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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Alois Schmid

Pettendorf – Kloster der Dominikanerinnen. Die vergessene Sühnestiftung der Wittelsbacher

Sankt Ottilien 2020, EOS, 331 S., ISBN 978-3-8306-8017-8


Rezensiert von Jürgen Dendorfer
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 25.08.2022

Unweit von Regensburg erheben sich auf dem Adlersberg, einer Anhöhe über dem Zusammenfluss von Donau und Naab, bis heute die Kirche und Teile der Anlage des ehemaligen Dominikanerinnenklosters Pettendorf. Pettendorf gehört zu den wenigen, nicht einmal eine Handvoll Konventen der Dominikanerinnen in Altbayern (neben Heilig-Kreuz in Regensburg, Altenhohenau am Inn und Schwarzhofen). Ihre Zahl fällt im Vergleich zu anderen Regionen des deutschsprachigen Raums, in denen die Dominikanerinnen einen erheblichen Anteil am Aufschwung religiöser Frauengemeinschaften des 13. Jahrhunderts hatten, bemerkenswert ab. Im Südwesten etwa wird sie schon in einzelnen Städten erreicht oder übertroffen, man denke allein an vier Dominikanerinnenklöster in Freiburg im Breisgau oder gar an acht in Straßburg. In der regen Forschung zu mittelalterlichen Frauenklöstern finden gerade diese Konvente als Orte weiblicher spiritueller Erfahrung, der Bildungsmöglichkeiten für Frauen oder auch unerwarteter herrschaftlicher Gestaltungsspielräume für Äbtissin und Konvente verstärktes Interesse.

Es ist deshalb besonders zu begrüßen, dass nun mit Pettendorf auch eines der bayerischen Dominikanerinnenklöster eine umfassende monografische Bearbeitung erfahren hat, in der die Konturen dieses 1262 ins Werk gesetzten und bereits 1542 aufgelösten Klosters deutlich hervortreten. Dabei kommt dem Buch Alois Schmids eine jahrzehntelange Beschäftigung mit der Geschichte des Klosters und seiner näheren Umgebung ebenso zugute – im Literaturverzeichnis mit 18 einschlägigen Publikationen dokumentiert – wie die Souveränität des Altmeisters bayerischer Landesgeschichtsschreibung. Entstanden ist eine im besten Sinne landesgeschichtliche Studie, in deren Zentrum zwar das Kloster steht, die aber weder mit dessen Gründung einsetzt, noch mit seiner Auflösung endet, sondern eingehend die siedlungsgeschichtlichen und herrschaftlichen Voraussetzungen und Bedingungen (Kap. I, 17–49) sowie das Nachleben (Kap. IX und X, 242–302) mitbehandelt.

Am Anfang stehen die um 1119 ausgestorbenen Herren von Pettendorf-Hopfenohe-Lengenfeld, die prominent in zwei Königsurkunden aus spätsalischer Zeit genannt werden, weit überregionale Bezüge bis nach Sachsen aufweisen und deren Erbe die Grundlage für die wittelsbachischen Herrschaftsschwerpunkte auf dem Nordgau bildete – namentlich für die Gründung des Klosters Ensdorf und die Burg Lengenfeld. Die Dimensionen ihrer Herrschaft spiegele das ausgedehnte Amt Pettendorf des ältesten wittelsbachischen Herzogsurbars (um 1230) (32). Ob schon bald nach dem Tod des letzten Adeligen, Friedrichs III., ein „erstes Kloster zu Pettendorf“ entstand (50–57), muss trotz einer spätmittelalterlichen Nachricht aus Ensdorf und lokalen Beobachtungen zu Funden im Ort Pettendorf wohl doch offen bleiben. Sicherer dokumentiert ist, dass sich nach Pettendorf im 12. Jahrhundert wittelsbachische Ministeriale nannten (57–61), die in deren Territorialpolitik im Regensburger Raum einzuordnen sind.

