Aktuelle Rezensionen
Siegfried Haider
Verzeichnis der den oberösterreichischen Raum betreffenden gefälschten, manipulierten oder verdächtigen mittelalterlichen Urkunden
(Beiheft zum Urkundenbuch des Landes ob der Enns), Linz 2022, Verlag Oberösterreichisches Landesarchiv, 134 Seiten
Rezensiert von Daniel Luger
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 07.04.2023
Das seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst vom Oberösterreichischen Musealverein, später vom örtlichen Landesarchiv herausgegebene „Urkundenbuch des Landes ob der Enns“ zählt zu den traditionsreichsten Editionsvorhaben Österreichs. Im Rahmen der Beihefte dieses verdienstvollen Unternehmens legte Siegfried Haider nach langjähriger Sammeltätigkeit einen Band zu jenen Urkunden aus Oberösterreich vor, die von der Forschung als gefälscht bzw. manipuliert erkannt wurden oder diesbezüglich zumindest als verdächtig eingestuft werden müssen.
Der Autor dieses im Folgenden zu besprechenden Werkes ist als Mitglied des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung und a.o. Professor (i.R.) für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Wien nicht nur ausgewiesener Diplomatiker, sondern als ehemaliger Direktor des Oberösterreichischen Landesarchivs zudem ein Fachmann für die Geschichte des Landes ob der Enns und daher geradezu prädestiniert für ein derartiges ambitioniertes Vorhaben.
Bekanntlich war die Untersuchung der Authentizität von Urkunden der ursprüngliche Antrieb für die Entwicklung der wissenschaftlichen Diplomatik, und diese Frage hat bis heute nichts an ihrer Bedeutung für die Mediävistik verloren, auch wenn von der Urkundenforschung in der Zwischenzeit eine Vielzahl weiterer Fragestellungen in den Blick genommen wird.
Die von Siegfried Haider vorgelegte Sammlung von insgesamt 153 Urkunden beinhaltet überwiegend Schriftstücke, die bereits in den gedruckten Bänden des „Urkundenbuchs des Landes ob der Enns“ enthalten sind. Hinzu kommen allerdings weitere Quellen, die der Autor in anderen Editionsvorhaben, wie etwa dem „Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich“ oder den „Monumenta Germaniae Historica“, ausfindig machen konnte.
Den Hauptteil von Haiders Publikation stellt ein fortlaufend nummerierter Katalog dieser Urkunden dar, der zu jedem einzelnen dieser Schriftstücke zunächst die vorgebliche Datierung sowie die vermutete tatsächliche Entstehungszeit angibt, gefolgt von einem knappen Kopfregest, den bislang erschienenen Editionen und Regesten sowie den wichtigsten Literaturangaben, die insbesondere die Frage nach der Echtheit des jeweiligen Stücks betreffen.
In einer ausführlichen und instruktiven Einleitung behandelt der Autor zunächst Stand und Perspektiven des Oberösterreichischen Urkundenbuches und erläutert danach die Benutzung seiner Publikation, die er selbst einerseits als „Arbeitsbehelf“ für den Umgang mit den enthaltenen Urkunden, andererseits aber auch als Ergänzung bzw. Vorarbeit zu einer Neubearbeitung der älteren Bände des „Urkundenbuchs des Landes ob der Enns“ verstanden haben möchte, welche nach Haider heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen.
In seiner Einführung führt der Autor zudem auch einige auswertende Analysen und weiterführende Einschätzungen zum gesammelten Material an. So macht dessen statistische Auswertung u.a. deutlich, dass das 13. Jahrhundert die „Blütezeit des urkundlichen Fälscherwesens“ dargestellt habe. Allerdings muss an dieser Stelle der auch vom Autor selbst konstatierte Mangel an umfassenden Editions- und Regestenunternehmen zum österreichischen Urkundenmaterial des 15. Jahrhunderts sowie an darauf aufbauenden diplomatisch-kanzleigeschichtlichen Untersuchungen ins Treffen geführt werden, die schließlich in vielen Fällen überhaupt erst die solide Basis für das sichere Erkennen und Einordnen gefälschter bzw. manipulierter Urkunden darstellen könnten.
Trotz dieses Vorbehalts stellt das vorliegende Werk Siegfried Haiders einen verdienstvollen und fachlich fundierten Beitrag zum oberösterreichischen Urkundenwesen dar, der auch durch marginale Lapsus in der drucktechnischen Umsetzung des Bandes in seinem bleibenden Wert keineswegs geschmälert wird. So trägt es etwa nicht zur Übersichtlichkeit bei, dass die fortlaufend nummerierte, zweispaltig über vier Seiten geführte „Konkordanztabelle“ nicht wie üblich auf jeder Seite einen Spaltenumbruch aufweist, sondern lediglich einen Einzigen am Ende der Tabelle.
Auch könnte sich mancher Leser im Katalogteil gegebenenfalls ausführlichere Angaben zur jeweiligen Art der (Ver-)Fälschung wünschen. Gerade angesichts mitunter nicht mehr aktueller Angaben in den angeführten älteren Urkundeneditionen wäre zusätzlich zum Hinweis auf die jeweiligen Editionsorte auch ein Verweis auf gegenwärtige Archivsignaturen der aufgenommenen Stücke hilfreich, allenfalls auch mit Hinweisen auf Online-Verfügbarkeiten auf monasterium.net. Auch die Erschließung durch Orts- und Personenindices würde den Umgang mit diesem Band deutlich erleichtern.
Nichtsdestotrotz stellt Siegfried Haiders Werk eine überaus verdienstvolle Grundlagenarbeit von bleibendem Wert dar, das dementsprechende Beachtung verdient. Es wäre wünschenswert, wenn dieses wichtige Werk die Erarbeitung von weiteren regionalen Bänden dieser Art anregen würde, um auf diesem Weg auch vergleichende Auswertungen möglich zu machen.