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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Markwart Herzog/Peter Fassl (Hg.)

Sportler jüdischer Herkunft in Süddeutschland

(Irseer Dialoge 22), Stuttgart 2021, Kohlhammer, 325 S. m. Abb., ISBN 978-3-17-038583-2


Rezensiert von Thomas Naumann
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 01.09.2022

Das mit Unterstützung des Jüdischen Museums München publizierte Werk vereint Beiträge von neun Autoren und einer Autorin, die sich dem Thema Integration und dann Ausgrenzung und Verfolgung jüdischer Sportler in Süddeutschland vor und während der NS-Zeit widmen, wobei der seit den 1920er Jahren gesellschaftlich enorm an Bedeutung gewinnende Fußballsport im Mittelpunkt steht. Der Band geht auf eine Tagung der Schwabenakademie Irsee und der Bezirksheimatpflege Schwaben in Kooperation mit dem Jüdischen Museum München zurück, wobei „nicht alle Vorträge berücksichtigt“ (16) wurden. Der geschichtliche und politikgeschichtliche Bogen der Untersuchungen beginnt, wo thematisch angebracht, in der Weimarer Republik mit Rückblicken auf die Kaiserzeit, als gesellschaftlich angesehene und beruflich erfolgreiche Persönlichkeiten jüdischen Bekenntnisses sich aktiv und erfolgreich in der Sportvereinspolitik engagierten und auch als Mäzene auftraten, führt weiter in die Zeit der Ausgrenzung und Verfolgung derselben in der NS-Zeit und endet mit der Analyse jüdischen Sports und dessen politischer Bedeutung in Displaced-Person-Camps nach 1945. Die Beiträge dokumentieren dabei oft wohltuender Weise nicht nur die sportlichen oder sportpolitischen Aktivitäten einzelner jüdischer Bürger, sondern auch deren sonstige gesellschaftliche Aktivitäten sowie deren Berufsbiografien, so dass die Kontexte ihres Wirkens gut sichtbar werden.

Markwart Herzog und Peter Fassl stellen in ihrer Einleitung heraus, dass jüdische Bürger in deutschen Turn- und Sportvereinen „bereits in der Kaiserzeit“ (11) sowohl als aktive Sportler wie auch als Sportfunktionäre bestens integriert waren und „nicht nur in urbanen Milieus, sondern auch auf dem Land zu den Pionieren, Initiatoren und Trägern des in Vereinen organisierten Sports“ (15) gehörten und diese Sportebene auch nutzten, um gesellschaftlich anerkannt zu sein. Kapitel I (23-84) befasst sich mit „Athleten jüdischer Herkunft in bayerisch-schwäbischen Turn -und Sportvereinen“. Christoph Engelhard widmet sich, auf der Grundlage von „zeitgenössische[n] Zeitungsartikel[n] und eine[r] Vereinschronik“ (23), jüdischen Fußballern in Memmingen vor und nach dem Ersten Weltkrieg und jüdischen Mitgliedern in der Memminger Sektion des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins. Er kommt zu dem Ergebnis, dass vor und nach dem Ersten Weltkrieg jüdische und christliche Fußballer kameradschaftlich „Seite an Seite“ (36) spielten. Antisemitismus lasse sich in dieser Zeit nicht nachweisen. Ausschlüsse jüdischer Fußballer beim FC Memmingen habe es auch nach 1933 nicht gegeben, im Unterschied zum Memminger Turnverein, der die „Arierbestimmung“ sofort nach 1933 vollzog. In der Memminger Sektion des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, der auch Nationalsozialisten anzog, zählt der Autor zahlreiche jüdische Mitglieder auf; antisemitische Konflikte sind hier während der Mitgliedschaft jüdischer Bürger nicht nachweisbar. Nach den Nürnberger „Rassegesetzen“ von 1935 werden dann keine jüdischen Bürger mehr neu aufgenommen; 1938 wird der „Arierparagraph“ angewendet und alle jüdischen Mitglieder werden ausgeschlossen; manche davon emigrieren, andere werden ermordet. Die ursprüngliche volle Integration, „die über Jahrzehnte gepflegte Kameradschaft“ im Sport (37), schützte schließlich „nicht vor Ausgrenzung, Diskriminierung, Emigration oder Ermordung“ (37). Anton Kapfer befasst sich mit Jüdischen Sportler*innen in den ehemaligen Landjudengemeinden Binswangen und Buttenwiesen und kommt zu dem Schluss, dass infolge unterschiedlichen jüdischen Bevölkerungsanteils und infolge verschiedener politischer Einstellungen in beiden Orten ‒ in Binswangen dominierten SA und HJ ‒ differierende Voraussetzungen für den Anteil jüdischer Vereinsmitglieder bestanden, wobei dann Buttenwiesen ein Aufnahmeort auch für Binswanger jüdische Sportler war, was 1935 mit einer neuen Vereinssatzung ein Ende fand.

