Aktuelle Rezensionen
Reinhard Hoeps (Hg.)
Funktionen des Bildes im Christentum/Kunst und Religion
Funktionen des Bildes im Christentum (Handbuch der Bildtheologie 2), Paderborn 2020, Schöningh, 488 Seiten mit Abbildungen ISBN 978-3-506-77699-0/Kunst und Religion (Handbuch der Bildtheologie 4), Paderborn 2021, Schöningh, 517 Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-506-77700-3
Rezensiert von Wolfgang Brückner
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 15.09.2021
Im Bayerischen Jahrbuch für Volkskunde 2014 (311) ist der im selben Jahr erschienene dritte Band des Handbuchs der Bildtheologie, herausgegeben von Reinhard Hoeps, „Zwischen Zeichen und Präsenz“ rezensiert. Darin sind die komplizierten organisatorischen Zusammenhänge des mehrbändigen Handbuchs referiert. Den Band 1 „Bild-Konflikte“, erschienen 2007, haben wir leider nicht bekommen. Nun also ist das Gesamtwerk auf dem Markt.
Die Einleitung von Band 2 handelt von „Liturgie und Unterweisung. Gebrauchszusammenhänge des Bildes im Christentum“. Das erste Großkapitel ist überschrieben mit „Bild und Liturgie“. Die sechs Beiträge gehen das Feld sehr unterschiedlich an und daher ohne einen gemeinsamen Rahmen. Sachberichte und Problemerörterungen, Allgemeinbetrachtungen und versuchte Phänomenologien stehen nebeneinander, so in drei getrennten Abhandlungen zum orthodoxen, katholischen wie evangelischen Kirchenraum. Drei weitere Texte befassen sich mit Repräsentation im Mittelalter, Totengedächtnis und „kinetischen Bild-Ritualen im Mittelalter“, letzterer von David Ganz über Bewegungsabläufe in „Prozession- und Pilgerfahrt“ zu Gräbern und Reliquien bestimmter Ausprägungen von der metallenen Buchbekleidung über zentrale Ikonen zu den großen Prunkschreinen, schließlich zu frühneuzeitlichen Massenveranstaltungen. Ulrich Rehm nennt seine Medienbeobachtungen „Bildappelle an die Nachwelt“, wunderbar exemplifiziert durch besonderes Abbildungsmaterial. Der leider 2020 allzu früh verstorbene gewichtige Frömmigkeits- und Bilderforscher Thomas Lentes ist vertreten mit dem Nachdruck eines fulminanten „Diskussionsbeitrag zum Verhältnis von Liturgie und Bild im Mittelalter“ unter der Hauptüberschrift „Ereignis und Repräsentation“. Seine Ausgangsquelle bildet der endlich einmal im Original herangezogene Wilhelm Durandus aus dem 13. Jahrhundert.
Das zweite Kapitel „Bild und Lehre“ besteht aus vier Beiträgen zu alten und neuen Medien: historische Lehrbilder zur Doktrin, Katechismusillustration (aufgrund französischen Materials), Unterricht und Film. Der dritte Teil umfasst fünf Aufsätze unter der Überschrift „Bild und säkularisierte Kultur“, zwei davon befassen sich mit dem Kitsch-Problem und der sogenannten Volksfrömmigkeit. Es verwundert hier, kein Wort über den gerade darin umstrittenen Herz-Jesu-Kult des 19. und 20. Jahrhunderts zu finden, gar nicht zu reden vom „Barmherzigen Jesus“ der Faustina Kowalska, der in den letzten Jahrzehnten ein globales Kultphänomen geworden ist, wozu ich mich ergänzend selbst zitieren muss: „Ein religiöser Hype aus Polen. Entkitschungserkundungen“ (Dettelbach 2020). Desgleichen völlig unbekannt sind die theoretischen Überlegungen zur Frömmigkeitsgeschichte etwa von Lenz Kriss-Rettenbeck, über dessen geistiges Lebenswerk man sich im Bayerischen Jahrbuch für Volkskunde 2006 (123–125) informieren kann. Offenbar: Bavarica non leguntur.
Der vierte Handbuch-Band „Kunst und Religion“ besteht aus den drei Teilen: „Gravitationsfelder der Bildtheologie“, „Bildtheologie im Spektrum der Disziplinen“, „Bildtheologie und Kunst auf dem Weg in die Moderne“. Hervorgehoben seien die beiden Beiträge über Theorien der Kunstreligion um 1800 und 1900 (Reinhard Hoeps) sowie Reflexionen über „ethische Implikationen der Ästhetik“ (Wolfgang Erich Müller), die das am zweiten Band bemängelte Kitschkapitel ergänzen. Am Beitrag über ein Gemälde aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (367, Abbildungen2) fällt einmal mehr auf, wie bisweilen in der akademischen Kunsthistorie ikonografische Details fehlgedeutet bleiben, die dem Kulturhistoriker auf Anhieb geläufig sind, hier ein Beispiel der „Verkehrten Welt“ oder der sogenannten „Ape Lore“ (Horst W. Janson, 1952), dem Affen in der Erzählliteratur und der volkstümlichen Imagerie, wofür es Lemmata in den Handbüchern der Spezialisten gibt, aber eben jener der kleineren Randdisziplinen. Aber auch für die Moderne fehlt der so gewichtige süddeutsche Titel von Peter B. Steiner „Glaubensästhetik. Wie sieht unser Glaube aus? 99 Beispiele und einige Regeln“ (Regensburg 2008). Liest in Münster niemand das Periodikum „Christ in der Gegenwart“ des Herder Verlags, wo das eine jahrelange Kolumne war?