Aktuelle Rezensionen
Hans-Georg Hermann/Hans-Joachim Hecker (Hg)
Recht und Infrastruktur in der Geschichte des bayerischen Oberlands
(Rechtskultur/Wissenschaft 26), Regensburg 2020, Edition Rechtskultur, 138 Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-96374-041-1
Rezensiert von Johann Kirchinger
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 30.08.2021
Der Band versammelt die meisten Vorträge der Jahrestagung der Gesellschaft für Bayerische Rechtsgeschichte von 2015. Das ist bemerkenswert, denn außer den beiden Herausgebern, die selbst nicht Beiträger sind, sind keine Rechtshistoriker vertreten. Die Beiträge sind in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht so disparat, dass man nicht allzu intensiv nach einer thematischen Klammer suchen sollte. Dafür kann jeder Artikel für sich Relevanz und Interesse beanspruchen.
Der Archivar und Landeshistoriker Christoph Bachmann bietet die Quintessenz seiner bisherigen mühlengeschichtlichen Forschungen. Dabei konzentriert er sich auf technik- und immerhin rechtsgeschichtliche Aspekte. Den frühneuzeitlichen Ehrbegriff, von dem die Müller ausgeschlossen waren, verortet er allerdings zu sehr im rezenten Verständnis von innerer charakterlicher Schwäche anstatt frühneuzeitliche Ehre als äußeres Standesmerkmal aufzufassen. Die Landeshistorikerin Britta Kägler beschreibt die Bedeutung des Flusses Loisach in verkehrs- und wirtschaftsgeschichtlicher Hinsicht für das Kloster Benediktbeuern in der Frühen Neuzeit. Der Beitrag des Archivars Horst Gehringer bietet zum wiederholten Mal einen Überblick über den Bearbeitungsstand der so genannten Physikatsberichte von 1858 bis 1861. Dies ist deshalb besonders wertvoll, da er nahezu die gesamte dazu erschienene Literatur erfasst. Zu Recht warnt er davor, die Aufzeichnungen der Landgerichtsärzte ohne Quellenkritik allzu rasch als alltagsgeschichtliche Quellen zu werten, weshalb er dafür plädiert, in ihrer Analyse die Biografien der verfassenden Ärzte stärker als bisher zu berücksichtigen. Der Landeshistoriker Wolfgang Ehberger bietet eine zuverlässige, quellenbasierte Ereignisgeschichte der Entstehung des Walchenseekraftwerks. Karin Leonhardt, ebenfalls Landeshistorikerin, gibt in ihrem Beitrag über die Geschichte der bayerischen Bergbahnen einen Einblick in ihr Dissertationsprojekt. Im abschließenden Beitrag widmet sich die unter anderem als Naturschutzhistorikerin hervorgetretene Christine Rädlinger den Versuchen, das Murnauer Moos während des „Dritten Reiches“ unter Naturschutz zu stellen. Angesichts ihres zuverlässigen und quellenkritisch korrekten Vorgehens ist es unverständlich, wie sie zu dem Urteil kommt, dass das Reichsnaturschutzgesetz von 1935, da „es ausschließlich für den Schutz der Natur gedacht war“, kein nationalsozialistisches Gedankengut enthalten „konnte“ (113). Das wurde auch schon bei den Autobahnen vorgebracht. Die als Beweis für ihre Behauptung angeführte Weitergeltung des Reichsnaturschutzgesetzes nach dem Zweiten Weltkrieg taugt dafür jedenfalls nicht. Es handelt sich dabei nicht um das einzige nationalsozialistische Gesetz, das nach dem Ende des „Dritten Reiches“ weitergelten sollte. Erst jüngst wurde etwa das deutsche Namensrecht von nationalsozialistischen Elementen gereinigt. Es ist vielmehr so, dass der Naturschutz seinen genuinen Ort in der nationalsozialistischen Ideologie hat. Die Historisierung des Naturschutzes würde zur Kenntnis seiner Geschichte mehr beitragen als ihn absolut zu setzen.