Benigna Schönhagen analysiert in einem äußerst lesenswerten, aufwändig recherchierten Beitrag den jüdischen Sportverein „Private Tennisgesellschaft Augsburg“ (PTGA), den sie als eine „Insel im braunen Meer“ bezeichnet. Er war der einzige jüdische Sportverein Augsburgs, als einer der wenigen seiner Art in der Weimarer Republik gegründet, obwohl in Augsburg vor 1933 kein merkbarer Antisemitismus und von daher kein Zwang zu einer separaten Vereinsgründung bestanden habe ‒ die meisten Augsburger Juden waren auch in vielen anderen Vereinen aktiv. Der zur PTGA gehörende Fußballplatz war emotionaler Mittelpunkt bei Befragungen Augsburger jüdischer Bürger, die den Holocaust überlebt haben und denen die PTGA, zu der sie 1933‒1938 gehörten, geradezu Heimat gewesen sei. An diesen Verein, so die Autorin, erinnern sich ältere nichtjüdische Augsburger bei Befragungen nicht, was sie auf die „Ignoranz vieler Deutscher gegenüber der nationalsozialistischen Vergangenheit“ und „auf die Nachwehen des Vorurteils von der angeblichen Unsportlichkeit von Juden“ (50) zurückführt. Das Jüdische Kulturmuseum Augsburg hat sich 2008 der Geschichte der PTGA in einer Ausstellung erstmals angenommen. Sie gründete auf zwei Fotoalben ehemaliger jüdischer Mitglieder, die „ein erstaunlich lang bestehendes Refugium, einen schützenden Raum […] und die Kraft des Zusammenhalts der aus der deutschen ‚Volksgemeinschaft‘ ausgeschlossenen Juden“ (52) ab 1933 dokumentieren. Die Autorin hat weitere Dokumente sichern können, die alle „die Identifikation der Vereinsmitglieder mit ihrer Heimatstadt Augsburg“ (51) belegen. Zum ‒ auch gesellschaftlichen ‒ „Refugium“ wurde die PTGA nach 1933, als im Bayerischen Schwaben viele Sportvereine ‒ noch ohne politische Anordnung ‒ jüdische Mitglieder ausschlossen. Der typisch deutsche „vorauseilende Gehorsam“, so ist hinzuzufügen, ein Phänomen, zu beobachten auf vielen gesellschaftlichen Ebenen jener Zeit, der den Nationalsozialisten ihr übles Handwerk enorm erleichterte, noch ehe sie amtlich tätig geworden sind. Auch Ausnahmesportler*innen ging es ab 1933 nicht besser, egal ob man sich als Verein in das eigene Fleisch schnitt. Das Ende all dessen ist kurz: Nach den Novemberpogromen 1938 wurde das Vereinsvermögen beschlagnahmt, die Verantwortlichen zur Auflösung des Vereins gezwungen.

Um „Jüdische Bürger in Nördlinger Sportvereinen“ geht es im Kurzbeitrag von Dietmar-H. Voges, der sich nach einem geschichtlichen Überblick über das rigide Verhalten der Freien Reichsstadt Nördlingen insbesondere im 16.Jahrhundert („Juden-Ausschaffungs-Privileg“, 77) den Ansiedlungs-, Berufs- und Sportbiografien von vier jüdischen Bürgern widmet, deren Vorfahren nach 1813 im Königreich Bayern („Judenedikt von 1813“) weitgehend uneingeschränkt zuziehen konnten. Auch sie zählten zu den herausragenden Sportlern als Handballer, 100m-Läufer oder Schützenmeister.

