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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Reinhard Kren/Monika Leisch-Kiesl (Hg.)

Kultur – Erbe – Ethik. „Heritage“ im Wandel gesellschaftlicher Orientierungen. Festschrift für Wilfried Lipp

(Linzer Beiträge zur Kunstwissenschaft und Philosophie 12), Bielelfeld 2020, transcript, 485 S. m. Abb., ISBN 978-3-8376-5338-0


Rezensiert von Christian Hanus
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 29.09.2022

Beim Sammelwerk „Kultur – Erbe – Ethik. ‚Heritage‘ im Wandel gesellschaftlicher Orientierungen“, herausgegeben von Reinhard Kren und Monika Leisch-Kiesl, handelt es sich um eine Festschrift für Wilfried Lipp, der sich weit über die Fachwelt hinaus als Denkmaltheoretiker und ‑philosoph, als Universitätsprofessor, als Landeskonservator, also praktischer Denkmalpfleger, wie auch als Präsident von ICOMOS Austria einen Namen gemacht hat. Allein die Benennung seiner wichtigsten Meilensteine lässt die Anforderung an die Vielseitigkeit des Werks erahnen. Eingangs nehmen Leisch-Kiesl und Kren genau auf diese Herausforderung, alle Wirkungsfelder Lipps abzubilden, Bezug und verweisen auch auf die diesbezügliche Unterstützung durch den zu Ehrenden selbst bei der Erarbeitung der Festschrift, welche mit 485 Seiten den Umfang eines veritablen Handbuchs und Taschenlexikons hat.

Das Schriftwerk wartet im Teil „Heritage – kulturelles Erbe“ mit einer Vielzahl durchgängig ausgesprochen fundierter, philosophischer und denkmaltheoretischer Grundsatzabhandlungen renommierter Fachpersönlichkeiten aus unterschiedlichsten Ländern Europas und in einem Fall Afrikas auf. Die meist in englischer Sprache verfassten Beiträge reichen von Paradigmen und Theorien (Willem Derde, BE) sowie Überlegungen zur Bedeutung des Erbes (Jukka Jokilehto, FI) über die Positionierung von Denkmälern innerhalb des kulturellen Erbes (Tamás Fejérdy, HU), Probleme und Schwierigkeiten in der Denkmalpflege (Giora Solar, IT; Natalia Dushkina, RUS) bis hin zu Ansätzen integraler Konservierung (Giancarlo Barbato, IT; Mounir Bouchenaki, DZ) und der Friedensstiftung durch Kulturerbe (Paolo del Bianco, IT). Abgeschlossen wird dieser erste Buchteil durch einen Beitrag in deutscher Sprache mit Begriffserläuterungen zum Reparaturbedarf in der Denkmalpflege (Thomas Will, DE). In diesen Abhandlungen, aus denen sich ein solides Lehrbuch für angehende Baukulturverantwortliche zusammenstellen ließe, wird eine Reverenz an den Jubilar als international hervorstechende Fachautorität erwiesen und eine fachliche Verbundenheit bezeugt. Es folgt ein Buchteil mit Artikeln über Handlungsansätze und Spezialfragen der Denkmalpflege in verschiedenen Ländern weltweit, wobei explizit auch Bezug auf das UNESCO-Welterbe genommen wird, mit dem sich Wilfried Lipp im Rahmen seiner Tätigkeiten für den ICOMOS über viele Jahre auseinandergesetzt hat. Konkret werden Grundsätze der Denkmalpflegepraxis in Tschechien (Josef Štulc, CZ) und in der Schweiz (Nott Caviezel, CH) erläuternd dargestellt, wird die Rezeption und Inwertsetzung von historisch bedeutsamen Wohnbauten in Ostasien, Europa und Nordamerika (Miles Glendinning, GB) wie auch historischer Stadtlandschaften in Lateinamerika (Louise Noelle, MX) thematisiert und auch der traurige Fall gezielter Zerstörung von Kulturerbe am Beispiel der Bamiyan-Budda-Statuen (Michael Falser, AT) abgehandelt. Den Abschluss dieses Teils bilden einige Gedanken zum UNESCO-Welterbe (Eva Nowotny, AT). Dieser Buchabschnitt wirkt inhaltlich etwas heterogen, was bei einer Festschrift auch gestattet sein soll, doch sind die einzelnen Beiträge allesamt wiederum von bemerkenswerter inhaltlicher Qualität.

