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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Ulrike Kammerhofer-Aggermann/Verena Maria Höller (Hg.)

„… meiner lieben Frau Ehegattin Maria Anna geborene Mozart ...“. Ehekontrakt, Testament und Nachlassinventar des Johann Baptist von Berchtold zu Sonnenburg (†1801)

(Salzburger Beiträge zur Volkskunde 28), Salzburg 2020, Salzburger Landesinstitut für Volkskunde, 478 Seiten mit 106 Faksimile und 1 Farbabbildung, ISBN 978-3-901681-20-2


Rezensiert von Elias Knapp
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 20.08.2021

Einer breiteren Öffentlichkeit ist Johann Baptist von Berchtold zu Sonnenburg (1736–1801) vor allem durch seine dritte Ehe mit Maria Anna Mozart (1751–1829) beziehungsweise „Nannerl“ bekannt, mit der er von 1784 bis zu seinem Tod verheiratet war. Der Schwiegersohn des Salzburger Hofmusikers Leopold Mozart und Schwager von Wolfgang Amadeus Mozart entstammte dem niederen Adel, war Pfleger in St. Gilgen, also ein landesfürstlicher Beamter im Dienst des Salzburger Erzbischofs, und wurde 1792 in den Reichsfreiherrenstand erhoben.
Der zu besprechende Band ist das Ergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit der Historikerinnen Christina Grandl, Verena Maria Höller, Anna-Magdalena Samardzic und der Musikwissenschaftlerin Eva Neumayr unter der Leitung und maßgeblichen Bearbeitung der Volkskundlerin Ulrike Kammerhofer-Aggermann. Im Fokus stehen – anders, als man es anhand des Titels zunächst vermuten würde – nicht nur Ehekontrakt, Testament und Nachlassinventar des 1801 verstorbenen Sonnenburg, sondern insbesondere auch seine Ehefrau Maria Anna; es handelt sich also nicht um eine reine Edition. Die Publikation hat zwei Schwerpunkte: 1. Die Besprechung der edierten Quellen und deren Aussagekraft zur Lebenswelt von Johann Baptist von Berchtold zu Sonnenburg und Maria Anna Mozart. 2. Die Betrachtung und Einordnung der Lebenswelt von Maria Anna Mozart mit ihren Verpflichtungen ihren sozialen Rollen entsprechend und ihren Entfaltungsmöglichkeiten.
Der Band ist damit inhaltlich in zwei Abschnitte gegliedert: Der erste widmet sich, nach einer Einleitung (Kammerhofer-Aggermann) und einer Erklärung der Transkriptionsrichtlinien (Grandl, Höller, Samardzic), den darin publizierten Quellen. Ulrike Kammerhofer-Aggermann bespricht die Inhalte des Ehevertrags und des Testaments, woran jeweils die Transkription angehängt ist. Des Weiteren erhalten die Leserinnen und Leser einen ausführlichen Einblick in die Familiengeschichte der Berchtold zu Sonnenburg, der wesentliche Informationen zu Johann Baptists Eltern, Geschwistern, Ehen und Kindern bietet. Da viele dieser Personen jedoch bereits in den Kapiteln zu Ehevertrag und Testament eingeführt wurden, stellt sich die Frage, weshalb die Genealogie nicht an den Beginn gestellt wurde, denn dadurch hätten einige Doppelungen vermieden werden können. Auf die Familiengeschichte folgt die Transkription des Verlassenschaftsinventars. Neben den Transkriptionen enthält der Band hochwertige Abbildungen der Originaldokumente. Das bringt die Leserinnen und Leser deutlich näher an die Quellen als eine übliche Edition und ermöglicht das Gegenlesen. Die Abbildungen sind zwar aufgrund des Buchformats recht klein, aber lesbar. Die Transkriptionen scheinen sauber gearbeitet und die Kommentierung bietet Hilfestellung bei weniger geläufigen Begrifflichkeiten.
