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Barbara Krautwald

Bürgerliche Frauenbilder im 19. Jahrhundert. Die Zeitschrift „Der Bazar“ als Verhandlungsforum weiblichen Selbstverständnisses

(Historische Geschlechterforschung 4), Bielefeld 2021, transcript, 381 S. m. Abb., ISBN 978-3-8376-5757-9


Rezensiert von Marita Metz-Becker
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 01.09.2022

„Der Bazar“ war zwischen 1854 und 1900 eine der im Bürgertum bekanntesten und meistgelesenen Zeitschriften, die neben Themen wie Mode und Handarbeiten auch die Rolle der Frau diskutierte. Was ist die Natur der Frau? Welche Art der weiblichen Bildung ist angemessen? Welche Lebensentwürfe sind neben dem der Ehefrau und Mutter noch denkbar? Anhand der von konservativ bis liberal reichenden Standpunkte des Blatts analysiert Barbara Krautwald die sich in dieser Zeitschrift widerspiegelnden sozialen Entwicklungen von weiblichem Selbst- und Fremdverständnis über einen Zeitraum von fast einem halben Jahrhundert hinweg.

Zu Beginn ihres Erscheinens kam die Zeitschrift dem Bedürfnis des Bürgertums entgegen, das nach der 1848er Revolution Ruhe und Frieden in einem harmonischen häuslichen Familienleben suchte. Es war das Anliegen der Medien, die bürgerliche Ordnung zu bestätigen und zu festigen, indem sie beschauliche Bilder familiärer Harmonie mit den zu dieser Zeit gängigen Geschlechterrollen transportierten. So stellt auch der „Bazar“ die Vorzüge des häuslichen Lebens heraus, wobei er sich aber politisch neutral gibt und 1868 mit 150 000 Abonnenten und Abonnentinnen auf dem Gipfel seiner Popularität steht.

Thematisiert wir die Rolle der Frau als gute Hausfrau und aufopferungsbereite Mutter, die von der Welt außerhalb ihres Hauses nicht viel weiß und auch nicht wissen muss, da sich ihr Leben auf die klassischen weiblichen Aufgaben und Tugenden beschränkt. Dies ändert sich mit den wirtschaftlichen Verhältnissen in Deutschland, als das Ideal der Häuslichkeit nicht länger aufrecht zu erhalten ist und zur Versorgung der „überschüssigen“ Frauen weibliche Erwerbstätigkeit erwogen wird. Damit einher geht die Forderung nach Verbesserung der Mädchenbildung, auch ein großes Anliegen der nun auf den Plan tretenden Frauenbewegung. Das bürgerliche Blatt besteht jedoch darauf, dass gewisse Arbeitsgebiete für Frauen inakzeptabel seien und diese sich mehr auf pflegerische und karitative Tätigkeiten oder pädagogische Berufsfelder fokussieren sollten.

Das polare Geschlechterbild wurde in dem gesamten Untersuchungszeitraum der vorliegenden Studie niemals in Frage gestellt, auch dann nicht, als Frauen sich gegen Ende des Jahrhunderts aufmachten, auch die ihnen bis dahin verschlossenen Berufsfelder oder gar die Universitäten zu erobern.

Obwohl die Zeitschrift nie Partei für einen bestimmten Teil der Frauenbewegung ergriff, wird deutlich, dass sie eher dem gemäßigten Lette-Verein folgte als Vereinen mit politischer Ausrichtung. Die englische Frauenbewegung wurde daher auch als überzogen und gefährlich betrachtet und man verwies darauf, dass deutsche Frauen aufgrund ihres ausgeprägten weiblichen Geschlechtscharakters derartige Entwicklungen niemals gutheißen könnten.

Das Fazit der Autorin geht dahin, dass der „Bazar“ so erfolgreich war, weil er für viele Frauen eine naheliegende und bequeme Informationsquelle darstellte, ganz gleich, ob sie verheiratet oder ledig waren, da die Zeitschrift sowohl Leistungen im Haushalt als auch im Beruf und den damit verbundenen sozialen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Tätigkeiten thematisierte. Dabei transportierte das Blatt aber grundsätzlich die Ansicht vom polaren Geschlechterideal, die polarisierende Unterscheidung von männlichem und weiblichem Habitus, den die bürgerliche Gesellschaft aus der Natur abgeleitet und als Wesensmerkmal in das Innere des Menschen verlegt und damit als unumstößlich definiert hatte. Die Autorin hält ferner fest, dass der „Bazar“ dennoch zu einem positiven weiblichen Selbstwertgefühl beigetragen haben könnte, da er die Bedeutung der Frauen für die Gesellschaft insgesamt herausgestrichen und damit auch Forderungen nach mehr weiblichen Freiheiten Vorschub geleistet habe. Andererseits war die Zeitschrift weit davon entfernt, eine politische oder gar rechtliche Gleichstellung für Frauen zu propagieren.

Es ist die Leistung der vorliegenden Studie, eine Frauenzeitschrift über einen langen Zeitraum hinweg konsequent auf ihre gesellschaftliche Wirkung und auf die verschiedenen, teils nebeneinander existierenden Frauenbilder in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts analysiert zu haben. Das dabei auch in den Blick geratende Familien- und Geschlechterbild musste permanent neu ausgehandelt und bewertet werden, wobei „die Grenze des Sagbaren“ (14) allerdings da lag, wo das bürgerliche Weiblichkeitsideal ins Wanken geriet. Vor diesem Hintergrund wäre es interessant gewesen, noch einen anderen Blick auf die Lage der Frauen im 19. Jahrhundert zu werfen und den bürgerlichen „Bazar“ beispielsweise mit der „Frauen-Zeitung“ von Louise Otto-Peters, eine der wichtigsten Publikationen, die sich nach der Märzrevolution 1848 mit den Rechten von Frauen auseinandersetzten, zu vergleichen. Obwohl auch hier die Verleger Männer waren, stellte den Kopf der Zeitung Louise Otto-Peters selbst dar. Nachdem 1853 aufgrund des Preußischen Pressegesetzes die Zeitung verboten wurde, schrieb Peters: „1849 gründete ich dann eine Frauenzeitung in Leipzig, die drei Jahre lang jedem Frauenfortschritt huldigte. Es waren in dieser Zeit auch viele Frauenvereine gegründet worden, aber als die Verhältnisse sich änderten und alle Fortschrittsbestrebungen unterdrückt wurden, bestanden nur noch solche Frauenzeitungen fort, welche der Mode, und solche Vereine, welche dem Wohltun dienten.“

Zum „Wohltun“-Blatt avancierte dann auch der „Bazar“, der sich nach eigener Auffassung unpolitisch verhalten wollte, dies jedoch mit der Propagierung seines konservativen Frauen- und Familienbildes mitnichten tat.