Der Folgeteil des Buches ist in seiner Charakteristik vollkommen verschieden zu den vorangehenden Teilen. Dieser enthält eine Vielzahl von persönlichen Bezugnahmen, Würdigungen und Anekdoten zum Jubilar. Teils sind diese getragen, teils etwas burschikos, allesamt aber sehr wertschätzend. Sie stammen von Persönlichkeiten aus dem Fachkollegium und ehemaligen Studierenden. Berührend sind der Beitrag von Michael Petzet (DE), der sich an die gemeinsame Zeit als Mitstreiter von Wilfried Lipp erinnert – es handelt sich dabei um den letzten Text des Autors – und die Erinnerungen von Hans Max-Theurer (AT), welche von Wilfried Lipp auf Basis gemeinsamer Gespräche verfasst wurden, da auch dieser Autor vor Erscheinen des Buchs verschieden ist. Ein launiger Beitrag in Form eines Kurztheaterstücks von Georg Steinmetzer rundet diesen Teil ab. Der Folgeteil des Buches fokussiert sich geografisch auf Oberösterreich, das Wirkungsgebiet von Wilfried Lipp als Landeskonservator. Nebst einem Essay über Michael Hainisch (Wilfried Posch) und über „Neubauten mit Aura“ (Thomas Zaunschirm) enthält dieses Kapitel Niederschriften von Fachgesprächen. Dabei reichen die Themenfelder von der Gartendenkmalpflege über Landschaftsarchitektur (Maria Auböck befragt von Eva Berger) zu Kulturlandschaften (Helene Karmasin und Tarek Leitner befragt von Imma Walderdorff; Christoph Leitl befragt von Georg Spiegelfeld). Dass es sich bei der Autorenschaft dieses Kapitels vor allem um Persönlichkeiten aus Ostösterreich handelt, darf bei der vorliegenden geografischen Fokussierung nicht gänzlich verwundern. Schließlich folgen noch drei weitere Buchteile mit den inhaltlichen Schwergewichten auf Kulturpolitik sowie auf (u.a. digitale) Medien und Identität. Es handelt sich dabei entweder um Beiträge aus früheren Tagungen oder Sammelwerken oder um Fachgespräche, die eigens zur Erstellung der vorliegenden Festschrift geführt werden durften, zumal diese kurz vor deren Erscheinen geführt wurden. Auch hier finden sich wieder renommierte Fachexponenten aus der Denkmalpflege (Adrian von Buttlar, Gerhard Vinken, Ursula Schädler-Saub, Achim Hubel, Robert Dornhelm, Hans-Rudolf Meier u.a.). Das Spektrum der einzelnen Beiträge von der Denkmaldebatte zum Innenraum der St.-Hedwigs-Kathedrale zu Berlin, welche Wilfried Lipp maßgebend mitgetragen hat und auch heute noch mitträgt, über den Umgang mit Daten, Informationen und der Rolle virtueller Rekonstruktionen bis hin zur Bedeutung der Identität. Das Spektrum der einzelnen Beiträge reicht von tiefgründigen denkmaltheoretischen Abhandlungen über die Niederschrift von Fachgesprächen bis hin zu theatralischen Kurzstücken und verleiht der Festschrift eine offensichtlich gewollte Varianz. Selbst Personen, die über viele Jahre mit Wilfried Lipp im Austausch standen, dürften dank dieses Schriftwerks bisher ungekannte oder zu wenig wahrgenommene Facetten neu entdecken oder zumindest neu einordnen. Die angeführte Biografie Wilfried Lipps wie auch seine Bibliografie dürften die letzten diesbezüglichen Wissenslücken über einen angesehenen Proponenten der Denkmaltheorie, ‑philosophie und ‑praxis schließen. Es bleibt allen zu wünschen, dass er und auch die Fachwelt an diesem Werk eine Bereicherung erfahren.