Aktuelle Rezensionen
Martina Minning/Nadine Rottau/Thomas Richter/Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig (Hg.)
Dressed for Success. Matthäus Schwarz. Ein Modetagebuch des 16. Jahrhunderts
Dresden 2019, Sandstein, 236 S. m. Abb., ISBN 978-3-95498-372-8
Rezensiert von Melanie Burgemeister
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 25.08.2022
Das „klaidungsbuechlin“ des Matthäus Schwarz ist eine einzigartige Quelle mit zahlreichen Abbildungen zur Kleidung am Beginn der Frühen Neuzeit. Über 40 Jahre hinweg ließ sich Matthäus Schwarz (1497–1574) in modischer Kleidung des jeweiligen Jahres in seinem Buch porträtieren und lieferte so ein beeindruckendes Zeugnis für den Umgang mit Kleidung und deren Gestaltung. In den Jahren 2019 und 2020 widmeten sich zwei Ausstellungen diesem spannenden Dokument und veröffentlichten jeweils einen gleichbetitelten Ausstellungskatalog.
Der erste Band basiert auf der früheren Ausstellung zum „klaidungsbuechlin“ des Matthäus Schwarz, die vom 8. Mai bis zum 4. August 2019 im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig stattfand und das Buch erstmals in einer großen Sonderausstellung präsentierte. Das Werk teilt sich in zwei in etwa gleich große Bereiche: Den Ausstellungskatalog und vorangestellt einen Aufsatzteil, in dem in acht Beiträgen das Modetagebuch und sein Umfeld gewürdigt werden. Einen sehr schnellen Zugang zur Quelle ermöglicht die gelungene Übersicht über das „klaidungsbuechlin“, das zu Beginn des Bandes in Miniaturen auf sechs Seiten vollständig abgedruckt ist. Die Entwicklung der Mode kann damit sehr komfortabel und schnell nachvollzogen werden und auch Details sind gut erkennbar.
Eine erste Annäherung nimmt Mark Häberlein vor, der die Heimatstadt des Matthäus Schwarz zu dessen Lebzeiten thematisiert. Augsburg erlebte gerade am Beginn des 16. Jahrhunderts eine Blütezeit, die eng mit seinem wirtschaftlichen Aufstieg verknüpft war. Daher widmet sich der Beitrag neben dem beruflichen Werdegang des Protagonisten auch dem Großunternehmen der Familie Fugger, für die Schwarz arbeitete. Weiter werden Unterschiede zwischen arm und reich thematisiert, die Textilproduktion, die Freude der Oberschicht am Schreiben von Texten, die Bedeutung städtischer Feste sowie die Konflikte der Reformation.
Die Handelsprodukte und Handelswege der Fugger als Grundlage für den Firmenerfolg stellt Dietmar Schiersner vor. Er zeigt die Entwicklungslinien in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und bespricht die Bedeutung von verschiedenen Waren, die von Metallen über Naturalien und Gewürzen bis zu Luxuswaren und Textilien reichen. Den zentralen Beitrag des Bandes liefert Ulinka Rublack, die sich mit der Kleidung des Matthäus Schwarz beschäftigt. Ihre neuen Erkenntnisse waren einer der Gründe für die Ausstellung in Niedersachsen. Neben einer kurzen Einführung in die Mode des 16. Jahrhunderts fokussiert sie dabei auf die Rekonstruktion einiger Stücke durch die weltweit führende Expertin Jennifer J. Tiramani, Leiterin der berühmten London School of Historical Dress. Aufbauend auf dieser Annäherung an die Kleidung, deren Tragekomfort und Konstruktion, geht die Autorin auch auf den Handel mit Stoffen und Accessoires ein und widmet sich ausführlich den Entwicklungen und Ideen der Garderobe von Matthäus Schwarz.
Einen Blick „hinter“ das Modetagebuch wirft Michael Roth, der den Buchmaler Narziss Renner und dessen weitere Arbeiten vorstellt. Es folgt eine kodikologische Sicht auf das „klaidungsbuechlin“ von Christian Heitzmann und Katharina Mähler. Sie stellen den Einband, die Bindung und den Buchblock vor und liefern eine umfangreiche tabellarische Übersicht über den Aufbau der Quelle. Michael Wenzel geht es im Anschluss um die Provenienz der zwei originalen Kleidungsbücher von Matthäus Schwarz und seinem Sohn Veit Konrad Schwarz.
Einen weiteren Blick in die Überlieferung eröffnet Martina Minning, die sich mit den Kopien des Modebuches von Matthäus Schwarz in Paris und Hannover beschäftigt. Diese wurden im 18. Jahrhundert angefertigt und weisen deutliche Unterschiede zum Original auf. Doch sie ermöglichen zugleich einen wertvollen Rückschluss auf die drei im Original verlorenen Miniaturen. Abschließend thematisiert Alessandro Aprile auf zwei Seiten knapp die kodikologische Untersuchung der Hannoveraner Abschrift.
Der Katalog selbst verzeichnet 146 Objekte, die jeweils mit einem Farbfoto, einem Absatz mit den zentralen Daten und einem erklärenden Text dargestellt werden. Der Infoblock enthält Katalognummer, Titel, Hersteller, Material, Maße, heutigen Standort sowie wichtige Literatur. Der beigefügte Text widmet sich den jeweiligen Ausstellungsstücken und erklärt deren Bedeutung. Anders als im Augsburger Katalog (2020) findet keine genauere Ausführung bezüglich der Relevanz der Dinge für Matthäus Schwarz statt. Der Fokus der Objekte liegt auf Textzeugnissen und bildlichen Darstellungen, wie Gemälden, Münzen und Porträtmedaillen, bemalten Schalen und Tellern. Hinzu kommen als weitere Schwerpunkte repräsentative Waffen und einige originale Kleidungsstücke, Schuhe und Stoffmuster. Leider ist keine inhaltliche Gliederung erkennbar, die den Katalog als Nachschlagewerk leichter nutzbar machen würde. Zwar finden sich in grober Reihenfolge zuerst vorwiegend die Bildzeugnisse, während Waffen und textile Stücke eher am Ende des Kataloges stehen. Doch gerade letztere sind untereinander vermischt und wenig sortiert dargestellt. Hier wäre eine klare Linie anhand eines in Unterkapitel aufgeteilten Ordnungskriteriums (z. B. Material, Entstehungszeit, Lebensweg, Kleidungsbuch) sehr wünschenswert gewesen.
Am Schluss des Kataloges kommt es zu einem zeitlichen Bruch: Von den historischen Stücken wird eine spannende Verbindung zur Gegenwart hergestellt. Die kostümhistorische Rezeption wird anhand von späteren „Trachtenbüchern“ und Literatur über das Modebuch vorgestellt und die von Rublack besprochene Rekonstruktion eines Outfits aus dem Kleidungsbuch des Matthäus Schwarz findet sich ebenfalls als Objekt im Katalog. Der letzte Eintrag „A Young Man’s Progress“ zeigt schließlich eine Serie von fünf Fotografien moderner Situationen, die einen klaren Bezug zu fünf Gemälden aus dem „klaidungsbuechlin“ haben und diese gleichsam in die heutige Zeit übersetzen.