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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Mathias Zahn/Sabine Rommel (Hg.)

Max Schanz. Spielzeug Gestalten im Erzgebirge

Stuttgart 2021, 2. Aufl., Arnoldsche Verlagsanstalt, 208 S. m. Abb., ISBN 978-3-89790-650-1


Rezensiert von Nina Gockerell
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 01.09.2022

Der Band liegt in zwei Ausgaben vor: Im Jahr 2020 war er zum 125. Geburtstag von Max Schanz (1895–1953) als gebundene Jubiläumsschrift erschienen, im Jahr darauf wurde er als Softcover noch einmal aufgelegt; angesichts der stattlichen Breite des aufgeschlagenen Bandes und einer Stärke von über 200 Seiten erweist sich das – dies sei gleich zu Beginn erwähnt – als nicht sehr benutzerfreundlich.

Warum der Band mit dem ungewöhnlich formatierten Untertitel „Spielzeug Gestalten im Erzgebirge“ für die Handwerks- und Designgeschichte, die Volkskunde sowie die Landes- und Sozialgeschichte des Erzgebirges so wichtig ist, lässt sich als Quintessenz des reich illustrierten Werkes so zusammenfassen: Der Dresdner Max Schanz hat als Leiter der Spielwarenfachschule Seiffen und Grünhainichen in vier Jahrzehnten den Stil und die Qualität der erzgebirgischen Holz- und Spielwarenproduktion maßgeblich geprägt. Er hat beginnend noch im Kaiserreich, über die Weimarer Republik, das NS-Regime und die frühe DDR nahezu unverändert Designgeschichte geschrieben und seine pädagogischen Überzeugungen zur Grundlage seiner Entwürfe gemacht. Schanz war kein Nostalgiker, sondern ein Erneuerer, einer, der moderne Technik nutzbar zu machen verstand, um traditionelles Handwerk und gewerbliche Serienproduktion zusammenzubringen. Und er setzte mit seinen bis heute überzeugenden Plakatentwürfen voll auf die Wirkung zeitgemäßer Werbung. Schanz führte die Drechsel- und Schnitztradition der Seiffener Handwerker nicht nur durch seine stilbildenden Entwürfe, mit denen die Fachschüler sozusagen aufwuchsen, in seine eigene Gegenwart von Bauhaus und Werkbund, sondern prägte Mitte der 1930er Jahre auch ganz entscheidend das Berufsbild der erzgebirgischen Spielzeugmacher, die die Fachschule auf sein Betreiben hin mit der Gesellenprüfung abschließen konnten.

Seine Enkel Sabine Rommel und Mathias Zahn, Kinder seiner Tochter Ursula Zahn, geb. Schanz, haben ihren Großvater kaum beziehungsweise nicht gekannt. Es ist ihr großes Verdienst, die Fülle an erhaltenen Unterlagen schriftlicher und bildlicher Art zu seinem Leben und seinem Schaffen gesichtet, sortiert und daraus die entscheidenden Daten herausgefiltert und ihren eigenen Textbeiträgen zugrunde gelegt zu haben. Zusammen mit kompetenten Mitautoren wie Urs Latus, Konrad Auerbach und anderen haben sie den Lebensweg von Max Schanz und die Entstehung seiner wichtigsten Entwürfe anhand einer großen Zahl von Schwarz-Weiß-Fotografien aus mehreren Jahrzehnten, Entwurfszeichnungen und neu angefertigten Farbaufnahmen seiner Schöpfungen nachgezeichnet. Dieser Dreiklang bestimmt den umfangreichen Band beim Durchblättern und er begleitet den aufmerksamen Leser der dazwischen gestreuten Texte.

Drei große Kapitel gliedern den Band: Spielzeugkunst – Erzgebirgische Weihnacht – Findlinge. Die Kapitel 1 und 2 umfassen jeweils kurze Texte und sind umfangreich illustriert. Neben vielen historischen Aufnahmen aus Schanzʼ Lehrtätigkeit begeistern vor allem die zahlreichen Entwurfszeichnungen für einzelne Figurentypen, die jeweils auf einem einzigen Blatt verschiedene Ansichten, mögliche Bewegungen sowie manchmal sogar Farbalternativen in Schanzʼ reduzierter Formensprache mit kräftigem, endgültigem Strich über zarter Unterzeichnung zeigen. Man begegnet im ersten, der Spielzeugkunst gewidmeten Kapitel, Zwergen, Hasen, der Gänseliesel mit ihren Vögeln, Schafhirten mit ihren Tieren, Mäusen, Schaukelpferd-Reiterlein, kleinen Wagen und Dörfchen. Max Schanzʼ Überzeugung, dass moderne Formen der Werbung für einen anhaltenden Erfolg der handwerklichen Produkte unabdingbar waren, drückt sich in seinen grafisch bis heute überzeugenden Werbemitteln für die in Seiffen seit 1936 regelmäßig organisierten Verkaufsschauen aus; so gestaltete er vor fast 100 Jahren den springenden Hirsch vor einer Tanne – bis heute das Logo der Dregeno, der Drechslergenossenschaft Seiffen, und des dortigen Museums.

