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Stefan Zenklusen
Kritik der Glokalisierung. Über den Triumph des Monokulturalismus
Würzburg 2021, Königshausen & Neumann, 154 S., ISBN 978-3-8260-7323-6
Rezensiert von Burkhart Lauterbach
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 25.08.2022
Stefan Zenklusen, Philosoph aus Basel und ausgesprochen produktiver Buchautor, hat eine Schrift vorgelegt, die er selbst als „Essay“ begreift und in der er das Ziel verfolgt, dem Phänomen der sogenannten Glokalisierung zu Leibe zu rücken. Glokalisierung hat zu tun mit der „in der ökonomischen Globalisierung vermeintlich oder faktisch stattfindende[n] Erosion des Nationalstaates zugunsten eines möglichst hindernisfreien Austauschs von Kapital, Waren und Arbeitskräften zwischen demographisch, politisch und ökonomisch kleinsten Einheiten und dem Weltmarkt“, ferner, auf der lebensweltlichen Ebene, mit „lokal-regionalen, aber mit einem global-universellen Bewusstsein ausgestatteten Zusammenhängen“ (7).
Drei Formen von Glokalismus macht der Autor aus, zunächst den, allerdings nicht näher verfolgten, islamophilen Glokalismus, darüber hinaus zwei als „Haupttypen“ bezeichnete Formen, nämlich zum einen den „europhile[n]“ Glokalismus und zum anderen den „anglophil-amerikanolatrische[n]“ Glokalismus (38), welche er in seinem Text unter immer wieder neuen Aspekten beschreibt, analysiert und einer deutlichen Kritik unterzieht. Da geht es um Tendenzen der medialen Rezeption von als widerständig gebrandmarkten französischen Entwicklungen ebenso wie um die politischen und ökonomischen Interessen der maßgeblichen Akteure, um Nationalismus und Rassismus, um die Herausbildung des „Anglotumbdeutsch“ (Denglisch) einschließlich der vermeintlich allzu verzagten Reaktionen von Seiten der sprachwissenschaftlichen Forschung, darüber hinaus um „Indizien dafür, dass die Faszination für den angelsächsischen Raum paradoxerweise in dem Maß zunimmt, wie dieser sich abschottet“ (123).
Es fällt auf, dass Zenklusen sich zwar wiederholt auf Forschungen in den „Kulturwissenschaften“ bezieht, die verwendete Literatur hingegen lässt einen Kulturwissenschaftler allerdings erstaunen, da der Autor nicht einmal zentrale Aufsatzsammlungen zur Kenntnis nimmt, so etwa, um zwei Beispiele zu nennen, „Amerikanisierung – Traum und Alptraum im Deutschland des 20. Jahrhunderts“ (hg. v. Alf Lüdtke u.a., Stuttgart 1996) oder „Attraktion und Abwehr - Die Amerikanisierung der Alltagskultur in Europa“ (hg. v. Angelika Linke u. Jakob Tanner, Köln u.a. 2006). Zudem kann man bei den gescholtenen Sprachwissenschaftlern durchaus nachlesen, welche historischen Situationen in besonderem Maße dafür gesorgt haben, dass es zur weltweiten Dominanz der englischen Sprache gekommen ist. Verwiesen wird etwa auf die Expansion des britischen Weltreichs, auf die von der amerikanischen Seite bewirkte Ablösung der französischen Sprache als ausschließliche Diplomatensprache bei den Verhandlungen des Versailler Vertrags, auch auf das erfolgreiche Betreiben der Siegermacht USA, an japanischen Oberschulen den Englischunterricht einzuführen, wobei sich in der Gegenwart das Moment der direkten Machtausübung eher nicht beobachten lässt. Heute geht es mehr um „das Bestreben der Mitglieder der anderen Sprachgemeinschaften, an den Verheißungen der angelsächsischen Welt und am Kommunikationspotential ihrer Sprache teilzuhaben“ (Ulrich Ammon: Weltmacht Englisch? In: Merkur 54 [2000], S. 867‒868, 877). Allein diese Beispiele aus dem Handlungsfeld der Kommunikation vermögen aufzuzeigen, dass es zwar richtig und wichtig ist, den sich ausbreitenden Monokulturalismus aus der Perspektive „von oben“ zu betrachten, wie das Stefan Zenklusen anschaulich und scharfsinnig vorführt, dass dies jedoch nicht ausreicht, um ein ganzheitliches Bild vom einschlägigen, vielfältig-vielseitigen Geschehen auf Vorderbühne und Hinterbühne in Geschichte und Gegenwart produzieren zu können.