Im Kap. II (85‒190) wird über Beispiele aus Franken und Hessen berichtet. Claus W. Schäfer untersucht auf beeindruckende Weise die Rolle jüdischer Bürger im fränkischen Fußball, der in der Weimarer Republik dominierend in Bayern war. Heranziehen konnte er hierzu eine neue Quelle im Archiv der Spielvereinigung Fürth, die es ihm erlaubte, „jüdische Mitglieder […] zu identifizieren und ihre Rolle in diesem Verein zu charakterisieren“ (87). Hingegen kam er in Bezug auf den 1. FC Nürnberg nur an Namen über die in dieser Stadt herausgegebene Zeitschrift „Kicker“ und über die ebenfalls damals hier erscheinende antisemitische Hetzschrift „Stürmer“ heran, wenn jüdische Spieler „Zielscheibe antisemitischer Angriffe waren“ (88). So wurde der jüdische Trainer nach dem Ausscheiden des „Clubs“ 1932 im Halbfinale der Deutschen Meisterschaft vom „Stürmer“ für die Niederlage verantwortlich gemacht. In seiner Untersuchung bezieht der Autor den lokalhistorischen Kontext ein: Bei den Reichstagswahlen 1932 hatten die Nationalsozialisten in Nürnberg nicht den gewünschten Erfolg und suchten auf allen möglichen Gebieten jüdische Sündenböcke. Und da für die Nationalsozialisten der Sport gerade auf lokaler und regionaler Ebene Unterfutter auch für ihren Erfolg sein sollte, bot sich der jüdische Clubtrainer als Zielscheibe an. Auf die Geschichte der Juden als Sündenböcke für alle möglichen Niederlagen in der Geschichte weist der Autor hin. Im Mai 1933 gehörte der 1. FC Nürnberg zu den ersten Fußballclubs, die ihre jüdischen Mitglieder ausschlossen. Vielen gelang die Ausreise in die USA; Portraits aber lassen sich, so der Autor, von ihnen nicht zeichnen, solange die Vereinsakten des 1. FC Nürnberg verschollen sind und somit „die braune Vergangenheit des 1. Fußball-Club Nürnberg […] im Dunkeln bleiben [muss]“ (91). Die Spielvereinigung Fürth schloss ihre damals sehr zahlreichen jüdischen Mitglieder „erst“, „im Schatten der großen Nachbarstadt“ (92), im August 1933 aus, als eine Weisung der Reichsregierung erging, nach der sich alle Vereine „gleichzuschalten“ hatten. Interessant sind hier die unterwürfigen Antworten auf einen der Weisung vorangegangenen, vom Autor recherchierten Fragebogen, der allen Vereinen vorgelegt wurde: Nur drei der angefragten Vereine, darunter die Spielvereinigung Fürth, hatten im Sommer 1933 noch jüdische Mitglieder, alle anderen verneinten unterwürfig ‒ als wenn das niemals hätte in Frage kommen können ‒ jemals jüdische Mitglieder aufgenommen zu haben, oder, falls doch, sie selbstverständlich bereits entfernt zu haben.

Dirk Belda untersucht den Fußball-Club Offenbacher Kickers und räumt mit dem lange bestehenden Irrtum auf, die „Kickers“ seien seit 1932 frei von jüdischen Mitgliedern gewesen, erfunden von den seinerzeit der NSDAP nahestehenden „Offenbacher Nachrichten“, die in besonders boshafter Weise gegen jüdische Vereinsmitglieder hetzten, seit der Verein einen Wahlkampfauftritt Hitlers 1932 auf dem Bieberer Berg durch Vorstandsbeschluss verhindert hatte. Belda weist nach, dass noch im April 1933 jüdische Mitglieder in den Vorstand gewählt wurden, die aber im Juli 1933 wieder zurücktreten mussten. Noch bis 1935 gab es noch einfache Mitglieder, die sich als bedeutende Sportler hervortaten. Markwart Herzog geht in einem ausführlichen und gründlich recherchierten Beitrag der „Professionalisierung des FSV Frankfurt unter der Leitung von Unternehmern jüdischer Herkunft 1925‒1933“ nach. Dabei zieht er umfassend die Berufs- und Sportfunktionärsbiografien dreier jüdischer Unternehmer heran: des Lungenfacharztes Dr. David Rothschild, des Unternehmers in der chemischen Industrie Alfred J. Meyers sowie des Getreide- und Düngemittelhändlers Siegbert Wetterhahn. Diese drei waren im Vorstand des FSV Frankfurt, stellten einen „Teil ihrer [beruflich erwirtschafteten] Gewinne für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung“ (179) und setzten sich, vor allem der besonders streitbare, emotionale und deutsch-national gesonnene Rothschild, in vehementester Weise für den Berufsfußball ein ‒ mit dem Argument „dem patriotischen Auftrag des Sports besser gerecht zu werden“ (177). Sie fanden damals illegale Wege, die Spieler zu bezahlen oder zumindest zu entschädigen und stellten sich damit gegen den DFB, der sich „bis weit in die Hälfte des 20. Jahrhunderts“ (114) gegen den Berufssport stemmte. Alle drei ausführlich beschriebenen Unternehmer wurden nach 1933 aus ihren Positionen gedrängt, ihre Firmen boykottiert beziehungsweise arisiert. Der Beitrag Herzogs ist auch eine kleine Geschichte der Professionalisierung und Kommerzialisierung des „nach dem 1. Weltkrieg zu einem Massenphänomen“ (159) sich entwickelnden Fußballsports, die am Ende in Bezug gesetzt wird zu Entwicklungen des 21. Jahrhunderts.

