle und auch nach 1945 maßgeblichen Trachtenpflegerin in Tirol. Das Gutachten vermerkte außerdem, dass die bisherigen Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung über die Einflussnahme der NS-Ideologie auf das Trachtenwesen die Öffentlichkeit und besonders die Akteur_innen innerhalb der Volkskultur nicht erreicht hätten. In Kooperation zwischen dem Tiroler Volkskunstmuseum und dem Fach Europäische Ethnologie an der Universität Innsbruck sind diese Desiderate im Rahmen des Forschungsprojektes beispielhaft aufgearbeitet worden. Die Autorin Nikola Langreiter hat bewiesen, dass auch höchst komplexe Themen an ein nicht wissenschaftlich geschultes Publikum vermittelt werden können. Man sollte sich ein Beispiel daran nehmen.