Aktuelle Rezensionen
Tina Burkhardt/Dorothee Pesch (Hg.)
Heinz hört auf! Von Drechslern, Schreinern und einem Neuanfang. Begleitheft zur Ausstellung vom 13.06.2021 bis 30.01.2022
(Schriftenreihe der Museen des Bezirks Schwaben 60), Oberschönenfeld 2021, Museum Oberschönenfeld, 104 S. m. Abb., ISBN 978-3-948797-03-4
Rezensiert von Thomas Schindler
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 15.09.2022
Das vorliegende Begleitheft vertieft die Themen einer Sonderausstellung im Museum Oberschönenfeld in Gessertshausen bei Augsburg. Sechs Beiträge thematisieren darin unterschiedliche Facetten der Übernahme eines größeren Teils des Inventars und Sortiments der nach sechs Generationen aufgegebenen Drechslerei und Schreinerei Heinz aus Waal bei Buchloe im Allgäu ab 2019. Im Vorwort betont Beate Spiegel als Museumsleiterin, dass es sich nach der Dokumentation der Malerwerkstatt Hösle in Langenhaslach bei Krumbach 2005 bereits um die zweite derartige Übernahme handelt, demnach das Museum einen Fokus auf „Handwerk und Handwerksforschung“ als „klassische Themenfelder kulturhistorischer Museen und empirischer Kulturwissenschaften“ richte (4–5).
Den inhaltlichen Reigen eröffnet Mitherausgeberin Dorothee Pesch mit ihrem als Betriebs(leiter*innen-)biografie angelegten Aufsatz „Die Firma Heinz – Tradition trifft Innovation“ (6–13). Methodisch leitet sie hierin anhand einiger markanter „Schlaglichter“ (13) folglich kursorisch die Unternehmens- und Produktionsgeschichte her. Die selbe Autorin zeichnet auch für das anschließende verschriftlichte Interview mit der letzten Betriebsinhaberin und Gewährsfrau, Hildegard Heinz, verantwortlich (14–19). Den Ausführungen nach scheinen die Interviewerin und die Interviewte vertraut miteinander gewesen zu sein, sie duzen sich beispielsweise. Das Interview ist von einer sehr positiven Grundstimmung getragen. Mit Herbert Wintersohls Aufsatz „Das steht auch schon lange da“ (20–27) folgt der Beitrag des eigentlichen „Entdeckers“ des damals in Auflösung befindlichen Betriebs. Sein Interesse an der Drechslerei und Schreinerei führte 2018 zu einer ersten Ausstellung in Buchloe. Wintersohl berichtet konzise über seinen Erst- und die weiteren Kontakte und Erfahrungen mit Hildegard Heinz und nimmt eine vertiefende Charakterisierung der Produktpalette des Handwerksbetriebs vor. Der nächste Aufsatz, „Ein Puzzle mit eintausend Teilen – die Übernahme der Sammlung Heinz“ (28–37), stammt aus der Feder der für die Akquise des Sammlungsguts zuständigen Bearbeiterin in Oberschönenfeld, der Museologin und Mitherausgeberin der Begleitheftes Tina Burkhardt. Sie fokussiert auf die konkreten Projektschritte, an denen sie praktisch beteiligt war und liefert en passant auch eine exemplarische Tätigkeitsbeschreibung ihrer Profession. Eva Bendls „Was Wendt & Kühn-Engel mit dem Allgäu verbindet“ (39–45) thematisiert vordergründig die überregionale Kooperation der Drechslerei und Schreiner Heinz mit einer sächsischen Firma; hintergründig geht es um den transregionalen Austausch von Ideen und Gestaltungskonzepten, mithin die Anbindung des ländlichen Allgäuer Betriebs in die kunstgewerbliche Szene in Deutschland. Abschließend perspektiviert Johanna Feige den Beruf der Schreinerin aus Gendersicht in „Und wann kommt der Kollege“ (46–53). Sie widmet sich der Frage, unter welchen Rahmen- und konkret-situativen Bedingungen weibliche Handwerksarbeit vornehmlich heute stattfindet. Ihrer Ansicht nach herrscht im holzverarbeitenden Handwerk in dieser Hinsicht eine „Unterrepräsentation“ und „Unsichtbarkeit“ (46). Der nicht ganz nachvollziehbar eingestreute Kurzbericht „Altes Furnierholz in neuer Gestalt“ (54–55) von Roger Mandl leitet quasi in den mit zahlreichen exzellent fotografierten Objekten bestückten Katalogteil (56–101) über.
Die vorliegende Ausstellungs-Begleitpublikation ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch „klassische Themenfelder“ des Vielnamenfachs zahlreiche Möglichkeiten bieten eigenständige Perspektiven im Themenspektrum Handwerk zu entwickeln. Interessant aufgemacht und durchgehend bebildert liest sich der sehr informative Band in einer Tour durch. Es gilt: Es ist eben längst noch nicht alles Wissenswerte (insbesondere unter Einbezug der Genderperspektive) bereits erzählt. Inhaltliche Kritik erwächst zunächst an den Stellen, an denen vertieftes Basiswissen notwendig gewesen wäre beziehungsweise Narrative zu rasch im inhaltlichen Off münden. Ein Beispiel für letzteres ist das auf Seite 23 zwar angeführte, aber in seinen potentiell vielfältigen Bedeutungen nicht aufgeschlüsselte „Thing-Schach“ als Entwurf der Firma aus dem Jahr 1935 zu nennen. Zentrale Aussagen zur Bedeutung von Frauen im zünftigen Handwerk der Frühneuzeit zum Beispiel („Frauen waren aus Zünften ausgeschlossen“, 53) sind zu pointiert.