Kap. III (191‒291) thematisiert die „Vertreibung der Sportler jüdischer Herkunft aus ihren Vereinen“. Markwart Herzog nimmt sich in einer umfangreichen und bemerkenswerten Analyse die „Stuttgarter Erklärung“ vom 9. April 1933 vor, die Grundlage hierfür war. Diese Erklärung, unterzeichnet von 14 Vertretern führender süddeutscher Fußballclubs, darunter der FC Bayern und Eintracht Frankfurt, bedeutete, „sich den antisemitischen Bestrebungen der neuen Regierung zu unterwerfen“ (193) und „dem NS-Regime in vorauseilendem Gehorsam entgegenzuarbeiten“ (193). Sie bedeutete eine „Selbstverpflichtung“ (199), die „Gleichschaltung“ des Fußballsports im Sinne des NS-Regimes und die Entfernung der Juden ‒ „Eingliederung des Sportes in die Ziele der nationalen Bewegung“ (197) ‒ durchzuführen. Legte die Erklärung nahe, jüdische Mitglieder insgesamt zu entfernen, beschränkte sich die Direktive des DFB auf Juden in der Funktionärsebene. Der Autor untersucht, wie die 14 Vereine ihre „Stuttgarter Erklärung“ umsetzten, und kommt zum Ergebnis, dass sich dies zunächst sehr unterschiedlich danach gestaltete, „wenn in einem Mehrspartenverein die voneinander abweichenden Anordnungen der jeweiligen Verbände bzw. Fachämter beachtet werden mussten“ (248). Interessant in Bezug auf die gesellschaftliche Bedeutung einer Vereinszugehörigkeit, hier Zusammengehörigkeit in Fußballclubs, sind die Ausführungen Herzogs in seinem abschließenden Abschnitt „Rückkehr der Vertriebenen“ (260‒265): Hier werden Beispiele aufgeführt, wie in widerwärtigster Weise zur NS-Zeit ausgeschlossene jüdische Sportler und Sportfunktionäre nach 1945 in ihre Vereine zurückkehrten und sich unglaublicherweise vollständig wieder mit diesen identifizierten, sich auch mit den für ihre Vertreibung Verantwortlichen ‒ jedenfalls nach außen ‒ aussöhnten. Man wollte wohl einfach nur wieder dazugehören. Prominentes Beispiel ist der ehemalige Präsident des FC Bayern, Kurt Landauer, der sich nach 1945 erneut in diesem Verein ganz vorne engagierte und der nicht darauf schaute, „ob Mitglieder oder Neuaufnahmen zu den Opfern, Tätern oder Mitläufern der Diktatur gehört hatten“ (261). Es zählte nur, ob jemand dem Verein nützlich war. Darüber hinaus stellte er, der ehemals Verfolgte, früheren NSDAP-Mitgliedern „Persilscheine“ aus. Und, so stellt der Autor zu Recht fest, „reiht sich die Vereinspolitik des FC Bayern München ein in die gesamtgesellschaftliche, auf Schweigen und Entlastung, Versöhnung und Rehabilitierung zielende ‚allgemeine Exkulpationssolidarität‘“ (261). So gestattete man Leuten wie Siegfried Herrmann beim FC Bayern oder Adolf Würz beim FSV Frankfurt als ehemaligen „Gleichschaltungsaktivist[en] der NS-Zeit Deutungshoheit über die Vereinsgeschichte“ (262). Der Autor führt dies darauf zurück, dass das Vereinsgedächtnis ähnlich funktioniere „wie das Familiengedächtnis; es ist bereit, nahe stehende Personen von politischer Verantwortung zu entbinden, über Vergehen hinwegzusehen und Verfehlungen zu verzeihen“ (265). Wobei, so sei angemerkt, es bei den ungeheuerlichen Vorkommnissen in der NS-Zeit um mehr geht, als um „Vergehen und Verfehlungen“. Dieses Phänomen der Zusammenarbeit von Tätern und Opfern, so sei weiter angemerkt, ist aber nicht nur auf Vereine, sicherlich aller Art, beschränkt, sondern etwa auch aus der hohen Politik der Bundesrepublik der 1950er und 1960er Jahre bekannt, wenn sie hier auch aus pragmatischen und taktischen Gründen erfolgte. Im Fußball entwickelten sich in der Zusammenarbeit wieder geradezu freundschaftliche Beziehungen und Herzog spricht von der „verstörende[n] Banalität jener freundschaftlichen Kontakte, die der Gemeinschaft stiftenden Wirkung des Sports entspringen“ (265). Diese „Gemeinschaft stiftende Wirkung des Sports“, so der Autor, hatte der DFB in der NS-Zeit „in einem tief greifenden Bruch mit dieser Tradition“ im „Kielwasser der Reichssportführung […] verleugnet und verraten“ (265).