In gleicher Weise gestaltet ist das Kapitel „Erzgebirgische Weihnacht“, das zwischen kurzen Texten historische Abbildungen, Entwürfe und Farbfotos der Schanzschen Kurrendesänger, Striezelkinder, Weihnachtsmänner, Nussknacker, Räuchermännchen, Lichterengel und Bergmänner, Pyramiden, Schwibbögen, Stand- und Hängeleuchter (Spinnen) und schließlich der in geringer Stückzahl von ihm selbst geschnitzten Krippe zeigt. Die dazwischen gestreuten Texte sind, je nach Autorin oder Autor, recht unterschiedlicher Natur. Teils beschreiben sie private Gepflogenheiten der Familie oder sind sehr persönliche Erinnerungen etwa der zum Zeitpunkt der ersten Niederschrift jugendlichen Tochter von Max Schanz. Teils sind es sachliche Beiträge wie etwa derjenige von Urs Latus über die Entstehung der Striezelkinder Anfang der Dreißigerjahre mit der genauen Schilderung ihrer handwerklichen Herstellung bis zum Ende der Produktion im Jahr 2018, als die letzte Malerin der Figurengruppe starb.

Ein spezielles Merkmal der Entwürfe von Schanz ist hier zu erwähnen: Er pflegte seine Figuren nur zart mit wasserlöslichen Farben zu bemalen, fast eher zu lasieren, und setzte diese sehr besondere Ästhetik auch als Lehrer und Mentor zahlreicher Seiffener Künstler durch. Das matte Kunstdruckpapier des Bandes scheint perfekt dafür ausgewählt worden zu sein, dieser reduzierten Farbigkeit der Figuren in der Wiedergabe gerecht zu werden. Sehr schön ist, dass die reinen Abbildungsseiten jeweils als Doppelseiten zu einem Thema gestaltet sind, das häufig durch kurze Texte erläutert und beschrieben wird. Darüber hinaus sind alle Abbildungen der Doppelseiten, jeweils mit 1 beginnend, mit Nummern versehen, die mit Bildunterschriften korrespondieren sollten. Recht häufig allerdings gibt es diese Textform gar nicht und der Nummerierung der Bilder fehlt der Bezug zu einem zugehörigen Text.

Sehr disparat ist das dritte Kapitel „Findlinge“, dessen Titel einerseits Bezug nimmt auf den Findling, der anstelle eines Grabsteins oder -kreuzes die Grabstätte von Max Schanz bezeichnet und andererseits ausdrückt, dass die kurzen Textbeiträge den beiden Enkelkindern in ihrer Rolle als Herausgeber des Buches zuweilen recht ungeplant im Lauf der umfangreichen und sehr sorgfältigen Recherchen sozusagen zugelaufen sind. Essayartig formulierte Gedanken der beiden und Nachdrucke von Texten ihres Großvaters und ihrer Mutter sind wiederum aufschlussreich illustriert mit historischen und zeitgenössischen Fotos, auf denen auch einige jener Aquarelle zu sehen sind, mit denen Schanz sich und seine Familie nach 1945, als er trotz erfolgter Entnazifizierung nicht wieder in seine Direktorenstelle eingesetzt worden war, über Wasser halten musste sowie einigen Schriftstücken, die seine Verbundenheit mit der Evangelischen Kirche und dem Landesverein Sächsischer Heimatschutz zeigen. Aus dem engen Rahmen dieser umfangreichen, Buch gewordenen Hommage fällt allein der Abdruck der Ansprache, die Christoph Grauwiller aus Liestal zum 100. Geburtstag von Max Schanz 1995 in Seiffen gehalten hat. Als Schweizer thematisiert er zunächst recht schonungslos das Mitläufertum vieler Deutscher im „Dritten Reich“, um dann zu berichten, wie er selbst aus Interesse für das erzgebirgische Holzhandwerk in die DDR gereist ist, dort die Unmenschlichkeit des totalitären Systems erkannt und fortan behutsamer geurteilt hat. So ist auch seine damalige Rede letztlich eine Laudatio auf den Jubilar geworden.

Dass Max Schanz mit seinen Ideen, von denen er stets kompromisslos überzeugt war, und mit seiner Unbeirrbarkeit im Hinblick auf die Ästhetik seiner Entwürfe ein ganz Großer war und durch das Weiterleben seiner Entwürfe bis heute ist, zeigt der schöne und wichtige Band zu seinen Ehren sehr überzeugend.