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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Albrecht Steinecke

Kreuzfahrttourismus

Konstanz/München 2018, UVK/Lucius, 252 Seiten mit 60 Abbildungen und 10 Tabellen, ISBN 978-3-8252-4914-4


Rezensiert von Burkhart Lauterbach
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 20.09.2021

Einem der rührigsten Wissenschaftler auf dem Sektor der multidisziplinären Tourismusforschung, Albrecht Steinecke, gebührt das Verdienst, eine der ersten deutschsprachigen Monografien (jenseits der Flut von Bachelor- und Masterarbeiten) zum Phänomen des Kreuzfahrttourismus vorgelegt zu haben, jenem „Synonym für die Ferne, das Abenteuer und den Luxus“ (13), welches einerseits hohe Wachstumsraten aufweist, andererseits über eine lediglich marginale Bedeutung innerhalb des gesamten urlaubsbezogenen Marktgeschehens verfügt. Man spricht deshalb auch von einem „touristischen Nischenmarkt“ (15), welcher sich dadurch auszeichnet, dass er eine Mélange darstellt aus den Faktoren: Transport, Route, Zielgebiet, Schiff, Beherbergung, Verpflegung, Entertainment, Atmosphäre, Reiseleitung, Betreuung, Ausflugsprogramm, Hafenleistung, Anreise, Abreise (16 f.).
Und es ist die Aufgabe des Steinecke’schen Einführungs-Studienbuchs, in bewährt systematisch-didaktischer sowie problemorientierter Art und Weise dieses Marktsegment vorzustellen, anschaulich vermittelt durch Text und Bild, Tabellen und Grafiken sowie ein ausgesprochen umfangreiches Literaturverzeichnis. Sechs Hauptkapitel präsentieren Auseinandersetzungen mit zentralen Merkmalen, der Geschichte, Entwicklung und Bedeutung von Kreuzfahrten innerhalb des gesamten touristischen Marktes; mit Strukturen und Dynamiken der Branche und der dazugehörigen touristischen Kundschaft; mit den hauptsächlichen Zielregionen (Karibik, Mittelmeer, Asien, Antarktis und Arktis); mit Marketing sowie Management der Reedereien (Angebotsdifferenzierung, Marktsegmentierung, Marketing-Mix); mit (ökonomischen, ökologischen sowie sozialen und kulturellen) Effekten von Kreuzfahrten; schließlich mit den einschlägigen Perspektiven dieses Marktes.
Wenn im Vorwort die Rede davon ist, dass wir es mit einem durchaus „konfliktträchtigen“ Handlungsfeld zu tun haben, welches sich in einer „ambivalente[n] Situation“ befinde und daher entsprechend dargestellt und hinterfragt werde (6), dann muss man aus kulturwissenschaftlicher Perspektive konzedieren: Dieser Anspruch wird eingelöst, nicht nur, aber auch durch die nachdrückliche Behandlung der genannten drei Kategorien von Effekten, also Auswirkungen oder Folgen der behandelten Aktivitäten. Just an dieser Stelle allerdings wünscht man sich eine thematische Ergänzung, die hier in Form einer Reihe von Fragen formuliert sei: Was bleibt eigentlich von einer Kreuzfahrtreise übrig, wenn man sich wieder im eigenen Heim einfindet? Was macht dieser spezifische Reisestil mit den reisenden Akteur*innen? Welche sind die Entsprechungen, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen dem eigenen Alltagsleben daheim und dem vorübergehenden Sich-Aufhalten unterwegs, bezogen auf Fragen des Wohnens (etwa im Mietshaus), der Bekleidung, des Tagesablaufs, der Nachbarschaft, der Kommunikation, des Konsums und weiterer Aktivitäten? Auch derartige Thematisierungen gehören zu den sozialen und kulturellen Effekten von Kreuzfahrten.
Im Übrigen darf man gespannt sein auf weitere Auflagen des Bandes, die ihm auf jeden Fall zu wünschen sind, denn die Corona-Pandemie seit dem Frühjahr 2020 hat ohne Zweifel in deutlicher Weise vorgeführt, wie krisenanfällig in jeder nur denkbaren Hinsicht gerade die urlaubswirtschaftliche und populärkulturelle Sparte des Kreuzfahrttourismus angelegt ist. Dies schreit förmlich nach adäquater problematisierender Analyse durch den Autor.