Georg Feuerer widmet sich dem Augsburger Sportreferenten, NSDAP-Mitglied und Inhaber mehrerer NS-Ämter und NS-Ehrenämter im Bereich Sport, Wilhelm Förg, sowie der Umsetzung nationalsozialistischer Politik gegen jüdische Sportler in Augsburg. Dabei stützt er sich auf einen Teilnachlass Förgs, den das Stadtarchiv Augsburg erworben hat. Förg, der maßgeblich zur Gleichschaltung der Augsburger Sportvereine beitrug beziehungsweise diese als Sportreferent amtlich begleitete, erreichte es nach dem Krieg, sich „nicht als wichtigen Funktionsträger, sondern als willfährigen Idealisten darzustellen“ (289). Mit Hilfe mehrerer „Persilscheine“ schaffte er es, über mehrere Spruchkammer-Verfahren von der „Gruppe II für Belastete“ (289) schließlich nur noch als „Mitläufer“ eingestuft zu werden. Dem Verhalten der Augsburger Sportvereine in der NS-Zeit sowie der Sektion Augsburg des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins hinsichtlich der „Arisierung“ geht Feuerer im Einzelnen nach und kommt zu dem Ergebnis, dass, insbesondere wenn Vereine Mitglied im besonders rigiden „Deutschen Reichsbund für Leibesübungen“ waren, Juden rigoros ausgeschlossen wurden.

In einem wichtigen Abschlussbeitrag dokumentiert Jim G. Tobias den erstaunlich schnell erwachenden jüdischen Sport in den Displaced Persons-Camps der Amerikanischen Zone nach 1945 als „gelebte zionistische Überzeugung“ (295). Es ist die Phase zwischen der Unterbringung in jenen Lagern und der Gründung des israelischen Staates 1948, in der sich circa 200 000 Juden, Überlebende aus den Konzentrationslagern sowie osteuropäische Juden, noch in Deutschland aufhalten. Tobias arbeitet auch heraus, dass die jiddische Sprache in jener Zeit eine Wiedergeburt erlebte ‒ „ausgerechnet im Land der Täter“ (296) ‒ und sich in zahlreichen jiddischen Zeitungen artikulierte. Bei den jüdischen Verfolgten des Nazi-Regimes, die sich einst doch weit mehrheitlich, und wie in dieser Publikation vielfach dokumentiert, als Deutsche gesehen hatten, erfolgte ein radikaler Umschwung: Man begriff sich nun ganz überwiegend als jüdisches Volk, das sehnsüchtig auf die Ausreise nach Palästina wartete, und bekannte sich zum Zionismus. Die jiddischen Zeitungen waren hier die Stichwortgeber und forcierten diesen Anspruch. Und der Sport, der in den Camps sofort betrieben wurde, sollte dazu dienen, wie der Autor im Einzelnen nachweist, den Körper zu „ertüchtigen“, um ihn wehrhaft zu machen für die Zukunft im neuen Staat. Sport war „Ausdruck von Lebensmut und Kampfbereitschaft“ (300) und hier wiederum insbesondere der Boxsport als Ausdruck von „Heldenmut“ (300). So fand die erste jüdische Boxmeisterschaft 1947 „mit 68 Boxern aus 13 DP-Lagern“ (300) im Januar 1947 in München im Circus Krone statt. Doch auch alle anderen Sportarten und insbesondere Fußball wurden ausgeübt und entsprechende Clubs gründeten sich und spielten um die Meisterschaft. Der Sport „wurde eine wirksame ideologische Waffe im Kampf um die Staatlichkeit“ (303), die schließlich durch den Beschluss der Vereinten Nationen, das britische Mandatsgebiet Palästina in einen arabischen und einen jüdischen Bereich aufzuteilen, im Juni 1948 Wirklichkeit wurde. Komplette Sportmannschaften meldeten sich zum Militärdienst, schließlich nahmen etwa „22.000 Überlebende der Shoa aus den Displaced Persons Camps am israelischen Unabhängigkeitskrieg“ (304) teil.

