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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Alfons Huber

Das Schülerverzeichnis des Straubinger Jesuitenkollegs mit Gymnasium und Lyzeum

(Sonderband des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung 8), Straubing 2022, Cl. Attenkofersche Buch- und Kunstdruckerei, 800 Seiten, 17 Abbildungen


Rezensiert von Alois Schmid
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 21.04.2023

Die große Bedeutung des Jesuitenordens für die Geschichte des frühneuzeitlichen Bayern ist durch zahlreiche Quelleneditionen und Untersuchungen hinreichend dokumentiert. Das gilt in besonderem Ausmaß für das Bildungswesen, das vom späteren 16. Jahrhundert bis zur Aufhebung der Societas Jesu 1773 von dieser die entscheidenden Impulse erhielt. Immer konzentrierten sich die einschlägigen Arbeiten auf das Münchner Gymnasium beim Kolleg St. Michael, dem der Vorrang als führende Landesschule zuerkannt wurde. Tatsächlich rekrutierte sich die Führungsschicht des Kurfürstentums Bayern in bemerkenswertem Ausmaß aus ihren Absolventen. Deswegen erfüllten die Edition der Matrikel durch Max Leitschuh (4 Bände, München 1970–76) und deren wegweisende Auswertung durch Andreas Kraus (München 2001) ausgesprochene Desiderate der bayerischen Landesforschung.

Immer im Schatten der Münchner Leitschule verblieben die Gymnasien an den übrigen Standorten der Societas Jesu, die planvoll über das Kurfürstentum verteilt wurden. Als eine der „Hauptstädte“ des Landes erhielt auch der Rentamtssitz Straubing im Jahr 1631 im Rahmen der zweiten Ausbauphase des Ordens ein Kolleg mit Gymnasium und Lyzeum. Beide Erziehungseinrichtungen hatten bis zum kurialen Verbot des Jesuitenordens Bestand. Hauptaufgabe war, das Bildungspotenzial des Rentamtsgebietes zu erfassen und auch der dortigen bäuerlich-ländlich geprägten, bisher eher bildungsfernen Bevölkerung ein weiterführendes Schulangebot zu unterbreiten. Dieses Ziel hat die Schule vorzüglich erreicht, wobei sie sich, von den im nahen Sünching verorteten Grafen von Seinsheim wirkungsvoll gefördert, mit der Konkurrenz mehrerer Klöster, vor allem der Benediktiner zu Metten, Ober- und Niederaltaich konfrontiert sah. Die maßgebliche wissenschaftliche Dokumentation dieses wichtigen Befundes der Bildungssozialgeschichte Ostbayerns wurde durch die Festgabe „Historia – Charakteristica – Curiosa. Beiträge zur Geschichte des Johannes-Turmair-Gymnasiums Straubing“ (1981) durch die in dieser Tradition stehenden Schule selber erbracht. Trotz der immer ungewöhnlich regen und erfolgreichen Geschichtspflege bietet gerade diese Erziehungsanstalt noch immer vielfältige und lohnende Forschungsaufgaben.

Der anzuzeigende Quellenband bietet dafür eine entscheidende Voraussetzung. Er listet die Schülerschaft in Vollständigkeit auf. Zu diesem Zweck wird aber nicht eine auf der Grundlage der Originale aufgebaute Edition der Matrikelbände (wie von Leitschuh) vorgelegt. Hier wird bereits eine erste Bearbeitung in Angriff genommen, indem die Namen der Jahresverzeichnisse zusammengenommen und in eine umfassende alphabetische Reihung gebracht werden. So wird ein großer, insgesamt 18.378 Einträge zählender Personalkatalog aller Schüler geboten. Die alphabetische Anordnung erleichtert die Suche sehr und weist den Weg zu jeder Einzelperson ohne Schwierigkeiten. Der Benützer wird diese editorische Grundentscheidung sehr begrüßen. Sie führt über die Exposition des Quellenmaterials hinaus und unternimmt bereits den ersten Schritt zur Auswertung. Zu jedem Namenseintrag wird, soweit verfügbar, ein standardisierter Kanon von Zusatzinformationen geboten: die besuchte Klassenstufe, das Alter des Schülers, das Jahr des Studieneintrages, die Herkunft, der Beruf des Vaters, die Qualifikation und Bewertung, Daten zur Schullaufbahn mit Mitwirkung an Schulveranstaltungen (vor allem Theater) und zum weiteren Lebenslauf, exakte Fundstellennachweise in Quellen und Literatur. Diese ergänzenden Angaben werden in überlegter drucktechnischer Aufbereitung übersichtlich dargeboten und verhelfen vielen Einzelpersonen zu ersten Konturen. Vor allem verschaffen sie der behandelten Personengruppe ein bezeichnendes Sozialprofil; hier wird die sich durch ihre Gymnasialausbildung von ihrer bäuerlichen und handwerkerlichen Umgebung abhebende künftige Bildungselite des nordostbayerischen Grenzraumes im 17. und 18. Jahrhundert aufgelistet. Der Unterschied zur Haupt- und Residenzstadt München sowie zur Reichsstadt Augsburg (Paul B. Rupp, Die Schüler des Augsburger Jesuitengymnasiums 1582–1614, Augsburg 1984) fällt sofort ins Auge.

Der Band ist das beeindruckende Ergebnis lebenslanger Beschäftigung eines verdienstvollen Gymnasialgelehrten mit einer trockenen, schwer zu überschauenden Materialfülle. Die Bearbeitung der Namenmasse setzt die geduldige und entsagungsvolle Kärrnerarbeit vieler Jahre voraus. Das Ergebnis dieser wertvollen Grundlagenforschung ist ein Berg von punktuellen und nüchternen Einzelangaben. Die Früchte werden die vielen künftigen Benützer ernten, die hier quellenfundierte Erstinformationen zu einem Personenkreis von überwiegend höchstens regionaler Bedeutsamkeit vorfinden. Der Bearbeiter hat in diesen Katalog viel Zeit und Mühe investiert. Er hat vor allem sein unerschöpfliches Wissen zur Bildungsgeschichte der Region eingebracht, ohne auf ein Untersuchungsergebnis von allgemeiner Aussagekraft mit viel Beachtung zu zielen. Doch bietet er in der gehaltvollen Einleitung bereits erste vortreffliche Beobachtungen zur Informationskraft des bearbeiteten Quellenbestandes. Er hat ein großes Nachschlagewerk vorgelegt, das die Kulturgeschichte Ostbayerns auf neue Grundlagen stellt und für viele Forschungen nützlich sein wird. Der auch buchtechnisch mit Einsatz und Aufwand gestaltete Band verschafft der sekundaren Bildungsebene der Region um den Zentralort Straubing mit seinem beträchtlichen, nordwärts ausgerichteten Einzugsbereich nunmehr Konturen und Gesicht.

Für diese Leistung ist die bayerische Landesforschung, im Besonderen die Schul-, die Bildungs-, die Kirchen- und die Sozialgeschichte, Alfons Huber zu großem Dank und Anerkennung verpflichtet. Er hat seinem verdienstvollen wissenschaftlichen Œuvre mit diesem Opus magnum eine Krone aufgesetzt.