Dem Inhalt des Verlassenschaftsinventars widmen sich im Anschluss drei Kapitel. Der Buchbesitz (Höller) und die Finanzen (Grandl) Sonnenburgs werden in kürzeren Abschnitten separat besprochen. Daneben setzt sich Kammerhofer-Aggermann mit dem Inventar als Ganzem auseinander, wobei der Fokus auf der Wohnung liegt. Sie liefert Grundinformationen zum Inventar und ordnet die darin überlieferte Sachkultur versiert in den historischen Kontext ein (u. a. unter Verwendung zeitgenössischer Abbildung mit Bezug auf Kleidung und Accessoires). Regelmäßig wird der Vergleich zu den bereits publizierten Nachlassinventaren von Salzburger Kaufleuten und des Kaffeehausbesitzers Anton Staiger (heute Tomaselli) gezogen. Dadurch können durchaus interessante Parallelen und Unterschiede zwischen dem Besitz des adeligen, landesfürstlichen Beamten und der Salzburger Stadtbürger aufgezeigt werden; so hatte Sonnenburg anders als die Kaufleute keinen eigenen Haus- und Grundbesitz, doch besaß er wie diese repräsentative Waffen und vornehmes Silbergeschirr. Das hinterlassene Vermögen war nach den Abzügen mit 28 146 Gulden durchaus beträchtlich, wenngleich es neben jenem der recht wohlhabenden Kaufleute (wie z. B. Azwanger, Hagenauer, Spängler, Späth und Triendl) niedrig erscheint. Die Besprechungen der Inhalte des Verlassenschaftsinventars zeugen von einer vertieften Kenntnis der Quelle und der zum Vergleich herangezogenen Inventare. Allerdings geht die sehr genaue Aufzählung und Beschreibung der einzelnen Objekte in der Wohnung mitunter auf Kosten der Lesbarkeit, und eine stärkere Binnengliederung dieses sehr langen Kapitels wäre für die Orientierung hilfreich gewesen.
Der zweite inhaltliche, deutlich kürzere Teil beschäftigt sich hauptsächlich mit Maria Anna Mozart. Kammerhofer-Aggermann berichtet in einem biografisch angelegten Kapitel versiert über die Lebenswelten, in denen sich Maria Anna Mozart bewegte, und gibt interessante Einblicke in die Rollen, die sie im Laufe ihres Lebens auszufüllen hatte – unter anderem als Tochter, die dem Vater den Haushalt führte, als Ehefrau, als Mutter, als Witwe. Daran schließt Verena Maria Höller mit einer Besprechung der bereits publizierten Nachlassregelung an, denn Maria Anna Mozart hinterließ bei ihrem Tod 1829 ein für eine Beamtenwitwe nicht geringes Vermögen von ca. 7 837 Gulden. Das Leben der Maria Anna Mozart wird schließlich durch eine Analyse der Lebenswege anderer Salzburger Musikertöchter des 17. und 18. Jahrhunderts sehr gewinnbringend kontextualisiert. Durch einige anschauliche Beispiele zeigt Eva Neumayr deren prekäre Lebenssituationen und Chancen auf. Nicht zuletzt dadurch wird deutlich, dass Maria Anna Mozart durch ihre Heirat in vergleichsweisem Wohlstand und künstlerischer Freiheit leben konnte. So schließt Neumayr: „Fast ist man versucht zu glauben, sie [Maria Anna Mozart] hätte unter allen den Töchtern von Musikern das große Los gezogen, woran ihr Vater Leopold Mozart nicht ganz unbeteiligt gewesen sein dürfte.“ (463)
Kritisch zu sehen sind die bereits angesprochenen häufigen inhaltlichen Doppelungen zwischen den einzelnen Kapiteln. Zudem ziehen sich einige Uneinheitlichkeiten und Ungenauigkeiten durch den ganzen Band: So wird zum Beispiel das Alter des Protagonisten Johann Baptist von Berchtold zu Sonnenburg mehrmals falsch angegeben (49, 413).
Insgesamt leistet die Publikation aber, was sie leisten möchte: Sie bietet anhand der transkribierten Quellen einen Einblick in die Lebenswelt und die Sachkultur der Familie „Sonnenburg-Mozart“ und stellt im zweiten Teil den Lebensweg und die Rollen von Maria Anna Mozart in den historischen Kontext. Die Möglichkeit, selbst einen Blick auf die Originaldokumente zu werfen, wertet den Band zusätzlich auf. Somit liegt auch aus der Gruppe der adeligen landesherrlichen Beamten Salzburgs nunmehr ein sachkundig bearbeitetes Nachlassinventar vor.