Alles in allem liegt eine hervorragende Publikation vor, die aufgrund neu erschlossener Quellen nicht nur weitere Erkenntnisse zur Sportgeschichte, zur Sportpolitik, zur gesellschaftlichen und ideologischen Bedeutung des Fußballsports in der NS-Zeit und zur Geschichte des enormen Beitrags jüdischer Bürger dazu bietet, sondern auch zu den Verwerfungen menschlichen Verhaltens in einem Terrorregime und schließlich Aspekte beiträgt zur Gründung des Staates Israel. Einige Aufsätze leiden leider da und dort unter begrifflichen Unschönheiten. Schon beim Titel der Publikation kommt man ins Stocken und Nachdenken: Die Formulierungen, die hier, aber auch insbesondere in der Einleitung und vielfach in den Kapiteln II und III verwendet werden, nämlich „Sportler jüdischer Herkunft“, „Fußballer jüdischer Herkunft“, „Bürger jüdischer Herkunft“ usw., sind unangemessen, ja gefährlich. Die besprochenen Sportler beziehungsweise „Sportfunktionäre jüdischen Bekenntnisses“, wie sie richtig benannt werden müssen und in anderen Beiträgen des Bandes ja auch so bezeichnet werden, kamen damals nicht von irgendwo her („Herkunft“!), sondern lebten alteingesessen in Deutschland und waren deutscher Nationalität. Gerade die in den Beiträgen besprochenen Sportfunktionäre und Sportler waren meist ausgesprochen deutsch-patriotisch gesinnt, was in den Beiträgen auch ausnahmslos so beschrieben wird. Die deutschen Sportler christlichen Bekenntnisses werden ja auch nicht als Sportler „christlicher Herkunft“ bezeichnet. Es ist nicht verständlich, dass die Diskrepanz zwischen solchen Formulierungen und den überhaupt nicht zu beanstandenden Inhalten aller Beiträge niemandem vor Drucklegung aufgefallen ist. Sprachliche Korrektheit, und in diesem Fall ganz besondere Sensibilität, muss aber auch und gerade in wissenschaftlichen Publikationen eingehalten werden angesichts heute wieder virulenter antisemitischer Umtriebe, die Jüdinnen und Juden erneut ausgrenzen wollen ‒ und hier darf das in diesen Zusammenhängen belastete Wort „Herkunft“ eben keinen Platz haben. Eine zweite kritische Anmerkung ist ebenso notwendig: Wenn man den Mord an den Juden als „Rassenmord“ bezeichnet (260, ohne Anführungszeichen gebraucht!), geht man davon aus, dass es unterschiedliche menschliche Rassen gibt. Dies ist eine Begrifflichkeit beziehungsweise Sichtweise der Vergangenheit und hat in einer Publikation des Jahres 2021 nichts zu suchen. „Rasse“ in Bezug auf Menschen anzuwenden, nicht nur hinsichtlich Juden, ist schon lange obsolet; und zwar nicht erst seit der durch die Presse bekannt gemachten Stellungnahme des „Deutschen Instituts für Menschenrechte“ zu Gesetzesentwürfen zur Änderung des Art. 3, Abs. 3 des Grundgesetzes vom 21. Juni 2021 (veröffentlicht auf: institut-fuer-menschenrechte.de/.../begriff-rasse: „allein rassistische Theorien [gehen] von der Annahme aus, dass es unterschiedliche menschliche ‚Rassen‘ gibt“). Dies müsste unter Wissenschaftlern, die in diesem Themenfeld arbeiten, auch unabhängig von dieser Stellungnahme, längstens angekommen sein. Da aus dem Impressum hervorgeht, dass es sich hier um eine 1. Auflage handelt, ist wohl eine 2. Auflage zu erwarten, die die Chance bietet, die hier beanstandeten Begrifflichkeiten zu korrigieren. Sodann wird es ohne Einschränkungen ein meisterhaftes Werk sein.