Mit dem Scheitern dieser und dem durch die Stadt Regensburg erzwungenen Rückzug der Wittelsbacher aus ihrem Umkreis sind dann in der Tat die Anfänge des Dominikanerinnenklosters in Pettendorf durch Herzog Ludwig den Strengen (1253–1294), zuerst 1262 belegt, verbunden. Nach einem Gründungsversuch im Ort Pettendorf selbst wurde das Kloster an die heutige Stelle auf den Adlersberg verlegt, nannte sich aber dennoch Zeit seines Bestehens Kloster Pettendorf, was in der Literatur zu mancher Verwechslung Anlass gab. Der Sohn des Gründers, Kaiser Ludwig der Bayer (Kap. III, 82–103), welcher der wittelsbachischen Landeschronistik als „secundus fundator“ Pettendorfs galt, bedachte das Kloster mit drei wirtschaftlich wichtigen Privilegien. Gemeinsam mit seinem Vater ist er auf einem 1908 bis 1910 freigelegten Stifterbild in der Kirche verewigt, das der Verfasser mit guten Gründen in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert und als Ausdruck der Bemühungen der Söhne Ludwigs um die Rehabilitation ihres Vaters betrachtet. Für das im 14. Jahrhundert auf diese Weise gefestigte Kloster sind im 15. Jahrhundert in gewisser Weise erwartbare Reformversuche festzustellen, unter denen die Bemühungen Herzog Albrechts IV. (1460/65–1508) Beachtung verdienen (Kap IV, 104–116). Durch das im altbayerischen Vergleich frühe Ende des Klosters im Jahr 1542 kam es auf dem Adlersberg nicht zu Um- und Neubauten des Barocks, weshalb sich bemerkenswerte Überreste eines mittelalterlichen Frauenklosters erhalten haben (Kap. V, 117–141): die für ein „Landkloster“ groß dimensionierte Kirche, im 13. Jahrhundert begonnen, wie Steinmetzzeichen belegen, und um 1400 durch einen erneuerten Chor ergänzt; die Reste des Konventbaus im heutigen Gasthof und ein Zehentkasten; die mittelalterliche Ringmauer, die das ganze Areal umschließt, und der Torbau. Ein Ensemble, das gerade durch seine karge Schlichtheit fasziniert. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Pettendorfer Nonnen blieben immer beschränkt, wie die Rekonstruktion der Klosterökonomie zeigt, die durch eine gute Urkundenüberlieferung und ein nach der Auflösung entstandenes Zins- und Gültregister von 1554 möglich wird (Kap. VI, 142–180). Treten die herrschaftlichen Bezüge und die wirtschaftlichen Dimensionen des Pettendorfer Klosters deutlich hervor, so müssen die Hinweise auf das „Klosterleben“ (Kap. VII, 181–206) eher unbestimmt bleiben. Offenkundig hat sich keine einzige Handschrift der Klosterbibliothek erhalten; Priorin und Konvent aber stellten Urkunden aus, was eine Rekonstruktion der Priorinnenliste erlaubt. Schon die Namen der Konventualinnen entziehen sich jedoch genauerer Kenntnis. Soweit die Herkunft erkennbar ist, sind Oberpfälzer Landadel und Familien aus Regensburg und den bayerischen Landstädten vertreten. Die „cura monialium“ lag beim Regensburger Dominikanerkloster St. Blasius. Durch die Zuordnung zum sich der Reformation zuwendenden Herzogtum Pfalz-Neuburg wurde Pettendorf bereits 1542 aufgelöst und anders als andere Oberpfälzer Klöster auch nicht mehr restituiert (Kap. VIII, 207–241). Unter den auf dem Klostergelände wohnenden evangelischen Pfarrern ist der Späthumanist Kaspar Bruschius hervorzuheben, der im Kloster der für Regensburg wichtigen Druckerei des Hans Kohl Zuflucht bot. Die nun errichtete Hofmark Pettendorf wurde nach dem dreißigjährigen Krieg dem von der Zisterze Kaisheim aus restituierten Kloster Pielenhofen zugeschlagen. Die Säkularisation bedeutete dann auch das Ende dieses Zusammenhangs; auch wenn durch das Kloster geprägte Strukturen weit darüber hinaus wirksam blieben.

Alois Schmid ist es mit dieser Monografie gelungen das kleine „Landkloster“ Pettendorf der Dominikanerinnen in seiner schlichten Eigenheit facettenreich vor Augen zu stellen, ohne dessen Bedeutung zu überschätzen. Dabei wird das Kloster vor allem als herrschaftlicher und wirtschaftlicher Organismus in seinen Bezügen zur Umwelt sichtbar. Eine wünschenswerte innerkonventuale Sicht scheint aufgrund der Quellenlage kaum möglich zu sein; Priorin und Konventualinnen treten in diesem Buch so gut wie nie als Akteurinnen hervor, sondern bleiben passiv und sind Objekte des Handelns anderer, etwa der wittelsbachischen Stifter und Förderer des Klosters, deren Bedeutung stark herausgestellt wird. Für dieses Problem historiografischer Behandlung von Frauenklöstern hat die jüngere Forschung sensibilisiert, es ist nicht immer nur eine Frage der Quellen, sondern auch der Perspektive. An diesem Punkt wäre sicher der eine oder andere abweichende Akzent vorstellbar, etwa wenn das Kloster Pettendorf ganz im Sinne älterer Topoi als „Versorgungsstelle“ für unverheiratete Töchter des Adels charakterisiert wird (187). Doch kann dies nur eine kleine Anmerkung sein. Die Vorzüge des quellennahen, mit interdisziplinär weitem Blick über Mittelalter und Neuzeit hinweg erarbeiteten Buches sind bestechend. Anderen bayerischen Frauenklöstern bleibt eine ähnlich gewinnbringende monografische Behandlung zu wünschen.