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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Regina Göschl

DDR-Alltag im Museum. Geschichtskulturelle Diskurse, Funktionen und Fallbeispiele im vereinten Deutschland

(Geschichtskultur und historisches Lernen 19), Berlin/Münster 2019, LIT, 366 S. m. Abb., ISBN 978-3-643-14416-4


Rezensiert von Daniel Habit
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 01.09.2022

Museumsanalysen sind en vogue – Ausstellungen einer kritischen Betrachtung zu unterziehen, finden sich in vielen Fachbereichen und erfreuen sich vor allem auch als Promotionsthemen wachsender Beliebtheit. So auch in diesem Fall, in dem Regina Göschl sich mit dem „DDR-Alltag im Museum“ auseinandersetzt, wohlgemerkt aus einer dezidiert geschichtsdidaktischen Perspektive. Durch eine Perspektive auf Museen als „Institutionen der Geschichtskultur“ möchte die Autorin so einen „wesentlichen Beitrag zur Erforschung des öffentlichen Umgangs mit diesem Teil der deutschen Nachkriegsgeschichte“ leisten (10) – was ihr mit Abstrichen sicherlich auch gelingt. Ihre Leitfragen beziehen sich auf die unterschiedlichen Musealisierungsstrategien, das präsentierte Geschichtsbild, die institutionellen Rahmenbedingungen und das Verhältnis zwischen Diktatur und Alltagsleben in den jeweiligen Ausstellungen. Konkret geht es um das Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt, das Berliner DDR-Museum und das zur Stiftung Haus der Geschichte gehörende Museum in der Kulturbrauerei in Berlin. Ihre theoretische Einführung kreist vor allem um konzeptionelle Überlegungen zu „Geschichtsbild“, „Geschichtskultur“ und „Museum“ und entsprechenden geschichtskulturellen Leitmustern, die beispielhaft anhand der Geschichtspolitik nach 1990 herausgearbeitet werden. Die sehr dicht geschriebene Einführung liest sich flüssig, allerdings geraten einige Unterkapitel etwas knapp – beispielsweise wenn auf drei Seiten die „Entstehung des modernen Museums“ abgehandelt wird oder der DDR-Alltag in der populären Geschichtskultur der BRD auf 15 Seiten beschrieben wird, ohne etwa auf kulturwissenschaftliche Konzepte zur Populärkulturforschung einzugehen. Nach einer Darlegung der verwendeten Methoden (Diskursanalyse, Kultursemiotik, Kontextanalyse) widmet sich der eigentliche Hauptteil auf über 200 Seiten den drei Museen. Gegliedert nach einer Institutionenanalyse (Entstehung, Konzeption, Sammlungsstrategie, Trägerschaft etc.) und einer Ausstellungsanalyse (Narrative, Objekte) folgt jeweils eine geschichtsdidaktische Einordnung der Häuser. Gerade hier wünschte man sich allerdings eine tiefergehende Analyse, als sie auf zwei Seiten geboten wird, zeigt sich doch eben in diesen knappen Abhandlungen das Potenzial des von der Autorin entwickelten Zugangs, der weit über die sehr ausführlichen Ausstellungsanalysen hinaus geht. Auch das abschließende Fazit ist leider etwas knapp gehalten, auch wenn gerade hier der unbestreitbare Wert der Arbeit deutlich vor Augen geführt wird. Göschl unterscheidet die Ausstellungskonzeptionen nach „Leben trotz der Diktatur“ (DDR Museum Berlin), „Leben mit der Diktatur“ (Eisenhüttenstadt) und „Leben in der Diktatur“ (Kulturbrauerei) – eine Einteilung, die durchaus nachvollziehbar erscheint und verschiedene didaktische Konzeptionen von Geschichte als Bildung, Erlebnis und Nutzen deutlich zu Tage treten lässt. Dem anschließenden Plädoyer Göschls für eine dezidiertere Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex DDR in unterschiedlichen Bildungsformaten und -institutionen ist sicherlich zuzustimmen.

Zwar ließe sich aus einer ethnologisch-kulturwissenschaftlichen Perspektive sicherlich kritisieren, dass deren disziplinäre Forschungsstände nicht berücksichtigt wurden, denn gerade zum Alltagsbegriff, zur Objektanalyse, zur Populärkulturforschung etc. hätten einige Ansätze der Arbeit an der ein oder anderen Stelle weitergeholfen. Nichtsdestotrotz liegt hier eine äußerst fundierte, literaturgesättigte (1 750 Fußnoten!) und äußerst lesbare Auseinandersetzung mit der Produktionsseite von Alltagen in DDR-Museen vor – wenn nun noch eine Arbeit zur Rezeption dieser Ausstellungen folgen würde, wären an dieser Thematik Interessierte fast wunschlos glücklich.